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Aggressivität selbst abgewöhnt Was Elefanten mit Menschen und Bonobos gemein haben sollen

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Afrikanische Elefanten (Loxodonta africana) mit Jungtier am Wasserloch im Etosha Nationalpark in Namibia.

Afrikanische Elefanten (Loxodonta africana) mit Jungtier am Wasserloch im Etosha Nationalpark in Namibia.

(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)

Einer wissenschaftlichen Theorie zufolge haben nur Menschen und Zwergschimpansen sich selbst ihr aggressives Verhalten abgewöhnt - zugunsten einer besseren Kooperation und Verständigung innerhalb der Art. Doch auch Elefanten könnten zu dieser besonderen Gruppe gehören.

Bisher ist es nur ein erlesener Kreis: Nach einer Theorie gelten nur zwei Arten als selbstdomestiziert, also ohne direkte Beteiligung einer anderen Spezies. Demnach haben lediglich der Mensch (Homo sapiens) und Bonobos oder Zwergschimpansen (Pan paniscus) sich impulsive Aggressivität weitgehend abgewöhnt. Der nicht unumstrittene Vorschlag geht auf den Harvard-Anthropologen Richard Wrangham zurück und erklärt etwa die drastischen Verhaltensunterschiede zwischen Bonobos und den wesentlich aggressiveren Gemeinen Schimpansen (Pan troglodytes).

Nun könnten Elefanten als erste Nicht-Primaten zu dieser Gruppe stoßen - und zwar alle drei Arten: Asiatischer Elefant (Elephas maximus), Afrikanischer Elefant (Loxodonta africana) und der ebenfalls in Afrika heimische Waldelefant (Loxodonta cyclotis). Das schlägt ein internationales Forschungsteam um Limor Raviv vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften" ("PNAS") vor.

Bessere Kooperation durch sinkende Aggressivität

Anhänger der Hypothese argumentieren, eine Domestizierung - auch bei Haustieren durch den Menschen - gehe mit konkreten Merkmalen von Anatomie und Verhalten einher. Dazu zählen unter anderem bestimmte Veränderungen von Schädel, Zähnen, Ohren oder Fell. Im Falle des Menschen begünstigte die nachlassende reaktive Aggressivität der Theorie zufolge Kooperation, Verständigung und den Gebrauch von Werkzeugen.

Während bei domestizierten Tieren der Mensch die Auswahl der Kriterien durch Züchtung prägte, gilt die Selbstdomestizierung als von Umweltveränderungen angestoßener Prozess. Als Ursache diskutiert werden sowohl einerseits harschere Umweltbedingungen, die eine verbesserte Kooperation erforderten, als auch andererseits günstigere Bedingungen, die aggressives Verhalten überflüssig machten.

Kaum Fressfeinde

Bonobos oder auch Zwergschimpansen (Pan paniscus).

Bonobos oder auch Zwergschimpansen (Pan paniscus).

(Foto: imago images/blickwinkel)

Als Beispiel hierfür gelten Bonobos, die im Regenwald südlich des Flusses Kongo ohne große Nahrungskonkurrenten im Überfluss leben - im Gegensatz zu den Gemeinen Schimpansen nördlich des Flusses. Dies könnte dem Team um Raviv zufolge auch für Elefanten gelten. Diese hätten zum einen aufgrund von Größe und Stärke kaum Fressfeinde, und könnten zum anderen ein breites Nahrungsangebot nutzen.

Zu den anatomischen Parallelen der Evolution von Mensch, Bonobo und Elefanten zählt das Team unter anderem eine Abflachung des Schädels, eine Reduzierung der Anzahl der Zähne, sensiblere Reaktionen des Stresshormons Cortisol auf soziale Veränderungen und das Verhältnis zwischen tatsächlicher und erwarteter Gehirnmasse - den sogenannten Enzephalisationsquotienten. Zudem ähnele sich bei den Arten das Vorkommen und die Verteilung spezieller besonders großer Nervenzellen: der Spindelneuronen oder Von-Economo-Neuronen.

Parallelen im Verhalten

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Als Parallelen im Verhalten nennt das Team geringere Aggression, höhere Toleranz, ausgeprägte Kooperation auch über den eigenen Sozialverband hinaus, Fürsorge auch für den Nachwuchs von Artgenossen, ausgeprägte Kommunikation und Verspieltheit sowie eine ausgedehnte Kindheit und Jugend.

Letztlich mutmaßt das Team, dass Menschen, Bonobos und Elefanten nicht die einzigen selbstdomestizierten Tiere sein könnten. Insgesamt sei Selbstdomestizierung wohl kein einzelnes - vorhandenes oder nicht-vorhandenes - Merkmal, sondern ein Kontinuum, das mehr oder weniger ausgeprägt sein könne. "Die Tatsache, dass Züge der Selbstdomestizierung fast automatisch aus einer Verringerung reaktiver Aggression entstehen, deutet darauf hin, dass Selbstdomestizierung weiter verbreitet ist als gedacht." Mögliche Beispiele seien Delfine, Wale, Papageien, Sansibar-Stummelaffen und Feldmäuse.

Quelle: ntv.de, Walter Willems, dpa

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