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Einhundert Prozent Bio Kunststoff aus "flüssigem Holz"

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Christian Anselment, Ingenieur beim Institut für Chemische Technologie (ICT) in Pfinztal zeigt ein Uhrengehäuse und die Verpackung, die aus dem Bio-Kunststoff "Arboform" hergestellt sind. Rechts ist das Granulat des Kunstoffes zu sehen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Plastik, Plastik, Plastik", so heißt es im Refrain eines 80er-Jahre-Hits der Gruppe A+P, "wo ich geh und steh, PVC, PVC". Damals war das eine deutliche Kritik an der sogenannten Wegwerfgesellschaft. Damit könnte es aber schon bald vorbei sein. Denn bereits heute werden Uhren, Lautsprecherboxen und sogar Spielzeug aus einer ganz anderen Art von Kunststoff hergestellt - aus Holz. Im Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) in Pfinztal haben Forscher den Bio-Kunststoff "Arboform" (von lateinisch "arbor", der Baum) entwickelt. Dieser neue Kunststoff ist widerstandsfähiger als Holz und beliebig formbar. Außerdem kann man ihn vielfach recyceln: Und obwohl er sich genauso anfühlt wie Plastik, ist Arboform im Gegensatz zu anderen Kunststoffen frei von Erdöl.

Arboform wird aus Lignin gewonnen, einem der Hauptbestandteile von Holz und Abfallstoff bei der Papierproduktion. Die dunkelbraunen hauchfeinen Fasern werden zu einem erbsengroßem Granulat gepresst. In einer Spritzgussmaschine entsteht daraus der neue Kunststoff: Das Holz wird zusammen mit Naturharzen unter Hitze verflüssigt und mit enormem Druck in eine neue Form gebracht. "Wir lassen Holz ein zweites Mal entstehen", sagt ICT-Forschungsgruppenleiterin Emilia Regina Inone-Kauffmann.

Das sieht der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) allerdings kritisch. Er hält es für wichtig, die Erdölbasis herkömmlicher Kunststoffe durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen. Reinhild Benning, BUND-Expertin für Rohstoffnutzung, ist aber skeptisch, ob es ökologisch ist, Arboform in der Massenproduktion einzusetzen: "Für einen Plastikersatz Bäume zu fällen ist uneffizient." Nur so weit Lignin als Abfallstoff anfalle, sei eine Verarbeitung zu Arboform sinnvoll.

Spielzeug aus Arboform

Heute gibt es sogar Spielzeug aus Arboform: Der schwäbische Spielfigurenhersteller Schleich (Schlümpfe) produzierte im vergangenen Jahr die ersten Krippenfiguren aus "Bio-Plastik". Die Forscher hatten wegen des Geruchs zunächst den Schwefelgehalt stark reduziert. Laut Inone-Kauffmann bestanden die Figuren alle einschlägigen Sicherheitstests: "Arboform ist komplett frei von Schwermetallen. Es ist also nicht schlimm, wenn es Kinder in den Mund nehmen." Außerdem erhalte es im Spritzgussverfahren eine viel höhere Dichte als Holz. "Deshalb löst es sich auch bei tagelangem Wasserkontakt nicht auf und saugt sich nicht voll." Spielzeug aus Arboform übersteht also auch eine regnerische Nacht im Garten.

Dass Schleich die Krippenfiguren aus flüssigem Holz schließlich nicht serienmäßig herstellte, lag nach Angaben der Firma daran, dass Arboform noch sehr hart ist. "Schleich-Figuren sind weicher. Der Kunststoff passte nicht ins Konzept", sagte ein Firmen-Sprecher.

Der einzige Arboform-Produzent, die Firma "Tecnaro" in Ilsfeld bei Heilbronn, will das nun ändern: "Wir versuchen, Arboform so zu verändern, dass es weicher wird", sagte Geschäftsführer Helmut Nägele. Tecnaro wurde vor elf Jahren von ICT-Mitarbeitern gegründet. Noch immer arbeitet die Firma eng mit den Pfinztaler Wissenschaftlern zusammen, wenn es darum geht den Grundstoff für neue Anwendungen zu verbessern.

Keine plastikfreie Welt

Arboform kann Plastik in vielen Bereichen ersetzen: Es gibt Armbanduhren, Kettenanhänger sowie ein Profi-Golftee zum Abschlagen, das mit dem Rasen abgemäht werden kann und verrottet. Die Europäische Union förderte die Entwicklung eines Kugellautsprechers aus Holz- Kunststoff. Eine plastikfreie Welt wird Arboform trotzdem nicht bringen, und das fängt schon bei der Farbe an: Genau wie Holz ist der Bio-Kunststoff braun. "Man kann ihn zwar künstlich einfärben, aber weiß oder transparent wird er nicht", erklärt Inone-Kauffmann.

Quelle: ntv.de, Beate Brehm, dpa

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