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Archäologen korrigieren sich Stopfwerkzeug ist wohl doch ein Dildo

Der Gegenstand ist nach jetziger Einschätzung ein "nicht miniaturhafter, körperloser, geschnitzter Holzphallus".

Der Gegenstand ist nach jetziger Einschätzung ein "nicht miniaturhafter, körperloser, geschnitzter Holzphallus".

(Foto: Vindolanda Trust)

Bei ihren Ausgrabungen stoßen archäologische Teams immer wieder auf Gegenstände, deren Form und Verwendung sich nicht von selbst erklären. Manchmal ist ein Objekt aber auch genau das, was man vermuten könnte. So ist es wohl mit einem Holzpenis, der an einer römischen Stätte ausgegraben wurde.

1992 wurde bei Ausgrabungen im Römerkastell Vindolanda in der britischen Region Northumberland ein Holzgegenstand gefunden. In den Unterlagen zu den Ausgrabungen in der Nähe des Hadrianwalls wurde das etwa 2000 Jahre alte Objekt als Stopfwerkzeug klassifiziert.

30 Jahre später korrigieren Archäologen diese Einschätzung. Rob Collins, Dozent für Archäologie an der Newcastle University, sagte dem britischen "Guardian", er halte es für vollkommen klar, dass es sich bei dem Fund um einen Penis handelt. Er wisse nicht, wer die andere Beschreibung in den Katalog eingetragen habe. "Vielleicht war es jemandem unangenehm oder dachte nicht, dass die Römer so dumme Sachen machen würden", so Collins. Er hatte zusammen mit seinem Kollegen Robert Sands vom University College Dublin den Fund noch einmal genau unter die Lupe genommen.

Der Vindolanda-Phallus wurde zusammen mit Schuhen, Kleidungsaccessoires und handwerklichen Abfallprodukten wie Lederresten und bearbeiteten Geweihen gefunden. Deshalb wurde wohl vermutet, es handele sich um ein Stopfwerkzeug bei der Textilherstellung. Er ist 16 Zentimeter lang, aus junger Esche geschnitzt und hat eine breite, zylindrische Basis, die in einen schmaleren Schaft mündet. Das Ende ist wie die Eichel eines Penis geformt. Das Forschungsteam der Newcastle University und des University College Dublin geht davon aus, dass er bei der Herstellung größer war, weil alte Holzgegenstände häufig kleiner werden oder sich auch verziehen.

Verschiedene Möglichkeiten

Das Team hat drei mögliche Theorien aufgestellt, die in einem ausführlichen Diskussionspapier in der Zeitschrift Antiquity veröffentlicht wurden. Eine Theorie besagt, dass es für sexuelle Zwecke verwendet wurde. Das könnte bedeuten, dass es sich um ein Sexspielzeug handelte. Dabei sei aber eine gewisse Vorsicht geboten, so Collins. "Manchmal wurden sie [Dildos] nicht nur zum Vergnügen benutzt ... sie können auch Folterwerkzeuge sein, daher bin ich sehr vorsichtig, wenn ich den Begriff Sexspielzeug verwende. Hoffentlich wurde er genau dafür benutzt. Das ist die aufregendste und faszinierendste Möglichkeit."

Träfe dies zu, wäre es dem Wissenschaftler zufolge der erste römische Dildo, der in der Archäologie gefunden wurde. Man wisse aber aus der griechischen und römischen Poesie und Kunst, dass damals Dildos benutzt wurden. "Aber wir haben noch keine archäologischen Beispiele gefunden, was an sich schon faszinierend ist", so Collins. Besonders überraschend sei, dass ein Holzgegenstand nach so langer Zeit gut erhalten gefunden wurde. Vindolanda ist bereits berühmt für Hunderte von Holzfunden.

Theorie zwei besagt, dass das Objekt als Stößel verwendet wurde, entweder für kulinarische Zwecke oder zum Zermahlen von kosmetischen oder medizinischen Zutaten. Aufgrund seiner Größe wäre er leicht zu benutzen gewesen und die Form hätte den Lebensmitteln oder Zutaten vermeintlich magische Eigenschaften verliehen.

Die dritte Möglichkeit ist, dass der Phallus in eine Statue eingesetzt werden sollte, die Passanten berührten. Das sollte Glück bringen oder Unglück abwenden. Dieser Brauch sei im gesamten Römischen Reich üblich gewesen. In diesem Fall hätte sich die Statue wahrscheinlich in der Nähe des Eingangs zu einem wichtigen Gebäude befunden. Aber die Beweise deuten darauf hin, dass sich der Phallus entweder in einem Innenraum befand oder zumindest nicht für längere Zeit in einer exponierten Position im Freien.

Den Wissenschaftlern zufolge waren zwei- und dreidimensionale Darstellungen von Phalli in der römischen Welt allgegenwärtig. Sie sind unter anderem in Mosaiken, Fresken oder Dekorationen auf Gefäßen zu sehen. Es wurden auch entsprechende Kettenanhänger gefunden. Antike Phallusobjekte wurden oft zur Abwehr des Bösen verwendet. Die Analyse ergab, dass der Vindolanda-Phallus deutlich glattere Enden hatte, was darauf hindeutet, dass er über einen längeren Zeitraum im Gebrauch war.

Quelle: ntv.de, sba

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