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Jagen wie Löwe oder Leopard Winzige Fledermaus ist das wohl effizienteste Raubtier der Welt

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Keine Angst vor schwerer Beute: Eine Fransenlippenfledermaus (Trachops cirrhosus) über einem Frosch.

Keine Angst vor schwerer Beute: Eine Fransenlippenfledermaus (Trachops cirrhosus) über einem Frosch.

(Foto: Grant Maslowski/Quelle: https://www.eurekalert.org/news-releases/110386)

Sie ist klein wie ein Spatz, aber jagt wie ein Leopard - nur erfolgreicher: Die kleine Fransenlippenfledermaus verweist riesige Raubtiere auf die hinteren Plätze. Denn sie kann Beute vertilgen, die fast so viel wiegt wie sie selbst. Forscher sind überrascht.

Eine winzige Fledermaus in Panama verblüfft Forschende. Die Tiere lauern geduldig, erbeuten vergleichsweise gigantische Opfer und ruhen sich zwischen den Jagden die meiste Zeit aus - genau wie Löwen oder Leoparden. "Die Entdeckung, dass ein so kleines Tier dazu in der Lage ist, hat unsere Annahmen wirklich auf den Kopf gestellt", erklärte Hauptautorin Leonie Baier von der Universität Aarhus. Die Fledermäuse wirkten wie in winzigen Körpern gefangene Großraubtiere.

Üblicherweise sind Fledermäuse die ganze Nacht unterwegs und erbeuten kleine Tiere wie Insekten. Generell bestimmt bei Tieren in der Regel die Größe die Jagdstrategie, wie das Forschungsteam im Fachjournal "Current Biology" erklärt: Große Raubtiere wie Löwen und Eisbären können es sich leisten, große, energiereiche Beute zu jagen, da sie dank ihrer großen Energiereserven und ihres niedrigen Stoffwechsels wiederholte erfolglose Jagden überstehen können.

Und erwischt! Die Fledermaus mit ihrer Frosch-Beute.

Und erwischt! Die Fledermaus mit ihrer Frosch-Beute.

(Foto: Grant Maslowski/Quelle: https://www.eurekalert.org/news-releases/1103868)

Kleine Raubtiere wie Nagetiere und die meisten Fledermäuse hingegen müssen wegen ihrer winzigen Energiereserven und ihres hohen Stoffwechsels fast ständig fressen und jagen - und nutzen darum eher reichlich vorhandene, leicht zu fangende Beute.

Zu klein, um auf Großes zu setzen

Von neun Fledermaus-Arten sei jedoch bekannt, dass sie diese Regel brechen und mehr als die Hälfte ihres Energiebedarfs über Frösche, Vögel und kleine Säugetiere decken. Unklar sei bisher gewesen, wie so kleine Raubtiere mit begrenzten Energiereserven und hohem täglichen Energiebedarf überleben können, wenn sie so große, seltene Beutetiere jagen - also auf eine Strategie setzen, die in der Regel enorme Anstrengungen erfordert und häufig mit Misserfolgen verbunden ist.

Dieser Frage ging das Team bei Fransenlippenfledermäusen (Trachops cirrhosus) nach, die vom südlichen Mexiko bis Bolivien und ins südliche Brasilien verbreitet sind und unter anderem Frösche erbeuten. 20 wildlebende Fledermäuse bekamen in einem Naturschutzgebiet in Panama Miniatur-Rucksäcke mit Geräten verpasst, die jede Bewegung des Tiers und jedes Geräusch in der Umgebung aufzeichneten.

Abhängen und auf Fressbares warten

Den gewonnenen Daten zufolge jagen Fransenlippenfledermäuse nicht wie insektenfressende Verwandte, sondern ähnlich wie Großkatzen. "Hang-and-Wait"-Strategie nennen die Forschenden das Verhalten. Die Fledermäuse lauern demnach an Ästen hängend und nutzen ihr außergewöhnlich empfindliches Gehör, um potenzielle Beute auszumachen. Etwa 90 Prozent der Zeit hingen die Tiere herum - was wesentlich weniger Energie benötigt als die aktive Suche nach Beute im Flug.

Wenn sie angriffen, geschah dies schnell: Die meisten Flüge dauerten der Studie zufolge weniger als drei Minuten, der Medianwert für einen Jagdflug lag bei acht Sekunden. Bei etwa der Hälfte der Angriffe aus dem Hinterhalt waren die Tiere erfolgreich - ein immens hoher Wert: Löwen sind den Forschenden zufolge nur in 14 Prozent der Fälle erfolgreich, Eisbären sogar nur in zwei Prozent.

Lust auf eine 5-Kilogramm-Mahlzeit?

Die Beute sei auch größer als erwartet gewesen, hieß es weiter. Im Durchschnitt wog sie demnach sieben Prozent des Körpergewichts der Fledermaus - was einem 70 Kilogramm schweren Menschen entspräche, der eine fünf Kilogramm schwere Mahlzeit isst. In einigen Fällen fingen die Fledermäuse gar Beute, die fast so groß war wie sie selbst. Abgeleitet wurde die Größe der Opfer aus der Dauer der aufgezeichneten Kaugeräusche, basierend auf Fütterungsexperimenten in Gefangenschaft. Die längste Mahlzeit dauerte 84 Minuten - was auf ein etwa 30 Gramm schweres Beutetier hinweise.

Die Fähigkeit, fast ihr eigenes Körpergewicht von etwa 30 Gramm in einer einzigen Mahlzeit fressen können, mache die Fledermäuse zu den energieeffizientesten Raubtieren der Erde, so die Forschenden. Vor allem ältere Fledermäuse erbeuten demnach besonders große Opfer - wahrscheinlich verbesserten sich die Jagdfähigkeiten mit zunehmender Erfahrung. Fransenlippenfledermäuse können über 14 Jahre alt werden.

Gefahr für die besonderen Tiere sehen die Forschenden durch menschliche Einflüsse: Ihre ungewöhnliche Strategie sei auf hohe Beutedichten in unberührten Ökosystemen angewiesen. Der dramatische Rückgang der Biodiversität lasse solche Lebensräume immer mehr schwinden.

Quelle: ntv.de, Annett Stein, dpa

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