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Einst verborgene Neutrino-Welt Diese Karte zeigt die Milchstraße wie nie zuvor

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Unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, dargestellt anhand der gemessenen Neutrinos.

Unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, dargestellt anhand der gemessenen Neutrinos.

(Foto: IceCube Collaboration/ Science Communication Lab)

Zum ersten Mal gelingt es Forschern, unsere Heimatgalaxie auf völlig neue Weise abzubilden: durch die Neutrino-Brille. Diese schnellen Teilchen konnten mit einer gigantischen Anlage nahe dem Südpol erfasst werden. Forscher hoffen, nun bisher unbekannte Strukturen aufspüren zu können.

Mit bloßem Auge ist unsere Heimatgalaxie als dunstiges Band quer über dem Nachthimmel zu sehen. Forschern gelingt es nun aber zum ersten Mal, ein ganz anderes Bild der Milchstraße einzufangen: mithilfe von Neutrinos. Diese Teilchen rasen in rauen Mengen durch den Kosmos, sind aber schwer nachzuweisen. Gelungen ist es mit der gigantischen Detektoranlage Icecube in der Antarktis. Die galaktischen Neutrinos können Einblicke in Regionen der Milchstraße geben, aus denen kein sichtbares Licht zur Erde dringt.

Rund zehn Jahre lang hatten Forscher dafür Messdaten gesammelt. Das Problem dabei: Nur wenige Neutrinos aus der Milchstraße tauchen pro Jahr in der Anlage auf. Überlagert werden sie zudem von anderen, störenden Neutrinos, die in der Atmosphäre der Erde entstehen. Erst durch den Einsatz maschinellen Lernens konnte das unerwünschte Rauschen herausgefiltert werden, schreiben die Forscher im Fachblatt "Science". Heraus kam dabei die erste Neutrino-Karte der Milchstraße.

Zuvor hatte Icecube ausschließlich energiereiche Neutrinos aus fernen Galaxien registriert. Diese entstehen bei Sternexplosionen und in der Umgebung supermassereicher Schwarzer Löcher. Aber auch in unserer Milchstraße bilden sich durch die Wechselwirkung der kosmischen Strahlung mit Gas und Staub hochenergetische Neutrinos.

Verräterische Lichtblitze im Eis

Das Icecube-Neutrino-Observatorium. Über 5000 digitale optische Module sind in einer Tiefe zwischen 1450 und 2450 Metern eingefroren.

Das Icecube-Neutrino-Observatorium. Über 5000 digitale optische Module sind in einer Tiefe zwischen 1450 und 2450 Metern eingefroren.

(Foto: IceCube/NSF)

Was sind Neutrinos eigentlich genau? Diese subatomaren Teilchen sind extrem klein und besitzen keine elektrische Ladung. Daher treten sie mit gewöhnlicher Materie auch kaum in Wechselwirkung. Um sie nachzuweisen, sind große Materiemengen nötig, die aus möglichst reinen Stoffen bestehen, die mit Neutrinos reagieren können. Ein solcher Stoff ist beispielsweise Wasser - und das gibt es in Form von Eis in der Antarktis ausreichend. In seltenen Fällen reagiert ein Neutrino mit einem Wassermolekül. Dabei entstehen elektrisch geladene Teilchen, die mit nahezu Lichtgeschwindigkeit durch das Eis rasen und dabei Licht aussenden, die sogenannte Tscherenkow-Strahlung.

Nach diesem Licht suchen die Forscher mit dem einen Kubikkilometer großen Icecube. Insgesamt 5160 Lichtverstärker haben die Physiker des Projekts bis zu 2,5 Kilometer tief im antarktischen Eis versenkt. So können sie das Tscherenkow-Licht nicht nur einfangen, sondern auch die Richtung bestimmen, aus der es kommt - und damit auch die Herkunftsrichtung der Neutrinos.

Suche nach unbekannten Strukturen

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Zur Bestimmung der genauen Herkunft der registrierten Neutrinos kam ein maßgeblich an der TU Dortmund entwickeltes, auf maschinellem Lernen basierendes Verfahren zum Einsatz. "Diese verbesserten Methoden führten dazu, dass wir etwa zehn Mal mehr Neutrinos für die Auswertung verwenden konnten als zuvor, und das mit einer besseren Richtungsauflösung", erklärte Mirco Hünnefeld von der TU Dortmund. "Insgesamt war unsere Analyse damit dreimal empfindlicher als frühere Suchverfahren."

Die Neutrino-Karte der Milchstraße ist laut den Forschern erst der Anfang. Icecube sammelt weiter Daten und die Methoden sollen weiter verbessert werden. "So erhalten wir ein Bild mit immer besserer Auflösung", erklärte Denise Caldwell vom Icecube-Projekt. So wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausfinden, wo genau die Neutrinos entstehen. "Und wir hoffen natürlich auch, dabei bislang unbekannte, nie zuvor gesehene Strukturen unserer Milchstraße zu entdecken."

Quelle: ntv.de, kst/dpa

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