Alzheimer adé? Darmflora hält Gehirn gesund
03.06.2015, 11:40 Uhr
Gesunde Mikroglia eines Tieres mit Darmflora (l), unreife Mikroglia eines Tieres ohne Darmflora (m), gesunde Mikroglia von Tieren ohne Darmflora, die ein bakterielles Abbauprodukt fressen (r)
(Foto: Universitätsklinikum Freiburg)
In der traditionellen Medizin Asiens ist schon seit tausenden von Jahren klar, dass im Darm die Gesundheit sitzt. Nun stellen Forscher an Mäusen fest, dass die Darmbakterien bis ins Hirn wirken.
Die richtigen Bakterien im Darm sind nicht nur für das allgemeine Wohlbefinden verantwortlich, sondern beeinflussen auch die Immunabwehr im Gehirn. Das haben Forscher im Test an Mäusen festgestellt. Ein Team um Prof. Marco Prinz, Ärztlicher Leiter des Institutes für Neuropathologie am Universitätsklinikum Freiburg, konnte zeigen, dass die Funktionen von Fresszellen im Gehirn, sogenannte Mikroglia, durch Abbauprodukte von Darmbakterien gesteuert werden.
Mikroglia können auch als Fresszellen des Gehirns oder Gehirn-Makrophagen bezeichnet werden. Sie beseitigen eingedrungene Keime und abgestorbene Nervenzellen. Zudem sind Mikroglia an der lebenslangen Formbarkeit des Gehirns beteiligt.
Fehlgesteuerte Mikroglia spielen bei mehreren Erkrankungen des Gehirn eine Rolle. Wie die Reifung und Aktivierung dieser Zellen gesteuert wird, war bislang unklar.
"Vorher dachte man, dass das Verdauungssystem und das Immunsystem im Gehirn zwei völlig separate Systeme sind", sagt einer der beiden Erstautoren, Dr. Daniel Erny vom Universitätsklinikum Freiburg, in einem Gespräch mit n-tv.de. "Wir haben nun aber festgestellt, dass es eine enge Verbindung zwischen beiden gibt", erklärt der Experte weiter.
Für die Untersuchung wurden zunächst keimfreie Mäuse beobachtet, die in einer komplett sterilen Umgebung aufgezogen und gehalten wurden. Diese besaßen nur verkümmerte und unreife Mikroglia, die auf Entzündungsreize im Hirn kaum reagierten. Bei einer anderen Gruppe von Mäusen wiederum, die vier Wochen lang Antibiotika bekamen und dadurch so gut wie keine Darmbakterien mehr besaßen, konnten die Forscher ebenso Mikroglia mit Unreife-Merkmalen sehen.
Mäusekumpels lassen Darmflora wachsen
Setzte man die keimfreien Tiere zu gesunden Mäusen mit bestehender Magen-Darm-Flora, so entwickelte sich bei den zuvor steril gehaltenen schnell eine funktionierende Darmflora. Und auch die Mikroglia im Gehirn verhielten sich danach wieder weitestgehend normal. "Je größer die Vielfalt der Darmbakterien war, umso besser entwickelten sich auch die Mikroglia im Gehirn", fasst Anna Lena Hrabě de Angelis, ebenfalls Erstautorin der Studie, zusammen.
Die Forscher können mit ihrer Untersuchung auch zeigen, dass kurzkettige Fettsäuren, die vor allem bei der Zersetzung von Ballaststoffen und Milchprodukten entstehen, als Botenstoffe den Fresszellen im Gehirn dienten. "Eine ausgewogene Ernährung scheint also nicht nur wichtig für die körperliche, sondern auch für die geistige Gesundheit", betont die Neuropathologin zusammenfassend.
Was heißt das für den Menschen?
Die Studienergebnisse scheinen auch für Menschen eine hohe Relevanz zu haben, da sie gut zu früheren Untersuchungen passen. Autoimmunerkrankungen wie Morbus Crohn beispielsweise werden schon heute mit einem Mangel an kurzkettigen Fettsäuren in Verbindung gebracht. Die Therapieform der Stuhltransplantation, bei der Stuhl eines gesunden Menschen die Darmflora eines Kranken in Ordnung bringen soll, befindet sich seit einiger Zeit in der Prüfung. Inwieweit eine ausgewogene Ernährung und eine gesunde Darmflora tatsächlich Einfluss auf die Vorbeugung von neurodegenerativen Erkrankungen wie beispielsweise Alzheimer haben, muss jedoch in zukünftigen Untersuchungen erst noch geprüft werden.
Quelle: ntv.de, jaz