Jobs weiter auf der Kippe Thiel will PIN übernehmen
14.12.2007, 12:21 UhrDer Axel-Springer-Verlag dreht der defizitären PIN Group nach der Bundestagsentscheidung zum Post-Mindestlohn den Geldhahn ab. Der Verlagskonzern will die Mehrheit an der PIN Group abgeben, "wenn Minderheitsgesellschafter und neue Investoren ausreichend Mittel zur Verfügung stellen, um eine wirtschaftliche Perspektive für die PIN Group in neuer Positionierung zu ermöglichen", so Axel Springer. Nun positionieren sich PIN-Chef Günter Thiel und das Management der Firma, um mit einer Übernahme der Mehrheit in die Fußstapfen des Springer-Verlags zu treten. Dennoch droht weiterhin ein massiver Arbeitsplatzabbau.
Die Unternehmensführung sei gewillt, die Springer-Anteile an der PIN Group für einen symbolischen Preis zu übernehmen und einen hohen zweistelligen Millionenbetrag in das Unternehmen zu investieren, erklärte Thiel. Damit wäre die Finanzierung des Postdienstleister für etwa ein halbes Jahr gesichert. In der Zwischenzeit arbeite das Unternehmen an einer längerfristigen Lösung: Er sei zuversichtlich, dass schon nach drei bis vier Monaten eine tragfähige Finanzierung bis einschließlich 2010 gefunden werde, sagte Thiel. Das Berliner Verlagshaus habe signalisiert, dass es unter diesen Bedingungen sein Engagement als Minderheitsgesellschafter möglicherweise fortführen werde.
Um das Unternehmen fortführen zu können, komme das Management aber nicht umhin, im Frühjahr 2008 weitere 1.000 bis 2.000 Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen, warnte Thiel. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen 9.000 Mitarbeiter, hat aber bereits mit dem Abbau von rund 1.000 Stellen begonnen.
Derzeit hält Europas größtes Zeitungshaus Springernoch 63,7 Prozent am zweitgrößten Postdienstleister in Deutschland. Allein im zweiten Halbjahr 2007 hatte der Konzern der PIN Group nach eigenen Angaben mehr als 60 Mio. Euro zur Verfügung gestellt, um den Ausbau des Geschäfts zu unterstützen. Der nun vom Bundestag beschlossene Mindestlohn verhindert aus Sicht des Konzerns den Wettbewerb und sichere das Monopol der Deutschen Post. In den vergangenen zwei Jahren hat der Verlag nach eigenen Angaben 620 Mio. Euro in den Briefzusteller investiert.
Niedrigerer Mindestlohn beantragt
Die Konkurrenten der Deutschen Post gehen nun gemeinsam in die Offensive und wollen einen eigenen Mindestlohn durchsetzen, der deutlich unter dem vom Bundestag auf den Weg gebrachten liegt. Beim Bundesarbeitsministerium ist laut Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste eine Lohnuntergrenze von 7,50 Euro pro Stunde im Westen und 6,50 Euro pro Stunde im Osten beantragt worden.
Der Bundestag hatte zuvor die Einführung eines Mindestlohns zwischen acht und 9,80 Euro für Briefzusteller beschlossen, auf den sich der von der Post dominierte Arbeitgeberverband und Gewerkschaften geeinigt hatten. Er soll durch die Änderung des Entsendegesetzes für allgemeinverbindlich erklärt werden. Der Mindestlohn muss noch vom Bundesrat abgesegnet werden.
Der arbeitsmarktpolitische Sprecher von CDU und CSU, Ralf Brauksiepe, verteidigte bei n-tv die Beschlüsse. "Auch wenn der Briefmarkt umkämpft ist, ist er doch ein schrumpfender Markt. Und wir hätten nicht durch irgendein Tun oder irgendein Unterlassen Drohungen mit Arbeitsplatzverlusten verhindern können." Die Post habe zuvor 32.000 verlorene Arbeitsplätze angedroht für den Fall, dass die Regierung nichts tue. Die Konkurrenten hätten ebenfalls mit Arbeitsplatzverlust für den Fall gedroht, dass die Regierung etwas tun. "Für uns war wichtig, dass wir zu einer klaren Entscheidung, orientiert an klaren Kriterien, kommen", so Brauksiepe.
Der Konkurrenz-Arbeitgeberverband, in dem 35 alternative Anbieter organisiert sind, darunter die beiden größten PIN Group und TNT, will erreichen, dass der mit der Gewerkschaft Neue Brief- und Zustelldienste vereinbarte Mindestlohn für alle Anbieter gilt, die sogenannte Mehrwertdienste, wie termingenaue Zustellung, anbieten und sich dadurch von der Post-Dienstleistung abheben. Der für die Post geltende Mindestlohn könne deshalb nicht auf die Konkurrenten übertragen werden, argumentiert der Verband.
Quelle: ntv.de