Krampfanfälle im Schlaf US-Ärzte finden mögliche Ursache für plötzlichen Kindstod
10.01.2024, 17:10 Uhr Artikel anhören
Ähnlichkeit zu Epilepsie? Kurze Anfälle mit Muskelkrämpfen könnten einer neuen Studie zufolge der Auslöser des plötzlichen Kindstods sein.
(Foto: picture alliance / dpa Themendienst)
Seit Jahrzehnten suchen Forscherinnen und Forscher weltweit nach einer Erklärung für den plötzlichen Kindstod. Allein in Deutschland sterben jedes Jahr Dutzende Säuglinge - und keiner weiß, warum. Ein Medizinerteam aus den USA entdeckt auf Videoaufnahmen jetzt eine mögliche Ursache.
Sie sterben im Schlaf. Still. Ohne, dass die Eltern etwas mitbekommen: Jedes Jahr sind in Deutschland rund 80 Säuglinge von plötzlichem Kindstod betroffen, vor 30 Jahren waren es noch mehr als 1000. Sie hören einfach auf zu atmen, ohne dass zuvor eine Krankheit vorlag oder es einen anderen erkennbaren Grund gibt. Woran das liegt, ist bis heute ein Rätsel. Allerdings weiß man inzwischen, dass die Schlafposition sowie Passivrauchen eine Rolle dabei spielen können. Ein US-Forschungsteam ist nun einer weiteren Spur nachgegangen: Die Kinder könnten im Schlaf unbemerkt Krampfanfälle erlitten haben.
Seit Jahrzehnten suchen Forscherinnen und Forscher weltweit nach einer Erklärung für das Kindstodsyndrom. Dabei stellten sie eine Verbindung zu vorangegangenen Fieberkrämpfen fest. So ergaben jüngste Untersuchungen, dass Kinder, die plötzlich und unerwartet starben, mit zehnmal höherer Wahrscheinlichkeit an Fieberkrämpfen litten als Kinder, die nicht gestorben sind.
Diesen Zusammenhang hat ein Ärzteteam um Laura Gould von der New York University (NYU) jetzt genauer untersucht. Für ihre Studie, die in der Fachzeitschrift "Neurology" veröffentlicht wurde, analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler private Videoaufnahmen von sieben Fällen. Die Kinder starben im Alter zwischen einem und drei Jahren. Die Autopsie ihrer Körper hatte keine eindeutige Todesursache ergeben. Lediglich bei einem Kind wurden blockierte Atemwege festgestellt.
Krampfanfall kurz vor dem Tod
Gould und ihr Team hatten die Hoffnung, dass die Videos Aufschluss über den Auslöser ihres Todes geben können. Diese stammten entweder von Sicherheitssystemen oder von handelsüblichen Kinderbettkameras und entstanden in der Nacht oder am Nachmittag des Todestages, während das Kind schlief. Die Medizinerinnen und Mediziner suchten auf den Aufnahmen nach Hinweisen, die auf einen Krampfanfall schließen lassen. Zudem werteten sie die medizinische Vorgeschichte der Kinder aus: Nur eines der sieben Kinder hatte vor seinem Tod unter Fieberkrämpfen gelitten.
Allerdings beobachtete das Forschungsteam auf fünf der sieben Videoaufnahmen Geräusche und Bewegungen, die auf einen Krampfanfall der Kinder hinwiesen. Die anderen beiden konnten nicht eindeutig ausgewertet werden, da sie zu spät starteten. In einem dieser beiden Videos beobachteten Gould und ihr Team aber ebenfalls Symptome eines möglichen Krampfanfalls.
Die beobachteten Anfälle der Kleinkinder dauerten jeweils nur wenige Sekunden bis knapp eine Minute und traten innerhalb von maximal 30 Minuten vor dem Kindstod auf, heißt es in der Studie. "Obwohl unsere Studie klein ist, liefert sie den ersten direkten Beweis dafür, dass Anfälle für einige plötzliche Todesfälle bei Kindern verantwortlich sein könnten", sagt Gould laut Mitteilung. Ohne den Videobeweis wären in den untersuchten Fällen Krampfanfälle als Todesursache nicht infrage gekommen.
Der entscheidende Hinweis
"Die Studienergebnisse zeigen, dass Krampfanfälle viel häufiger vorkommen, als die Krankengeschichte der Patienten vermuten lässt", sagt der Neurologe Orrin Devinsky, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Er fügt hinzu: "Krampfanfälle sind möglicherweise der entscheidende Hinweis, nach dem die medizinische Wissenschaft gesucht hat, um zu verstehen, warum diese Kinder sterben." Die Untersuchung dieses Phänomens könne zudem wichtige Erkenntnisse über viele andere Todesfälle liefern, einschließlich derer, die durch Epilepsie verursacht werden, so Devinsky.
Die Studie konnte allerdings nicht klären, wie genau die Krampfanfälle zum Tod der Kleinkinder führten. Dazu bedürfe es weiterer Untersuchungen, sagt Devinsky. Er vermutet jedoch, dass es dem Vorgang bei Epilepsie-Patienten ähnele. Aus früheren Studien ist demnach bekannt, dass Epileptiker direkt nach einem Anfall häufig Atem-Schwierigkeiten haben und daran auch zum Teil versterben. Zum Tod kommt es laut Devinsky zudem häufiger dann, wenn die Patienten mit dem Gesicht nach unten auf dem Bauch schlafen und sie niemand dabei beobachtet. Dasselbe treffe auf die untersuchten Todesfälle bei Kleinkindern zu.
Quelle: ntv.de