Ausweg aus der Klimakrise? Weißer Wasserstoff - Geologen rechnen mit riesigen Vorkommen
22.01.2025, 20:50 Uhr Artikel anhören
Diese Karte soll Regionen in den USA zeigen, die möglicherweise förderbare Wasserstoffvorkommen aufweisen.
(Foto: USGS)
Ist weißer Wasserstoff die unverhoffte Rettung in der Klimanot? Eine Studie schätzt das globale Potenzial des klimafreundlichen Energieträgers als gigantisch ein. Selbst wenn nur ein kleiner Teil genutzt werden könnte - für eine CO2-neutrale Zukunft könnte es reichen.
Ein kleines Dorf in Mali verfügt über eine einzigartige Energiequelle: Wasserstoff, der auf natürliche Weise im Gestein vorkommt. Das im Jahr 1987 entdeckte Reservoir unter der Ortschaft Bourakebougou ist bisher das weltweit einzige, welches zur Stromerzeugung genutzt wird. In den vergangenen Jahren wuchs weltweit das Interesse an sogenanntem weißen Wasserstoff, den man lange für ein Phantom hielt. Unklar war bislang, wie viel weißer Wasserstoff in der Erde schlummert.
Die Geologen Sarah Gelman und Geoffrey Ellis vom US Geological Survey (USGS) haben in einer Studie erstmals das weltweite Potenzial von weißem Wasserstoff modelliert. Dabei kommen sie auf die gewaltige Menge von wahrscheinlich 5,6 Millionen Megatonnen. Selbst wenn nur ein kleiner Teil davon nutzbar wäre, so die Forschenden, enthielte dieser immer noch mehr Energie als alle nachgewiesenen Erdgasreserven der Erde. Ihre Studie erschien vor einigen Wochen im Fachmagazin "Science Advances".
Wie weißer Wasserstoff in der Erdkruste entsteht und transportiert wird, ist bislang noch wenig erforscht. Es wird angenommen, dass dabei Serpentinisierung eine wichtige Rolle spielt - Wasser reagiert dabei bei hohen Temperaturen mit eisenreichem Gesteinen zu Wasserstoff. Ein möglicher anderer Weg ist Radiolyse, bei der radioaktive Elemente im Gestein Wasser durch ihre Strahlung aufspalten.
Grüner Wasserstoff bisher rar
Wasserstoff gilt als Schlüssel für den Abschied von klimaschädlichen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas. Vor allem grüner Wasserstoff soll es richten: Er wird mittels Elektrolyse aus Wasser hergestellt, die Energie dafür kommt aus Wind- und Sonnenkraftwerken. Die globale Produktion liegt derzeit jedoch noch im einstelligen Megatonnenbereich. Eine Steigerung erfordert zudem gewaltige Investitionen.
Weißer Wasserstoff hingegen ist nicht nur klimaneutral, er kann, wie das Beispiel in Mali zeigt, unter den richtigen Umständen auch kostengünstig gewonnen werden. In den vergangenen Jahren wurden bereits weitere Vorkommen entdeckt, etwa im französischen Lothringen, Albanien und Australien. Die Geologen Alain Prinzhofer und Eric Derville haben nachgewiesen, dass es in einem Dutzend Ländern große Reservoirs gibt. Bislang wusste man jedoch nicht, ob sich die Förderung im großen Stil wirklich lohnt - oder ob die globalen Vorkommen zu klein oder zu schlecht zu erreichen sind.
Bedarf für 200 Jahre decken
Auch Gelman und Ellis gehen in ihrer Studie davon aus, dass der Großteil des von ihnen modellierten gigantischen Vorkommens an natürlichem Wasserstoff wohl ungenutzt bleiben wird. "Aufgrund der Erfahrungen mit Erdöl und anderen Fluiden im Untergrund ist es wahrscheinlich, dass der unterirdische Wasserstoff oft in Vorkommen liegt, die zu tief, zu weit von der Küste entfernt oder zu klein sind, um wirtschaftlich rentabel gefördert zu werden", schreiben sie.
Dennoch: Selbst wenn nur ein kleiner Teil, die Geologen rechnen mit 100.000 Megatonnen, des weißen Wasserstoffs gewonnen werden könnte, wäre dies ein wichtiger Baustein für eine klimaneutrale Zukunft. Denn für das Erreichen eines Netto-Null-Ziels wird viel Wasserstoff benötigt, die Menge wird auf 500 Megatonnen pro Jahr geschätzt. Die von Gelman und Ellis veranschlagte förderbare Menge an natürlich vorkommendem Wasserstoff könnte diesen Bedarf also für 200 Jahre decken.
Suche nach Vorkommen in den USA
Die Suche nach weiteren Vorkommen ist bereits im Gange. Gelman und Ellis haben für die USA eine Karte berechnet, auf der zu sehen ist, wo man zukünftig möglicherweise auf Wasserstoff im Untergrund stoßen könnte. Vielversprechende Regionen sind demnach Staaten im mittleren Westen wie Kansas, Iowa, Minnesota und Michigan, die "Four-Corners"-Staaten Arizona, Colorado, New Mexico und Utah, die kalifornische Küste sowie Gebiete entlang der Ostküste.
"Jahrzehntelang herrschte die Meinung vor, dass natürlich vorkommender Wasserstoff nicht in ausreichender Menge vorhanden ist, um für Energiezwecke genutzt zu werden", so Sarah Ryker, stellvertretende Direktorin des USGS für Energie und Mineralien laut einer Mitteilung. Doch nun zeige sich, dass es in einigen Teilen der USA unterirdische Wasserstoffquellen geben könnte. Ob sich die Hoffnungen bewahrheiten oder der Traum von der klimaneutralen Energiequelle platzt, wird die Zukunft zeigen.
Quelle: ntv.de