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"Die Spitze des Eisbergs" Telekom kein Einzelfall?

Der frühere Telekom-Sicherheitschef Jürgen Knoke sieht die Telekom-Affäre nur als Spitze des Eisbergs. Der Konzern sei mit seinen Überwachungsmaßnahmen kein Einzelfall, sagte er dem Spiegel TV Magazin. Auch bei anderen großen deutschen Konzernen würden Journalisten ausspioniert. "Schauen Sie mal in andere Dax-Unternehmen. Das ist gang und gäbe. Da waren wir nicht die einzigen", sagte er dem Magazin. Namen von Unternehmen nannte Knoke nicht.

"Der Vorstand hat Unzufriedenheit bekundet, dass permanent Interna in die Presse gelangen", sagte Knoke. Daher habe man geschaut, wer Zugang zu Unterlagen und Kontakte zu Journalisten hatte: "Dann haben wir Maßnahmen ergriffen". Knoke war von 1998 bis 2004 Sicherheitschef der Telekom.

Obermann holt sich Hilfe

Gegenmaßnahmen wurden nun vom amtierenden Chef der Deutschen Telekom, Ren Obermann, ergriffen. Obermann holt sich zur Aufklärung des Spitzelskandals in seinem Unternehmen den Datenschutzexperten Gerhard Schäfer. Der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof, BGH, soll als unabhängiger Fachmann für die Telekom ein neues Sicherheitskonzept erarbeiten. Darauf haben sich Obermann und Schäfer verständigt.

Schäfer soll den Vorstand der Telekom "unmittelbar unterrichten", teilte die Telekom mit. Zusammen mit dem Vorstandsbeauftragten der Konzernsicherheit, dem ehemaligen Vizechef des Bundeskriminalamtes Reinhard Rupprecht, soll er nach Angaben des Konzerns "die Telekom-internen Untersuchungen zum missbräuchlichen Zugriff auf Telefon- Verbindungsdaten prüfen".

Wie Schäfer auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz zusammen mit Obermann mitteilte, wolle er einen eigenen Stab einrichten und sich "ein Bild über die Sachlage" verschaffen. Er wolle ein Datensicherheitskonzept für die Deutsche Telekom entwickeln und dieses bis zur Einführung begleiten. Zunächst wolle er nach Schwachstellen im System suchen. Er kenne die Vorwürfe bisher nur aus Presseveröffentlichungen, sagte Schäfer.

Körbe für Schäuble

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat sich unterdessen mit seiner Einladung an die Telefonunternehmen zur Diskussion der Telekom-Krise von den meisten Gesellschaften offenbar mehrere Körbe geholt. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, sagt ein Unternehmen nach dem anderen das für Montag geplante Gespräch im Innenministerium ab. Einzig die tief in die Spitzelaffäre steckende Deutsche Telekom werde am Montag mit dem Vorstandsvorsitzenden Ren Obermann dabei sein. E-Plus, Vodafone und Arcor hätten nicht vor, Vertreter nach Berlin zu schicken. Auch Telefnica und deren deutsche Tochtergesellschaft O2 werden nicht an dem Gespräch teilnehmen, wie die Zeitung schreibt.

Angesichts der Absagen rief Schäuble Verbände und Unternehmen eindringlich zur Teilnahme an dem von ihm anberaumten Treffen auf. "Das ist ein Angebot an die Branche, und sie ist gut beraten, wenn sie es annimmt", sagte Schäuble am Rande einer Tagung in der Akademie für politische Bildung in Tutzing. Die Vorwürfe gegen die Telekom seien schwerwiegend und geeignet, "Vertrauen in die Seriosität der Telekommunikationsunternehmen im Umgang mit Daten zu erschüttern". Nun müsse gemeinsam beraten werden, wie der entstandene Schaden begrenzt oder behoben werden könne.

Schäuble erklärte, zunächst müsse sichergestellt werden, dass bestehende Gesetze und Vorschriften eingehalten würden. Zudem müsse man klären, ob zusätzliche "institutionelle Vorkehrungen" in den Unternehmen möglich seien und ob es gesetzlichen Handlungsbedarf gebe. Man werde dies seriös prüfen, aber schnell handeln. Die Bürger hätten einen Anspruch darauf, dass mit ihren Daten angemessen und geltenden Datenschutz-Regeln entsprechend umgegangen werde, betonte der Minister. Schäuble führte die Absagen mehrerer Unternehmen für das Treffen unter anderem darauf zurück, dass diese nicht in den Verdacht geraten wollten, selbst gegen Vorschriften verstoßen zu haben. "So ist das Gespräch nicht gemeint, wir führen kein Ermittlungsverfahren", betonte der Innenminister.

Die Telekom hatte am Wochenende eingeräumt, dass zwischen 2005 und 2006 mindestens ein Jahr lang Telefondaten ausspioniert worden sind. Ziel der Spionage soll es gewesen sein, Informationslecks zu schließen, um die Veröffentlichung von vertraulichen Informationen zu unterbinden. Der Konzern selbst hatte die Vorfälle bei der Staatsanwaltschaft angezeigt und lückenlose Aufklärung versprochen. Unklar bleibt bislang, wer den Auftrag zur Bespitzelung erteilte und welches Ausmaß sie hatte. Zum Zeitpunkt der Vorfälle leitete Kai-Uwe Ricke die Geschicke des Telekomriesen und wurde von Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel kontrolliert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen beide Manager. Im Konzernumfeld hieß es, dass es wohl vor allem um Kontakte von Aufsichtsräten zu Journalisten ging, möglicherweise auch von Managern. Die Daten seien von einer Berliner Firma ausgewertet worden.

Quelle: ntv.de

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