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Kalte Kochsalzlösung statt Blut "Künstlicher Scheintod ist interessant"

Das verbleibende Blut des Patienten wurde in einer Herz-Lungen-Maschine in Bewegung gehalten.

Das verbleibende Blut des Patienten wurde in einer Herz-Lungen-Maschine in Bewegung gehalten.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Vorstellung, dass das Leben eines Schwerstverletzten durch einen kompletten Blutaustausch und extreme Kühlung gerettet werden kann, ist ungewöhnlich. Dennoch ist genau das erstmals einem Ärzte-Team in den USA gelungen. Wie genau es dazu kam und welche Vorteile es hat, das Blut durch gekühlte Kochsalzlösung zu tauschen, beantwortet Prof. Dr. Dietmar Pennig im Gespräch mit n-tv.de. Pennig ist Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) sowie Stellvertretender Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Er ist Ärztlicher Direktor sowie Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Handchirurgie und Orthopädie des St. Vinzenz-Hospitals in Köln.

n-tv.de: Blutaustausch und Runterkühlen. Mediziner in den USA haben mit dieser Methode das Leben eines Schwerstverletzten gerettet. Wie kommen die Kollegen darauf?

Prof. Dr. Dietmar Pennig: Mediziner machen immer mal wieder die Erfahrung, dass Menschen, die sich in der Kälte befinden, Unfälle haben und eigentlich als tot gelten, erfolgreich wiederbelebt werden können. In unserer Klinik war ein Junge, der ins Eis eingebrochen war. Dieser Junge lag ungefähr 60 Minuten bei vier Grad Celsius im Wasser. Er wurde aus dem See geborgen und noch vor Ort reanimiert und dabei in die Klinik gebracht. Und tatsächlich konnte sein Herz wieder zum Schlagen gebracht werden. Dieser Junge hat daraufhin zwar noch lange Zeit überlebt, allerdings war seine Hirnfunktion massiv geschädigt.

Runterkühlen ist ja bei Notfällen und Operationen nichts Neues?

Das stimmt. Im Rahmen der Reanimation und bei Herzinfarkten zum Beispiel wird das bereits standardmäßig gemacht. Allerdings bei vollem Blutvolumen und nicht auf Temperaturen von zehn Grad. Bei der von den Kollegen angewendeten Methode wird das Blut durch Kochsalzlösung nahezu vollständig ausgetauscht. Blut, das unter 20 Grad Celsius herunter gekühlt wird, fließt nicht mehr gut genug. Das ist dann ein großes Risiko für den Patienten. Durch den Einsatz von Kochsalzlösung konnte dieses Risiko offenbar minimiert werden.

Der komplette Austausch des Blutes durch Kochsalzlösung ist also das Entscheidende an dieser Methode?

Genau, verbunden mit der extremen Abkühlung. Diese Methode wird nach Angaben der US-Mediziner nur bei Patienten angewendet, die bereits die Hälfte ihres Blutes verloren haben und damit bereits in einem lebensbedrohlichen Zustand sind. Mit der heruntergekühlten Kochsalzlösung kann der Patient künstlich in den Scheintod versetzt werden. Das bedeutet, sämtliche Stoffwechselvorgänge, auch die im Gehirn, werden auf diese Weise gestoppt. So können die Zellen im Gehirn erhalten bleiben. Zudem bekommen die Unfallchirurgen die Möglichkeit, ohne weiteren Blutverlust den verletzten Bereich zu operieren. Ein wirklich interessanter Ansatz. 

Mit Professor Dietmar Pennig sprach Jana Zeh.

Quelle: ntv.de

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