Meldungen

Bank- und Bewegungsprofile Telekom tiefer im Sumpf

Die Spitzelaktionen bei der Deutschen Telekom haben offenbar einen deutlich größeren Umfang als bislang bekannt. Wie die "Süddeutsche Zeitung" nun berichtet, sollen nicht nur Telefonverbindungen, sondern auch Bankdaten von Journalisten und Aufsichtsräten ausgespäht worden sein. Zudem sollen mit einer speziellen Software Bewegungsprofile von einzelnen Personen erstellt worden sein. Demnach wurde über Handydaten abgeglichen, wo sich diese aufhielten.

Derzeit untersuchen Ermittler laut "SZ" auch die Rechnung einer Berliner Datenauswertungsfirma über mehr als 350.000 Euro, die Ende November 2006 über die Kostenstelle des Vorstandsvorsitzenden der Telekom beglichen worden war - zu einem Zeitpunkt, als Telekom-Chef Ren Obermann gerade wenige Tage im Amt war. Obermann sagte der Zeitung, ihm sei der Vorgang erst im August 2007 "zur Kenntnis gekommen". Solche Rechnungen hätten "weder eine Mitzeichnung noch inhaltliche Kenntnisnahme von Vorständen" erfordert, teilte das Unternehmen dem Bericht zufolge ergänzend mit. Obermann versicherte, die Bespitzelungen hätten ohne seine Kenntnis stattgefunden: "Ich war nicht einbezogen."

Schäuble erklärt Datenschutz

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat angesichts der Telekom-Spitzelaffäre die Chefs der Telekommunikationsanbieter für kommenden Montag einbestellt. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" unter Berufung auf die ihr vorliegende Einladung an die Manager berichtet, soll während des Treffens erörtert werden, wie der Datenschutz in Unternehmen wirksam realisiert werden könne. "Uns geht es darum, die Bedeutung des Datenschutzes in Unternehmen zu stärken und darum, dass die Unternehmen von sich aus um 'good data governance' bemüht sind", heißt es zur Zielvorgabe, Zu den Eingeladenen gehöre auch Telekom-Chef Rene Obermann. Vom Ministerium war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

Ermittlungen gegen Ricke und Zumwinkel

Zuvor hatte die Bonner Staatsanwaltschaft zwei Wochen nach der Strafanzeige der Deutschen Telekom die Bonner Zentrale des Konzerns untersucht. Im Fokus der Ermittler stehen der frühere Konzernchef Kai-Uwe Ricke und der Ex- Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Zumwinkel. Beide seien Gegenstand der Ermittlungen, sagte Oberstaatsanwalt Fred Apostel.


Nach Angaben von Apostel sind weder aktuelle Vorstandsmitglieder noch der Vorstandsvorsitzende Ren Obermann im Visier der Ermittler. Nach seinen Worten geht es um den Vorwurf der missbräuchlichen Verwendung von Daten und der Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses. Das Ermittlungsteam umfasse zurzeit 50 Leute, darunter Spezialisten des Bundeskriminalamtes. "Wir ermitteln relativ umfassend, dazu gehören auch Vernehmungen", sagte Apostel. Bei der Durchsuchung seien ihnen alle Räume der Entscheidungsträger zugänglich gemacht worden.

Bislang unbestätigten Informationen zufolge richten sich die Ermittlungen gegen sechs weitere Personen. Laut der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" gehört dazu auch der frühere Konzernsicherheitschef Harald Steininger. Steininger soll unter anderem für die Bespitzelung von Aufsichtsräten verantwortlich gewesen sein. Telekom-Chef Obermann entließ Steininger sowie weitere Beschäftigte der Sicherheitsabteilung, nachdem der Fall intern bekannt geworden war. Der frühere Kriminalbeamte war vor seiner Zeit bei der Telekom laut "WAZ" bereits in der Sicherheitsabteilung bei der Deutschen Bank und Sicherheitschef bei SAP.

Telekom-Sprecher Philipp Schindera sagte, dass angesichts der Schwere der Vorwürfe von einer Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auszugehen war. "Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir an einer lückenlosen Aufklärung interessiert sind." Am Mittwochabend hatte der Aufsichtsrat der Telekom über die Affäre beraten und Obermann den Rücken gestärkt. Auch der Bund als Großaktionär stellte sich demonstrativ vor Obermann.

"Ein Abgrund von ..."

Der Vorstandsvorsitzende des Verlagshauses Gruner+Jahr, Bernd Kundrun, reagierte mit heftiger Kritik an die Adresse der Telekom: "Das Haus Gruner+Jahr mit seinen Publikationen "Capital" und "Financial Times Deutschland" ist nach heutigem Kenntnisstand Angriffspunkt von Aktionen der Deutschen Telekom gewesen, die ich bisher in unserem Lande nicht für möglich gehalten hätte", sagte Kundrun.

Nach Informationen der "FTD" soll die Telekom bereits 2000 einen Spitzelauftrag erteilt haben, der an die Berliner Control Risks Group (CRG), eine international tätige Unternehmensberatung für Krisenmanagement und Ermittlungen, gegangen sei. Diesen Auftrag habe ein Mitarbeiter vergeben, der später zum Leiter der Telekom-Konzernsicherheit aufgestiegen sei.

Unklar ist nach Angaben der Zeitung aber, in wessen Auftrag er gehandelt habe. Vorstandschef war zu diesem Zeitpunkt Ron Sommer. "Wir haben dazu nichts in unseren Unterlagen gefunden", zitiert das Blatt CRG-Geschäftsführer Jürgen Stephan. Control Risks habe interne Untersuchungen eingeleitet.

Der ehemalige Telekom-Chef Sommer bestritt erneut, über die Bespitzelung von Journalisten im Auftrag seines Konzerns informiert gewesen zu sein. "Ich hätte derartige Praktiken nie akzeptiert", sagte Sommer der "FTD". "Das gilt auch für den gesamten Vorstand und Aufsichtsrat. Sommer war zwischen 1995 und 2002 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom.

Stasi-Methoden bei der Telekom?

Der betroffene "FTD"-Journalist, Tasso Enzweiler, erklärte im Interview mit n-tv die Hintergründe: "Die FTD ist 2000 auf den Markt gekommen und hatte damals noch einen stark investigativen Charakter. (...) Insofern lag es nahe, dass man in Gesprächen mit Managern durchaus versucht hat, Entwicklungen, die noch im entstehen waren, relativ früh rauszufinden, also Planzahlen oder wichtige Projekte, die der Konzern vorhatte. Es ist halt das übliche Verfahren auch von anderen Journalisten bei Wirtschafts- und Nachrichtenmagazinen, um exklusive Informationen zu bekommen."

Zu der Bespitzelung durch die Telekom sagte Enzweiler: "Ich war natürlich wirklich erschrocken, weil ich das in der Form so nicht erwartet hätte." Der Journalist wollte sich nicht festlegen, ob auch in anderen deutschen Unternehmen solche Bespitzelungen vorkommen: "Das kann ich nicht beurteilen. Ich würde allerdings sagen, dass generell bei den Unternehmen erst einmal eine Unschuldsvermutung gelten sollte."

Die Telekom hatte am Wochenende eingestanden, dass der Konzern 2005 und 2006 Telefon-Verbindungsdaten missbräuchlich genutzt habe. Vor rund zwei Wochen hatte die Telekom nach Angaben von Vorstandschef Ren Obermann Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Zuvor hatte "Der Spiegel" die Affäre ans Licht gebracht.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen