"Zwei Schritte vor, einer zurück" Bischöfe finden keinen Konsens
19.10.2014, 00:16 UhrVon einem Erdbeben in der katholischen Kirche war schon die Rede. Ein neuer Umgang mit Homosexuellen und Geschiedenen schien in greifbarer Nähe. Zwar ist die Weltkirche nun erst einmal wieder zurück in der Realität. Doch der Papst hat einiges in Gang gebracht.
Am Ende macht es die Regie im Vatikan noch einmal richtig spannend: Die Vorstellung der Ergebnisse von zwei Wochen voller Diskussionen um heikle Themen für die katholische Kirche verzögert sich. Weil noch kopiert werden muss. Es geht um die Vervielfältigung des Abschlussdokuments, jene knapp 20 Seiten mit dem feierlichen Titel "Relatio Synodi", auf die die Öffentlichkeit gespannt gewartet hat. Ganz am Ende steht eine schlichte Tabelle, die übersetzt bedeutet: Einmütig war diese Veranstaltung nicht immer.
Die bloßen Zahlen illustrieren schwarz auf weiß das Ergebnis der alles entscheidenden Abstimmung der Familiensynode. In der Vatikan-Synodenaula hatten die Bischöfe zuvor - Punkt für Punkt - über das Dokument entschieden und in der übergroßen Mehrheit der Themen Einmütigkeit erzielt, also mindestens mit Zwei-Drittel-Mehrheit dafür votiert. Nicht so bei den Punkten 52, 53 und 55, die sich um den Umgang der katholischen Kirche mit Homosexuellen und Geschiedenen drehen. Zwar steht auch hier eine Mehrheit der Bischöfe hinter den Formulierungen, aber eben keine "qualifizierte".
Offen sprechen und zuhören
Die Zahlen sind wichtig, denn ohne die Zwei-Drittel-Mehrheit wird nicht die Haltung der Synode repräsentiert, wie Vatikan-Sprecher Pater Federico Lombardi am Abend erläutert. Quasi im gleichen Atemzug betont er aber auch: Abschlussdokument hin oder her - es ist kein lehramtliches Dokument, über die Themen wird weiter gesprochen. Offen sprechen und zuhören - das hatte Papst Franziskus von den Bischöfen zum Start der Synode gefordert. Und tatsächlich debattierten die rund 200 Bischöfe zwei Wochen lang in einer vorher von vielen nicht für möglich gehaltenen Art und Weise über für die Kirche so heikle Themen wie Verhütung, Homo-Ehe, Scheidung, Polygamie und die zerstörerischen Folgen von Krieg, wirtschaftlicher Not und Unterdrückung für Familien.
Sogar die "einfachen" Kirchenmitglieder in aller Welt waren nach ihrer Meinung gefragt worden. Das Ergebnis: Viele Gläubige fühlen eine Kluft zwischen ihrem wirklichen Leben und der Lehre ihrer Kirche.
Dieser Diagnose konnten sich die "Synodenväter" nicht verschließen, als sie mit den Beratungen im Vatikan begannen. Wie heftig dann aber diskutiert wurde, macht vielleicht die Reaktion konservativer Bischöfe auf den viel beachteten Zwischenbericht der Synode nach der ersten Woche deutlich: Nachdem dieser einen für viele Beobachter grundlegend neuen Ton im Umgang mit Homosexuellen anschlug, protestierten einige Bischöfe heftig. Sie distanzierten sich öffentlich von dem Papier und äußerten Kritik.
Es wird weiter diskutiert
Sogar der Vatikan sah sich nach der Veröffentlichung des Berichts und den anschließenden Diskussionen zur Klarstellung gezwungen, dass es sich lediglich um ein Arbeitspapier handele. Es folgte, was viele dann erwartet hatten: In Kleingruppen wurde weiter gestritten, und am Ende steht ein eher "entschärftes" Papier, das ohnehin keinen verbindlichen Charakter hat und nur die Synode im kommenden Jahr vorbereitet. Ein Jahr lang wird in der Kirche also erst einmal weiter diskutiert, bevor sich tatsächlich etwas bewegen könnte. Also doch nicht der große Wurf? Das bleibt abzuwarten.
Der deutsche Vertreter Kardinal Marx sieht es so: "Es ist immer ein Auf und Ab, zwei Schritte vor und einer zurück." Er bemüht sich, das Positive zu sehen: "Wir hätten vor ein oder zwei Jahren nicht gedacht, dass diese Thematik, und auch wie sie diskutiert worden ist, möglich ist auf dieser weltkirchlichen Ebene." Dass dies nun geschehen ist, ist sicherlich auch ein Verdienst von Papst Franziskus, der sich selbst als "Diener der Einheit" sieht, wie Marx es formuliert. Er passe auf, "dass wir in der Spur der Kirche bleiben. Dafür ist der Papst da."
Quelle: ntv.de, Miriam Schmidt, Daniel Rademacher, dpa