Bund verteidigt Einstieg Wirbel um Commerzbank
09.01.2009, 15:11 UhrNach der Teilverstaatlichung der Bank gehen die Diskussionen über die Zukunft der Bank weiter. Finanzexperten sehen in der Übernahme von 25 Prozent der Aktien durch die Bundesrepublik Deutschland eine neue Dimension in der Finanzkrise erreicht.
Die Bundesregierung verteidigte den rund 18 Mrd. Euro teuren Einstieg mit Steuergeld bei der Commerzbank. Die Fusion mit der Dresdner Bank werde damit gesichert. Der Staat will aber nicht dauerhaft Großaktionär bleiben. Wenn es der Aktienkurs der Commerzbank zulässt, wird der Bund seinen Anteil von 25 Prozent plus eine Aktie wieder verkaufen, sagte der Sprecher von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), Torsten Albig, am Freitag.
An der Börse sackte der Kurs der Aktie zum Wochenschluss weiter ab - zeitweilig bis auf 4,47 Euro und damit auf den tiefsten Stand ihrer Geschichte. Sowohl Sparkassen als auch Volks- und Raiffeisenbanken beurteilten den Einstieg des Bundes auch kritisch. Sie befürchten Wettbewerbsnachteile.
Blessing bleibt Chef
Commerzbank-Chef Martin Blessing, der die umstrittene Übernahme der Dresdner von der Allianz einfädelte, soll im Amt bleiben. Aus dem Tagesgeschäft will sich der Bund, der Vertreter in den Aufsichtsrat schickt, heraushalten. "Es wäre völlig fatal und dumm, wenn eine Regierung in so einer Situation Einfluss nehmen würde. Das operative Geschäft ist Sache des Vorstandes", sagte Albig.
Dies unterstrich auch SPD-Chef Franz Müntefering. "Der Staat tritt auf Zeit ein, aber er wird sich auch in einem baldigen und vernünftigen Augenblick wieder lösen. Wir werden jedenfalls auf die Geschäfte keinen Einfluss nehmen", sagte er im ZDF.
CDU: Notfalls ganz übernehmen
Der Finanzexperte der Union, Otto Bernhardt (CDU), schloss weitere Finanzspritzen für die Commerzbank nicht aus. "Wir müssen alles tun, was notwendig ist, um die Commerzbank zu retten. Dafür gibt es keine Obergrenze. Notfalls müsste der Staat die Bank auch komplett übernehmen", sagte er dem "Handelsblatt".
Der staatliche Bankenfonds SoFFin gibt der Commerzbank insgesamt 18,2 Mrd. Euro, um den Dresdner-Kauf und weitere Belastungen aus faulen Kreditpapieren abzusichern. "Wir wollen diese starke Bank - und sie wird erfolgreich sein in Deutschland", sagte Albig. Der Bund erhält ein Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen und in der Hauptversammlung der Großbank. Die Vorstände der Commerzbank dürfen nicht mehr als 500.000 Euro Gehalt im Jahr bekommen.
Wegen der Finanzkrise und der Risiken der Dresdner-Übernahme ist die Commerzbank an der Börse derzeit nur noch rund 3,6 Mrd. Euro wert. Die Aktie brach am Freitag erneut ein und notierte knapp unter fünf Euro. Der Bankenfonds zahlt für seinen Anteil von 25 Prozent plus eine Aktie aber sechs Euro. Das Finanzministerium hofft, dass sich das Dax-Papier nach der Krise erholt und der Staat ohne Verlust - oder sogar mit Gewinn - aussteigen kann. "Der Kurs wird steigen", sagte Albig.
Keine Pläne für Bad Bank
Die Teilverstaatlichung der Commerzbank muss nach Einschätzung der EU-Wettbewerbshüter im Prinzip nicht überprüft werden. Wie die EU-Kommission in Brüssel mitteilte, sei der deutsche Bankenrettungsplan - der auch den Kauf von Beteiligungen an Banken vorsieht - mit einem Umfang von 480 Mrd. Euro bereits gebilligt worden.
Forderungen nach grundlegenden Korrekturen am Banken-Rettungspaket erteilte die Regierung eine Absage. Es gebe ausdrücklich keinen Änderungsbedarf, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg. Es gebe keine Pläne, faule Risiko-Wertpapiere der Banken aufzukaufen und in einer staatlichen "Bad Bank" (schlechte Bank) zu sammeln. Die Änderungswünsche des früheren baden-württembergischen Finanzministers Gerhard Stratthaus (CDU), der zur Spitze des Banken-Sonderfonds SoFFin gehört, sind laut Albig eine Einzelmeinung.
Unterdessen hagelt es Kritik am Einstieg des Bundes. An der Börse kritisierten Händler den neuen Finanzbedarf der Commerzbank heftig. "Das Vertrauen ist erst einmal weg!", sagte ein Händler. Ein anderer schimpfte: "Die können auf Jahre kein Geld verdienen."
Sparkassen: Maßstäbe müssen für alle gelten
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) sieht den Einstieg des Bundes bei der Commerzbank kritisch. Es werde "jetzt darauf zu achten sein, dass es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommt und die gleichen Maßstäbe auch bei anderen Banken angelegt werden", sagte ein Verbandssprecher in Berlin. Auch die Volks- und Raiffeisenbanken befürchten durch den Einstieg des Staates bei der Commerzbank Wettbewerbsnachteile. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken, Uwe Fröhlich, erklärte, zwar habe der Bund angesichts der Nervosität der Finanzmärkte keine andere Wahl gehabt. "Es wäre jedoch ein gravierender Fehler, wenn der Commerzbank nunmehr auch noch Auflagen zum Ausbau des klassischen Mittelstandsgeschäfts gemacht würden. Damit würden gerade gesunde Kreditinstitute wie die Volksbanken und Raiffeisenbanken im Wettbewerb zusätzlich belastet."
Die Linkspartei warf der Regierung "planlose Verschleuderung von Staatsvermögen" vor. "Die Steuerzahler werden enteignet, um die Zockerschulden der Commerzbank und ihrer bisherigen Eigentümer zu begleichen", sagte Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Maurer. Der Staat blättere für den Einstieg das Vierfache des Commerzbank-Marktwertes hin, ohne wirklichen Einfluss auf die Kreditpolitik zu erhalten.
Gerke: Entscheidung war "richtig"
Nach Einschätzung des Bankenexperten Wolfgang Gerke hat sich die Commerzbank mit der Übernahme der Dresdner Bank übernommen. Die Bank habe die Chance nutzen wollen, den krisengebeutelten Konkurrenten zu schlucken, sagte Gerke dem Sender MDR Info. "Doch der Fisch war zu groß." Dennoch sei die Rettung von Commerzbank und Dresdner Bank richtig. "Diese Entscheidung ist sicherlich keine Liebeshochzeit zwischen dem Staat und der Commerzbank, sondern aus einer Notsituation heraus geboren", sagte der Experte dem "Münchner Merkur".
Auch Aktionärsschützer begrüßten deshalb die Teilverstaatlichung der Commerzbank. "Dramatische Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Ulrich Hocker. Grundsätzlich sei der Einstieg bei einer Privatbank zwar ein "ordnungspolitischer Sündenfall". Da der Bund jedoch versprochen habe, nicht in das operative Geschäft einzugreifen und sich zudem schnellstmöglich wieder zurückziehen wolle, könne man höchstens von einer "Teilverstaatlichung auf Zeit" sprechen. Der Einstieg des Bundes bei der Commerzbank werde sich stabilisierend und positiv für die übrigen Anteilseigner auswirken.
Quelle: ntv.de