Mehdorn soll sprechen Tiefensee will Namen
19.02.2009, 19:54 UhrAuch nach der Sondersitzung des Aufsichtsrates steigt der Druck auf Bahnchef Hartmut Mehdorn in der Datenaffäre. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee drang vehement darauf, die Verantwortlichen zügig beim Namen zu nennen. Der Berliner Finanzsenator und Ex-Bahn-Manager Thilo Sarrazin (SPD) bezichtige Mehdorn sogar öffentlich der Lüge. "Mehdorns Aussage, er habe nichts gewusst, ist vollständig lachhaft." Sarrazin war unter Mehdorn kurzzeitig auch Leiter der Konzernrevision. Der Bahnchef selbst hat zwar "grobe Fehler" des Unternehmens eingeräumt, er selbst habe aber von den kritisierten Vorgängen keine Kenntnis gehabt. Den Vorwurf Sarrazins wollte ein Bahnsprecher nicht kommentieren.
Tiefensee (SPD) verlangte im Zuge der Aufklärung durch die am Mittwoch vom Aufsichtsrat beauftragten Ermittler die Nennung der Namen der Verantwortlichen. "Wer genau ist wofür verantwortlich", sei die Frage, die beantwortet werden müsse. "Es gibt nicht die Bahn, die Aufträge gibt, es gibt nicht die Bahn, an die berichtet wird, sondern es sind konkrete Personen."
Mehdorn steht in der Affäre unter erheblichem Druck. Nach Angaben des Unternehmens wurden die Massen-Überprüfungen von Mitarbeitern zwischen 1998 und 2007 von der Konzernrevision in Auftrag gegeben, die dem Bahnchef direkt untersteht. Der Leiter der Abteilung, Josef Bähr, wurde inzwischen beurlaubt.
Mehdorn selbst sagte laut einer Erklärung für den Aufsichtsrat, er sei zwar über wichtige Vorgängen informiert gewesen. "Ich war allerdings nicht in operative Entscheidungen wie die Beauftragung von externen Dritten oder die Durchführung der Datenabgleiche einbezogen." Der Vorstand habe weder über "Art und Weise der Durchführung, noch vom Zeitpunkt, noch vom Umfang, noch der Einbindung Dritter irgendwelche Kenntnis" gehabt.
Nicht die Wahrheit
Sarrazin, der nach Amtsantritt Mehdorns Ende 1999 für einige Monate die Konzernrevision leitete, sagte der "Berliner Morgenpost": "Er war damals mein unmittelbarer Chef, an den ich berichtet habe. Wesentliche Geschäftsvorfälle werden immer dem zuständigen Vorstand berichtet. Mehdorn sagt da nicht die Wahrheit." Sarrazin war 2001 im Streit mit Mehdorn aus dem Unternehmen ausgeschieden und wechselte anschließend auf den Posten des Berliner Finanzsenators.
Am Mittwochabend hatte der Bahn-Aufsichtsrat dem Vorstand die Ermittlungen in der Affäre entzogen, um sie in die eigene Hand zu nehmen. Beauftragt wurden von dem Gremium die Ex-Bundesminister Gerhart Baum und Herta Däubler-Gmelin sowie die Wirtschaftsprüfer von KPMG. Tiefensee sagte, die Zukunft der Bahn-Spitzenmanager werde beantwortet, wenn die Verantwortung von den Ermittlern aufgedeckt sei: "Das werden wir zur Kenntnis nehmen, beurteilen und dann entscheiden."
Die Ermittler hätten nun auch den Auftrag, Hinweisen nachzugehen, dass sich die Überwachung nicht nur auf Mitarbeiter beziehe, sondern sogar Journalisten oder Politiker getroffen habe. Der FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich warf Mehdorn vor, Mitarbeiter auch mit dem Ziel bespitzelt lassen zu haben, deren Kontakte zu Politikern und Journalisten aufzudecken.
Schlechte Unternehmenskultur
Bereits jetzt habe die Affäre dem Unternehmen massiv geschadet, sagte der Minister: "Wir haben es zu tun mit einer Vertrauenskrise, wir haben es zu tun mit einer schlechten Unternehmenskultur, die daraus erwachsen ist."
Die Ergebnisse der Ermittler sollen bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung Ende März vorliegen. Tiefensee sagte aber, er gehe davon aus, auch von Zwischenergebnissen umgehend informiert zu werden, "um Konsequenzen ziehen zu können". Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vize-Kanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatten zuletzt angedeutet, dass sie derzeit keinen Wechsel an der Spitze der Bahn wollen.
Zuletzt hatte das Unternehmen eingeräumt, dass es Verstöße gegen das Strafrecht nicht mehr ausschließen könne und dass auch Akten vernichtet oder manipuliert worden sein könnten.
Quelle: ntv.de