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Auswirkungen auf Nachwuchs? Nashörner zeigen Verhaltensänderung nach Enthornung

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In den untersuchten Wildreservaten waren 63 Prozent der Spitzmaulnashörner die Hörner vorsorglich entfernt worden.

In den untersuchten Wildreservaten waren 63 Prozent der Spitzmaulnashörner die Hörner vorsorglich entfernt worden.

(Foto: Vanessa Duthé)

Die Enthornung von Nashörnern zum Schutz vor Wilderei hat unerwartete Konsequenzen: Die Tiere verkleinern ihr Revier und haben weniger soziale Kontakte. Diese Verhaltensänderungen könnten laut einer Studie Auswirkungen auf die Fortpflanzung der Tiere haben.

Das Entfernen ihrer Hörner zum Schutz vor Wilderei verändert das Verhalten von bestimmten Nashörnern. Sie verringern die Größe ihres Reviers und haben weniger Kontakte zu Artgenossen, die zu einer Paarung führen könnten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie schweizerischer und südafrikanischer Wissenschaftler, die 24.760 Sichtungen von 368 Spitzmaulnashörnern (Diceros bicornis) in zehn südafrikanischen Wildreservaten im Zeitraum von 2005 bis 2020 ausgewertet haben. Die Gruppe um Vanessa Duthé von der Universität Neuchâtel in der Schweiz veröffentlichte ihre Ergebnisse in den "Proceedings" der US-amerikanischen Nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS").

Spitzmaulnashörner sind wegen illegaler Wilderei stark gefährdet, weil ihre Hörner sehr begehrt sind. "Nashornhörner werden in ganz Südostasien aus kulturellen und medizinischen Gründen nachgefragt, sodass ihr Wert auf 65.000 US-Dollar pro Kilogramm geschätzt wird - mehr als Diamanten oder Gold", schreiben die Studienautoren. Um zu verhindern, dass Nashörner wegen ihrer Hörner getötet werden, haben in vielen südafrikanischen Wildreservaten die Verantwortlichen in den 2010er Jahren damit begonnen, die Hörner von Nashörnern zu entfernen oder stark zu stutzen.

Reviergröße sinkt bei Weibchen deutlicher

Während sich in den untersuchten Wildreservaten 2013 noch keine hornlosen Tiere befanden, waren 2020 bei 63 Prozent der Spitzmaulnashörner die Hörner vorsorglich entfernt worden. Die Forscher verglichen das Verhalten sowohl in derselben Gruppe vor und nach der Enthornung als auch zwischen enthornten und nicht enthornten Gruppen. Sie fanden bei einer gesonderten Untersuchung heraus, dass die Reviergröße bei enthornten Männchen durchschnittlich um deutlich mehr als ein Drittel und bei enthornten Weibchen sogar um mehr als die Hälfte zurückging.

Davon weitgehend unabhängig vergrößerte sich bei einer räumlich getrennten Kontrollgruppe mit Hörnern im gleichen Zeitraum die Reviergröße um 50,21 Prozent (Männchen) und um 67,55 Prozent (Weibchen). Generell gilt den Forschern zufolge, dass die Nashörner im Laufe ihres Lebens ihre Reviere vergrößern.

Die Reviere von Männchen und Weibchen überschneiden sich. "Die Reviere beider Geschlechter werden durch soziale Interaktionen bestimmt, zu denen territoriale und konkurrenzbezogene Verhaltensweisen gehören, die sich gemeinsam auf das Populationswachstum auswirken und in direktem Zusammenhang mit dem Vorhandensein und den Eigenschaften von Hörnern stehen", schreiben die Forscher. So entscheidet bei Revierkämpfen zwischen Männchen das Tier mit dem größeren Horn in 65 Prozent der Fälle die Auseinandersetzung für sich.

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Bei Nashörnern mit Horn haben Männchen mit größerem Revier durchschnittlich mehr Nachwuchs. Deshalb gehen die Wissenschaftler davon aus, dass sich das veränderte Revierverhalten auf den Umfang des Nachwuchses auswirken wird. Bedeutung haben die Hörner für die Tiere auch für die Nahrungssuche: Sie nutzen ihre Hörner, um sich Zweige für den Blätterverzehr zurechtzubiegen und den Boden aufzukratzen, um Mineralien aufzunehmen. Die Studienautoren fordern, die Verhaltensänderungen bei enthornten Nashörnern weiterhin genau zu beobachten.

In den untersuchten Wildreservaten wie auch in ganz Südafrika ging die Zahl der wegen Wilderei getöteten Spitzmaulnashörner nach den Enthornungsaktionen stark zurück. Ob die Aktionen die Ursache für den Rückgang waren, ist aber nach Auffassung von Duthé und Kollegen noch nicht geklärt. So könnten auch parallel eingeführte Maßnahmen, wie die strengere Überwachung der Reviere, zum Rückgang der Wilderei beigetragen haben. Dennoch sehen die Forscher die Enthornung als eine für Wildtierschützer leicht zugängliche Möglichkeit, Zeit für diese vom Aussterben bedrohte Art zu gewinnen, bevor langfristige Maßnahmen greifen.

Quelle: ntv.de, Stefan Parsch, dpa

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