Wirtschaft

Japan und die Weltwirtschaft Volkswirte wittern Gefahr

Die Aufräumarbeiten werden noch Wochen andauern.

Die Aufräumarbeiten werden noch Wochen andauern.

(Foto: REUTERS)

Eine Woche nach dem Erdbeben warnen immer mehr Konjunkturexperten vor gravierenden Folgen für die Weltwirtschaft. Die Konjunktur im Land der aufgehenden Sonne ächzt unter zahlreichen Problemen. Noch werden die Auswirkungen als gering eingeschätzt. Doch das kann sich schnell ändern.

Stromsparen in Tokio: Ein Großteil der Reklametafeln bleibt aufgrund von Engpässen in der Energieversorgung dunkel.

Stromsparen in Tokio: Ein Großteil der Reklametafeln bleibt aufgrund von Engpässen in der Energieversorgung dunkel.

(Foto: AP)

Unter dem Eindruck der Ereignisse im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Daiichi Eins warnen Volkswirte vor Ansteckungsgefahren für die Weltwirtschaft. Falls die Lage an den havarierten Reaktoren vollkommen außer Kontrolle gerate, drohten massive Folgen für die globale Konjunktur, betonte der Konjunkturexperte Wolfgang Franz in der "Rheinischen Post". Franz leitet den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der als Kreis der Wirtschaftsweisen bekannt ist und die Bundesregierung in ökonomischen Fragen berät.

"Die Folgen könnten im Extremfall für Japan desaströs sein und erhebliche weltwirtschaftliche Bremsspuren hinterlassen", warnte Franz. Auch bei der Deutschen Bank sieht Chefökonom Thomas Mayer die Lage kritische. "Eine Atomkatastrophe könnte zu einem Vertrauensschock auf der ganzen Welt führen, der sich über die Finanzmärkte in die reale Wirtschaft übertragen könnte", erklärte Mayer.

Schwarze Monitore: Devisenhändler verfolgen an diesen Bildschirmen in der Regel Wechselkurse von Yen, Dollar und Euro.

Schwarze Monitore: Devisenhändler verfolgen an diesen Bildschirmen in der Regel Wechselkurse von Yen, Dollar und Euro.

(Foto: REUTERS)

Auch die Dekabak befürchtet, dass ein sogenannter Super-GAU in Fukushima die Weltwirtschaft schwächen würde. Denn eine Verstrahlung in einem Umkreis von 300 Kilometern würde neun japanische Präfekturen betreffen, die rund 40 Prozent zur Wirtschaftsleistung des Landes beitragen, zitiert die "Welt am Sonntag" aus einer Analyse der Bank. In diesem Fall rechne die Dekabank damit, dass sich das globale Wachstum um einen Prozentpunkt abschwächt.

Durch die Erdbebenkatastrophe seien bislang Kosten für die japanische Volkswirtschaft von 137 Mrd. Euro entstanden. Diese Summe entspreche 3,2 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes. Die Volkswirte der Dekabank setzten ihre Wachstumsprognose für Japan für dieses Jahr von 1,5 auf 1,0 Prozent herab, berichtet das Blatt.

Drittlandeffekte bedrohen Deutschland

Die Erdbebenfolgen allein würden sich auf die globale Konjunktur aber nicht auswirken. "Für die Entwicklung der Weltwirtschaft ist es letztlich von nachrangiger Bedeutung, ob Japan in einer Rezession steckt", sagte Dekabank-Volkswirt Rudolf Besch der Zeitung. Dafür sei das Land zu isoliert und exportiere und importiere zu wenige Güter: "Da auch Japans Immobilien- und Finanzmärkte zu wenig mit dem Rest der Welt vernetzt sind, wird es auch zu keinem Unsicherheitsschock kommen, der den Aufschwung der Weltwirtschaft gefährdet."

Auch der Wirtschaftsweise Franz ist überzeugt, dass direkte Effekte auf die deutsche Wirtschaft begrenzt wären. "Es gibt aber auch Drittlandeffekte: Länder wie etwa China, die stärker mit Japan verflochten sind, werden Einbußen haben und deshalb unsere Exportprodukte dann möglicherweise weniger nachfragen", sagte Franz.

"Explosive Mischung"

Ökonom Thomas Straubhaar vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) sieht den Aufschwung der Weltwirtschaft dagegen auch ohne Super-Gau in Gefahr. "Erst die Krise in Arabien, dann der Ölpreis, jetzt Japan: Jede dieser Krisen einzeln wäre zu bewältigen, aber in dieser Konzentration könnte eine explosive Mischung entstehen, die den Aufschwung der Weltwirtschaft gefährdet", sagte der HWWI-Direktor der "Welt am Sonntag". "Mir macht große Sorgen, dass die kritische Marke erreicht sein könnte."

Straubhaaar fürchtet einen Dominoeffekt: "Kommt es in Japan zu einem Wirtschaftseinbruch, ist die Ansteckungsgefahr hoch. Die Krise könnte mittelfristig auf die Energiemärkte, den Bankensektor und dann auf die Staatsschuldenkrise in Europa übergreifen", warnte der Ökonom. Andere Experten glauben, dass sich die Weltwirtschaft durch die Krise in Japan hingegen nicht von ihrem Aufwärtstrend abbringen lässt: "Die Risiken für den Aufschwung haben sicherlich zugenommen. Unser Basis-Szenario für 2011 ist aber weiterhin ein Wachstum der Weltwirtschaft von rund fünf Prozent", sagt Jan Hatzius, Chefvolkswirt von Goldman Sachs.

Was bedeutet Japan für Immobilienfonds?

"Anders als bei der Lehman-Pleite 2008 ist kein globales Netzwerk betroffen, die Folgen sind bislang nur punktuell spürbar", schränkte auch Deutsche-Bank-Chefökonom Mayer ein. Im Falle einer atomaren Katastrophe könne sich dies aber schnell ändern. Eine nukleare Katastrophe im Großraum Tokio, einer der größten Finanzmärkte der Welt, könnte etwa die Bankenbranche hart treffen.

"Wenn ein Büroturm für mehrere Jahre nicht mehr zu nutzen ist, liegt sein Wert praktisch nahe null", sagte ein Bankmanager. Ein Immobilienfonds, dem ein solches Gebäude gehört, wäre ebenso zu dramatischen Abschreibungen gezwungen wie eine Bank, die die Immobilie finanziert hat. "Im schlechtesten Szenario kann das ", hieß es in Frankfurter Finanzkreisen.

Klare Folgen für den Ölpreis

Aber auch ohne eine atomare Katastrophe wird das Drama um den Reaktor in Fukushima die Weltwirtschaft nachhaltig verändern, glauben Ökonomen. Die Nachfrage nach Energie jenseits der Atomenergie werde steigen, während beim Angebot Gefahren wie durch die Krise in Arabien lauern.

"Die Preisschwankungen werden sich verstärken, die spekulativen Attacken zunehmen. Das wird zu Blasen führen, diese Blasen werden platzen und dämpfend auf die Konjunktur wirken", sagt HWWI-Chef Straubhaar. Die globale Wirtschaft wird noch abhängiger von ihrem wichtigsten Schmierstoff sein, als sie es jetzt schon ist.

"Der Ölpreis wird dauerhaft steigen. Stagflationäre Tendenzen werden die Folge sein", sagte Mayer. Das bedeutet: Das Wirtschaftswachstum wird dauerhaft gedämpft - bei gleichzeitig höherer Geldentwertung.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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