Winkelzüge für Wolfsburg VW-Gesetz in Aussicht
22.05.2008, 06:50 UhrDas Land Niedersachsen soll einem Entwurf für ein neues VW-Gesetz zufolge weiterhin größtmöglichen Einfluss auf den Autobauer haben. Gleichzeitig kann die Regelung bei Protest aus Brüssel aber auch schnell wieder gekippt werden. Die Gesetzesvorlage aus dem Haus von Bundesjustizministerium Brigitte Zypries (SPD) soll demnach vom Kabinett zusammen mit einer Protokollerklärung beschlossen werden, in der sich Berlin verpflichtet, das Gesetz bei Kritik der EU-Kommission zu ändern. EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy übte bereits Kritik an den Regelungen.
Der Zypries-Entwurf sieht vor, dass die Sperrminorität bei Volkswagen auf 20 Prozent festgeschrieben wird. Damit könnte Niedersachsen mit seinem 20,1-Prozent-Anteil wichtige Entscheidungen in den Hauptversammlungen weiter blockieren. Üblich ist ein Vetorecht ab 25 Prozent der Anteile. Die Vorlage, die Zypries erstmals im Januar präsentiert hatte, sichert zudem den Einfluss der Arbeitnehmer auf die Konzernpolitik bei VW. Wichtige Entscheidungen wie die Errichtung oder Verlegung von Produktionsstätten muss der Aufsichtsrat des Unternehmens demnach mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit absegnen. Damit könnten keine Entscheidungen gegen die Arbeitnehmervertreter im Gremium getroffen werden.
Kritik aus Brüssel
Abgeschafft werden einer Ministeriumssprecherin zufolge die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Herbst für ungültig erklärten Klauseln des alten VW-Gesetzes. Demnach soll die Neufassung die bislang festgeschriebenen Entsenderechte des Landes Niedersachsen von Vertretern in den Aufsichtsrat nicht mehr enthalten. Auch soll die Regelung entfallen, die das Stimmrecht aller Aktionäre auf höchstens 20 Prozent begrenzte, unabhängig von ihrem tatsächlichen Anteil an VW.
Diese Klausel war vor allem vom Stuttgarter Autobauer Porsche scharf kritisiert worden, der mit rund 30 Prozent größter VW-Aktionär ist und seinen Anteil auf über 50 Prozent steigern möchte. Porsche hatte auch zu verhindern versucht, dass die Sperrminorität auf 20 Prozent festgelegt wird.
McCreevy kündigte bereits Widerstand gegen die neuen Pläne für das VW-Gesetz an. Auch der neue Entwurf berücksichtige aus Sicht der EU-Kommission nicht alle Vorgaben aus dem EuGH-Urteil, sagte sein Sprecher in Brüssel. Im Vergleich zum April, als McCreevy die deutsche Ministerin in einem Brief aufgefordert hatte, ihre Pläne zu überdenken, habe sich "die Situation nicht geändert". Das gelte auch in Hinsicht auf die geplanten Regeln zur Sperrminorität. Die Kommission werde den Entwurf, der bislang noch nicht von Berlin übermittelt worden sei, anhand dieser Kriterien untersuchen.
Damit dürfte das neue VW-Gesetz schnell Makulatur werden: Die Protokollerklärung, die das Kabinett am kommenden Dienstag zusammen mit dem Gesetzentwurf absegnen solle, sehe vor, das Gesetz abzuändern, falls Brüssel rechtliche Bedenken anmelde, hieß es in den Regierungskreisen.
Unterschriftenaktion geplant
Unterdessen will der Betriebsrat die Beschäftigten des Wolfsburger Konzerns gegen die Europäische Kommission in Stellung bringen. An allen europäischen Standorten solle eine Unterschriftenaktion gestartet werden, kündigte die Arbeitnehmervertretung an. Damit solle die EU-Kommission aufgefordert werden, das von Justizministerin Brigitte Zypries vorgeschlagene VW-Gesetz unangetastet zu lassen. Dies hätten die Betriebsratsvertreter aller Konzernmarken beschlossen.
"Die EU-Kommission sollte endlich Schluss damit machen, den freien Kapitalverkehr zum zentralen Grundwert Europas zu erklären", erklärte Betriebsratschef Bernd Osterloh. "Ich kann nicht erkennen, was die EU-Kommission umtreibt, Tausenden von Arbeitnehmern in Europa Schutzfunktionen zu nehmen, um wenigen Milliardären einen Gefallen zu tun." Die Menschen wollten ein soziales Europa. "Kapitalverkehrsfreiheit, bei der die Arbeitnehmer am Ende immer die Dummen sind, steht nicht auf ihrer Wunschliste", sagte Osterloh.
Quelle: ntv.de