Politik

Reformwerk für die EU Lissabon-Vertrag tritt in Kraft

Seit Mitternacht gilt der neue Reformvertrag der Europäischen Union. Der sogenannte Lissabon-Vertrag legt die Basis für eine EU, die künftig besser und demokratischer funktionieren soll. Von der Unterzeichnung vor zwei Jahren bis zur endgültigen Ratifizierung in allen 27 EU-Mitgliedern gab es viel Streit innerhalb der Gemeinschaft. Aber auch in den Ländern selbst gab es harte politische Auseinandersetzung.

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(Foto: picture-alliance/ dpa)

In Irland mussten beispielsweise zwei Volksabstimmungen her, bis die Bürger Ja sagten. Als Letzter gab Vaclav Klaus, der europa-kritische Präsident Tschechiens, Anfang November seinen hartnäckigen Widerstand gegen Vertrag auf.

Eine neue Ära

Die EU sieht sich mit dem Inkrafttreten des Lissabonner Reformvertrages vor einer neuen Ära. Das erklärte der amtierende EU-Ratspräsident und schwedische Regierungschef Fredrik Reinfeldt in Stockholm. Vor seiner Abreise zu Feierlichkeiten am Abend in der portugiesischen Hauptstadt meinte Reinfeldt: "Mit dem Lissabonner Vertrag bekommen die EU-Bürger eine Union, die voll und ganz die Forderungen aus unseren 27 Mitgliedsstaaten an Offenheit, Demokratie und Effektivität erfüllen kann." Die EU sei ein wichtiger Akteur auf dem Weltmarkt und könne nun auch den Herausforderungen durch die Globalisierung besser begegnen.

Auch der Präsident des Europaparlaments, Jerzy Buzek, wertete das Inkrafttreten des Vertrags als "Zugewinn an Demokratie". Mit dem Vertrag würden die Befugnisse des Europaparlaments beträchtlich ausgeweitet, schrieb der Pole in einem Beitrag für die Internet-Seite des Parlaments. Das Straßburger Parlament werde erstmals über die Agrarausgaben der EU beschließen, die bisher "fast ausschließlich von den nationalen Landwirtschaftsministerien kontrolliert wurden", fügte Buzek hinzu.

Der Lissabon-Vertrag wurde von allen 27 EU-Staaten ratifiziert.

Der Lissabon-Vertrag wurde von allen 27 EU-Staaten ratifiziert.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Auch über die Vergabe der Strukturfonds-Mittel an die ärmeren Regionen werde die EU-Volksvertretung nun gleichberechtigt mit dem Ministerrat entscheiden. Das Gleiche gelte für die Einwanderungspolitik und den Außenhandel. Die Ausweitung der Befugnisse bedeute "fast eine Verdoppelung" der Macht des Europaparlaments.

Neue Spitzenposten geschaffen

Die Reform schafft erstmals einen Präsidenten des Europäischen Rates. Der Belgier Herman Van Rompuy wird künftig die EU-Gipfeltreffen leiten und versuchen, in schwierigen Fragen für Übereinstimmung zu sorgen. Der Präsident vertritt die EU auf Ebene der Staats- und Regierungschefs auf der internationalen Bühne.

Aber die EU bekommt auch einer Art Außenminister, auch wenn der offiziell "Hoher Vertreter der Union für Außenbeziehungen und Sicherheitspolitik" heißt. Die neue "Außenministerin" Catherine Ashton leitet den EU-Außenministerrat, ist aber auch Vizepräsidentin der EU-Kommission.

Es gibt weitere wichtige Änderungen. Das Europaparlament bekommt mehr Zuständigkeiten. Es entscheidet künftig in praktisch allen Fragen der Gesetzgebung mit. Das Parlament entscheidet gemeinsam mit dem Ministerrat über die Ausgaben.

Europäische Bürgerinitiative

Nationale Parlamente können Gesetzgebungsverfahren der EU aufhalten. In vielen Ländern gibt es immer wieder heftige Debatten darüber, ob etwas unbedingt auf europäischer Ebene geregelt werden muss. Ein Drittel der nationalen Parlamente kann eine Überprüfung eines Gesetzesvorhabens erzwingen.

Künftig gibt es eine Europäische Bürgerinitiative. Eine Million Bürger aus "einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten" kann verlangen, dass die EU-Kommission zu einem Thema eine Regelung vorschlägt. Einzelheiten müssen noch festgelegt werden - vor allem, was "eine erhebliche Anzahl" ist.

Und erstmals wird es möglich sein, dass ein Mitgliedsstaat der EU austreten kann.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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