Weltweite Schockwellen US-Industrie am Tiefpunkt
01.12.2008, 16:45 UhrDie Konjunkturkrise zwingt die Industrie weltweit in die Knie. Die letzte Schreckensmeldung kommt nun aus den USA: Die US-Industrie hat im November so stark an Schwung verloren wie seit 26 Jahren nicht. Der an den Finanzmärkten viel beachtete Konjunkturindex der US-Einkaufsmanager fiel auf 36,2 von 38,9 Punkten im Vormonat, wie das Institute for Supply Management (ISM) mitteilte. Dies war der niedrigste Wert seit 1982. Experten hatten im Schnitt nur mit einem Rückgang auf 37,0 Punkte gerechnet.
Auch die US-Bauausgaben sind im Oktober stärker als erwartet gefallen. Das US-Handelsministerium in Washington wies ein Minus zum Vormonat von 1,2 Prozent aus nach einer Stagnation im September Analysten hatten für Oktober im Schnitt mit einem Minus von 1,0 Prozent gerechnet. Die Ausgaben der privaten Häuslebauer gingen um 3,5 Prozent zurück.
Asien und Europa taumeln
Nicht nur in den USA, auch in Asien und Europa brechen den Unternehmen im Rekordtempo die Aufträge weg. Dies geht aus zahlreichen Umfragen hervor, die am Montag veröffentlicht wurden. In der Euro-Zone verschärfte sich nach Angaben des britischen Marktforschungsunternehmens Markit zufolge der Abschwung in den letzten Tagen des Novembers. In Deutschland schrumpfte der Wirtschaftszweig so stark wie nie zuvor seit Beginn der Umfrage 1996. "Kein Land ist von den steigenden Auswirkungen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft unbeeinflusst geblieben", sagte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson.
In fast allen Ländern sanken die Einkaufsmanagerindizes auf Tiefststände. Für die Euro-Zone bedeutet das die schärfste Rezession in dem Sektor seit mehr als zehn Jahren. Russlands Industrie bricht sogar noch stärker ein, als während der Krise 1998, wie aus einer Umfrage der Bank VTB hervorgeht. In Indien rutschte der ABN Amro-Index erstmals seit Beginn der Erhebungen vor dreieinhalb Jahren unter die Wachstumsschwelle von 50 Zählern. Auch Chinas Industrie schrumpfte kräftig, wie aus zwei Umfragen des Fachverbandes für Logistik und Einkauf und dem auf Asien fokussierten Broker CLSA hervorgeht. "Die Daten zeigen, dass der Abschwung in China an Geschwindigkeit gewonnen hat", sagte Zhang Liqun zur Verbandsumfrage.
Vor allem die Nachfrage aus dem Ausland erwies sich weltweit für die Industriefirmen zum Problem. Erstmals litten die Unternehmen in China stärker unter der Kaufzurückhaltung in anderen Ländern als im Inland, sagte CLSA-Chefvolkswirt Eric Fishwick. Kunden aus Europa, Asien und den USA fuhren ihre Bestellungen bei den deutschen Firmen laut Markit noch stärker zurück als im Oktober.
Wenig Nachfrage nach "Made in Germany"
"Zahlreiche Befragte berichteten, dass die striktere Kreditvergabepraxis der Banken und die globale Konjunktureintrübung dafür verantwortlich waren, dass die weltweite Nachfrage nach Investitionsgütern 'Made in Germany' dramatisch eingebrochen ist." Die Maschinenbauer sammelten etwa im Oktober 16 Prozent weniger Aufträge ein, vor allem Kunden aus dem Ausland hielten sich laut Branchenverband VDMA nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers zurück.
Dazu kommen Schwierigkeiten auf dem Heimatmarkt. Das bekam etwa die Industrie in Indien zu spüren. "Auch angesichts einer schwindenden Auslandsnachfrage scheint die Inlandsnachfrage im November noch viel stärker zurückgegangen zu sein", sagte ABN Amro-Analyst Gaurav Kapur. Wegen der Nachfrageflaute drosselten die Firmen ihre Produktion kräftig und bauten Stellen ab; das Minus war vielerorts so groß wie nie.
In Deutschland fielen zuletzt vor fünfeinhalb Jahren mehr Arbeitsplätze in der Industrie weg. Der Investitionsboom dürfte nun nach Einschätzung des Statistischen Bundesamtes auslaufen, nachdem die Unternehmen im vergangenen Jahr noch so viel investiert hatten wie seit Anfang der 90er Jahre nicht. "2008 wird das Niveau wohl niedriger sein und 2009 wird es - nach dem Stand der Prognosen - ganz schlecht aussehen", schrieben die Statistiker.
Experten sehen daher die Notenbanken in der Pflicht: Die Europäische Zentralbank dürfte ihren Leitzins am Donnerstag weiter reduzieren. Postbank-Expertin Fabienne Riefer hält derzeit einen Schritt um 0,5 Prozentpunkte für wahrscheinlich. "Die Chance auf eine aggressivere Senkung hat sich aber mit den heutigen Daten nochmals erhöht."
Quelle: ntv.de