Panorama

Prozess um Ekelfleisch Gammelhändler vor Gericht

Mit einem Strafprozess vor dem Landgericht Memmingen hat die juristische Aufarbeitung der Fleischskandale in Bayern begonnen. Die Anklage wirft dem ehemaligen Geschäftsführer der mittlerweile insolventen Deggendorfer Frost GmbH vor, in großem Stil Schlachtabfälle importiert und als Lebensmittel weiterverkauft zu haben. Der Angeklagte habe gewusst, dass die belieferten Firmen die Schweineschwarten und Geflügelteile für die Nahrungsmittelproduktion verwenden wollten. Der einschlägig vorbestrafte 40-Jährige schwieg vor Gericht zu den Vorwürfen. Seine Anwälte wiesen die Vorwürfe in weiten Teilen zurück.

Insgesamt soll die Frost GmbH, Tochter eines Illertissener Fleisch-und Kühlhausbetriebes, rund 1.000 Tonnen Fleischabfälle im Ausland gekauft und für insgesamt mehr als 300.000 Euro weiterverkauft haben. Die Anklage legt dem Ex-Geschäftsführer rund 70 Verstöße gegen das Lebensmittelgesetz, das Fleisch-und das Geflügelfleischhygienegesetz zur Last. In 50 Fällen wird ihm dabei auch Betrug vorgeworfen. Die Ware war laut Anklage als Kategorie III eingestuft, die entgegen Kategorie I und II nach EU-Recht nicht für die Lebensmittelproduktion verwendet werden darf. "Den Abnehmern gegenüber wurde die vom Angeschuldigten veräußerte Ware bewusst wahrheitswidrig als zum menschlichen Verzehr bestimmt und geeignet bezeichnet", sagte Staatsanwalt Andreas Rossa.

Nur einmal Lieferung nicht angenommen

Betriebe in Italien und Frankreich stellten aus den nicht zum menschlichen Verzehr geeigneten Schweineschwarten Gelatine her. Aus Geflügelteilen wurde Suppenbrühe. Vertreter betroffener Firmen bestätigten, sie seien nicht informiert worden, dass die Ware als nicht zum Verzehr geeignet eingestuft war. "Wenn wir gewusst hätten, dass das K-III-Material ist, hätten wir es zurückgewiesen", sagte der ehemalige Betriebsleiter einer Speisegelatine-Firma. Nur einmal sei eine Lieferung nicht angenommen worden, da die Ware gerochen habe, berichtete ein anderer Zeuge.

Für Herstellung von Gelatine zugelassen

Die Verteidigung argumentiert, die Schweineschwarten stammten von Tieren, die "in zugelassenen Schlachthöfen unter veterinärpolizeilicher Aufsicht" geschlachtet worden seien oder deren Körper in zugelassenen Betrieben verarbeitet wurden. "Diese Schwarten sind nach der Gelatine-Verordnung für die Herstellung von Gelatine zugelassen", erklärten die Anwälte.

Der Angeklagte war bereits im Zusammenhang mit Unregelmäßigkeiten bei Fleischimporten zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden, die ihm nun vorgeworfenen Taten ereigneten sich im Bewährungszeitraum. Für den Prozess am Memminger Landgericht sind vorerst drei Verhandlungstage angesetzt. Es sollen knapp 20 Zeugen und vier Sachverständige gehört werden.

Weiterer Fall in Niedersachsen

Ein Wursthersteller aus dem Landkreis Vechta in Niedersachsen soll Schlachtabfälle in den Handel gebracht haben. Wie die Staatsanwaltschaft Oldenburg mitteilte, steht das Unternehmen im Verdacht, zwischen August 2004 und Juli 2005 Stichfleisch mit ordnungsgemäßem Fleisch vermischt zu haben. Es sei unverarbeitet nach Russland und Rumänien weiterverkauft oder zu Wurstware verarbeitet worden und in den Handel gelangt. Stichfleisch darf nach den gesetzlichen Bestimmungen nur für Hundefutter oder technische Fette verwendet werden.

Die Staatsanwaltschaft will klären, "wie es in einem solchen überschaubaren Betrieb möglich war, über 130 Tonnen Stichfleisch zu verarbeiten und in den Lebensmittelhandel zu bringen, obwohl regelmäßige Überprüfungen durch Fleischkontrolleure stattfinden müssen".

Nach Angaben der Anklagebehörde hat der Wursthersteller aus dem Kreis Vechta die Schlachtabfälle von einem Gelsenkirchener Fleischhändler gekauft, gegen den die Staatsanwaltschaft Essen bereits Anklage erhoben hat. Auf einem der Lieferscheine befand sich der ausdrückliche Hinweis "Stichfleisch".

Gewebe mit starken Einblutungen

Stichfleisch sei von fachkundigem Personal ohne entsprechende Bezeichnung zu erkennen, da es Gewebe mit starken Einblutungen sei, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Sie ermittelt gegen den Senior- und den Junior-Chef sowie zwei Angestellte des Unternehmens aus dem Kreis Vechta. Die Firma wollte keine Stellungnahme zu den Vorwürfen abgeben. In einem ARD-Interview hatte der Juniorchef des Unternehmens bestritten, Stichfleisch verarbeitet zu haben.

Quelle: ntv.de

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