Strafbewehrte Standards Tiefensee plant Bahn-Korsett
08.05.2008, 13:10 UhrDie Deutsche Bahn AG soll nach ihrem geplanten Börsengang Strafe zahlen, wenn sie bestimmte Qualitätsstandards auf der Schiene verfehlt. Das kündigte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee an. Mit einer entsprechenden Bestimmung in der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung im Zuge der Privatisierung sollen Befürchtungen der Länder ausgeräumt werden, die Bahn werde künftig unter Renditegesichtspunkten das Schienennetz in der Fläche vernachlässigen.
Tiefensee versicherte, dass die Qualitätsstandards sich nicht zwingend nach dem Ist-Zustand bemessen, sondern dass das Niveau besonders in der Fläche einem angemessenen Verkehrsniveau entsprechen müsse. Der SPD-Politiker räumte allerdings ein, dass dazu noch Verhandlungen mit der Bahn AG nötig seien: "Da ist noch Musik drin."
Er versprach eine "ausverhandelte" Fassung der Vereinbarung noch für die laufende Legislaturperiode. Den Umstand, dass der Bundestag schon in diesem Monat, wahrscheinlich am 30. Mai, die Teilprivatisierung der Bahn absegnen soll, wertete er als nicht problematisch.
L ärmschutz statt Einkaufstour
Tiefensee hatte zuvor die Vorgabe verteidigt, dass die Bahn die Einnahmen aus ihrem Börsengang nicht für Unternehmenszukäufe im Ausland verwenden darf. "Die Gelder, die wir jetzt erlösen, sollen in Deutschland angewendet werden", sagte der SPD-Politiker. Die Bundesregierung erwarte, dass die Bahn ihre zwei Drittel der Erlöse allein in die Sanierung von Schienennetz und Bahnhöfen sowie den Lärmschutz investiere. Der Bund als Eigentümer werde dazu zwar keine formale Weisung aussprechen. Das Management sei aber gut beraten, die Erwartung des Bundes sehr ernst zu nehmen und umzusetzen. Das letzte Drittel der Erlöse soll dem Bundeshaushalt zugutekommen.
Beschwichtigender Zahlenzauber
Bahn-Chef Hartmut Mehdorn wollte sich dagegen mit dem Börsengang vor allem das nötige Eigenkapital verschaffen, um im Ausland Unternehmen zuzukaufen. Mit der Vorgabe des Bundes platzt dieses Vorhaben zwar nicht, Mehdorn muss das Geld nun aber umschichten. Schließlich seien die Investitionen in Schiene und Bahnhöfe ohnehin fällig geworden, die Bahn werde damit an anderer Stelle entlastet, sagte Tiefensee. Der Bund wolle nur sicherstellen, dass die Erlöse des Börsengangs auch tatsächlich für die Infrastruktur eingesetzt würden. Ursprünglich sollte jeweils ein Drittel der Einnahmen ins Schienennetz und für Zukäufe ins Eigenkapital der Bahn fließen.
Die Standards, mit denen Tiefensee die Qualität des Schienennetzes auch nach dem Börsengang sichern will, sollen nach seinen Worten bis zur Sommerpause unter Dach und Fach sein. In einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sollen die Kriterien festgeschrieben werden, die die Bahn beim Zustand von Bahnhöfen und Schienennetz erfüllen muss. Bisher sei laut Tiefensee nur die korrekte Verwendung der Bundesgelder geprüft worden, nicht aber die Erfüllung von Qualitätsstandards. Lässt die Bahn das Netz verkommen, sollen künftig finanzielle Strafen fällig werden. Bezahlen muss dann nach Tiefensees Worten allerdings nicht der Gesamtkonzern, sondern nur die Infrastruktursparte aus ihrem Gewinn.
Tiefensee verwies darauf, dass der Bund seit 1994 rund 52 Mrd. Euro in den Erhalt des Netzes investiert hat und dafür weiter jährlich 2,5 Mrd. Euro überweisen werde. An die Länder fließen zusätzlich knapp sieben Milliarden Euro, von denen sie ihren Regionalverkehr bestellen. Der Bundestag berät am Nachmittag über einen Entschließungsantrag zur Bahn-Privatisierung.
Quelle: ntv.de