Handel mit Russland Wirtschaft sorgt sich
27.08.2008, 16:20 UhrDie deutsche Wirtschaft macht sich wegen der Georgien-Krise Sorgen um ihre Handelsbeziehungen zu Russland. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnte vor einer Isolierung des Landes, das der am schnellsten wachsende Exportmarkt für deutsche Produkte ist. "Aus Sicht der deutschen Wirtschaft wäre das verheerend", sagte Tobias Baumann, Referatsleiter Osteuropa.
Auch die Exporteure sehen die Gefahr einer Handelskrise. "Wir hoffen, dass die aktuellen Spannungen um Georgien den deutsch-russischen Außenhandel nicht langfristig beschädigen", sagte ein Sprecher des Außenhandelsverbandes BGA. Russland sei bei der Modernisierung seiner Wirtschaft und Infrastruktur auf deutsches Know-how angewiesen. Umgekehrt sei Russland ein strategischer Partner bei der Rohstoff- und Energieversorgung. Die Länder hätten "dynamische Wirtschaftsbeziehungen, die auf gegenseitigem Nutzen aufgebaut sind", sagte der BGA-Sprecher.
Zehn Prozent des russischen Außenhandels mit Deutschland
Der DIHK forderte, diese Zusammenarbeit nicht zu gefährden. "Es wäre aus Sicht der Wirtschaft sehr schlecht, wenn Projekte wie die WTO-Mitgliedschaft Russlands oder das geplante Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU verschoben oder gar gestoppt würden", sagte Baumann.
Der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft (OA) reagierte ebenfalls mit Sorge. "Ein neuer kalter Krieg würde weder Russland noch dem Westen nützen", sagte der Vorsitzende des Ausschusses, Klaus Mangold, in einem Positionspapier. Russland macht rund zehn Prozent seines Außenhandels mit Deutschland, das damit sein wichtigster Handelspartner ist.
Der Georgien-Konflikt war am Dienstag weiter eskaliert, nachdem Russland die Unabhängigkeit der abtrünnigen georgischen Provinzen Südossetien und Abchasien anerkannt hatte. Der Westen hatte mehrfach vor einem solchen Schritt gewarnt. Ausländische Anleger zogen als Folge Kapital aus Russland ab, die Moskauer Börse brach ein.
Noch keine Störungen
Noch liegen nach einem Überblick des DIHK "keine Meldungen über Störungen der Wirtschaftsbeziehungen" vor, sagte Baumann weiter und mahnte: "Es ist im Interesse Russlands, Deutschlands und Europas, dass das auch so bleibt." Auch die großen Handelspartner stellen bislang keine Folgen fest: "Wir spüren derzeit keine negativen Auswirkungen auf unseren Absatz", sagte eine Daimler-Sprecherin. Zu den Geschäftsperspektiven wollte sie sich nicht äußern. "Niemand weiß, wie der Konflikt weitergeht."
Der Chemiekonzern BASF und das Energieunternehmen Eon verwiesen auf ihre langfristigen Verträge. "Wir haben in der Vergangenheit schwierige Zeiten wie den Ost-West-Konflikt, die Ölpreiskrisen und das Ende der Sowjetunion erlebt", hieß es bei der Eon-Tochter Ruhrgas. BASF betonte, Krisen seien immer negativ, da Verbrauchervertrauen und Investitionsentscheidungen in allen Branchen beeinträchtigt würden.
Ostssee-Pipeline und Überflugrechte
Die weltweite Nummer Eins der Chemiebranche ist vor allem mit seiner Kasseler Tochter Wintershall stark in Russland engagiert, die seit 1990 mit dem Gasriesen Gazprom zusammenarbeitet. BASF ist zudem an der geplanten Ostsee-Pipeline beteiligt, durch die russisches Erdgas nach Deutschland strömen soll.
Die Deutsche Lufthansa wollte sich nicht zu möglichen Auswirkungen äußern. Im Herbst vergangenen Jahres hatte Russland vorübergehend die Überflugrechte für die Frachttochter des Konzerns gestrichen und das Unternehmen damit bei Flügen von Europa nach Asien zu einem kostspieligen Umweg gezwungen. Nach einem Eingreifen der Bundesregierung wurde die Genehmigung bis Ende Oktober verlängert. Im September wollen deutsche und russische Behörden neue Verhandlungen führen.
Quelle: ntv.de