Vesak weltweit "Buddha glaubte nicht an Wiedergeburt"
25.05.2013, 12:22 Uhr
West trifft Ost: Eine Touristin in einem Tempel in Colombo, Sri Lanka.
(Foto: REUTERS)
Millionen Buddhisten feiern an diesem Wochenende Buddhas Geburtstag. Die Berliner Buddhismus-Lehrerin Dr. Marianne Wachs erklärt die Unterschiede der buddhistischen Glaubensrichtungen - und räumt mit einem hartnäckigen Mythos auf: "Gute Karma-Punkte, schöne Wiedergeburt. Das ist Quatsch."
n-tv.de: An diesem Samstag feiern Buddhisten weltweit das Vesak-Fest. Worum geht es da?
Marianne Wachs: An Vesak feiern wir Buddhas Geburt, Erleuchtung und Tod, alles zusammen. Je nach Ausrichtung wird Vesak in den buddhistischen Ländern ein bisschen unterschiedlich gefeiert, aber gefeiert wird es weltweit. Auch von den UN ist dieses Fest als Feiertag anerkannt worden.
Und in Deutschland?
Hier hilft das Vesak-Fest beim innerbuddhistischen Dialog, weil sich an diesem Tag die Leute aus allen Traditionen treffen.
Gibt es denn Spannungen zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen?
Teilweise schon. Die Anhänger des Theravada sagen von den Anhängern des Mahayana, dass das nicht mehr der ursprüngliche Buddhismus sei. Umgekehrt halten natürlich auch Mahayana-Anhänger ihre besonderen Überzeugungen für besser.
Moment, das müssen Sie erklären - Theravada und Mahayana?
Theravada ist der südliche, der frühe Buddhismus. Mahayana entstand zwar ebenfalls in Indien, aber erst einige Jahrhunderte später. Heute ist Mahayana vor allem in China, Tibet und Korea beheimatet, Theravada dagegen in Ländern wie Sri Lanka, Thailand, Kambodscha und Laos.
Und da gibt es zwischen den regionalen Traditionen keinen Kontakt.
Früher nicht, zum ersten Mal sind sich diese Gruppen im Westen begegnet. Mittlerweile gibt es allerdings auch in Asien Durchmischungen. Selbst in Sri Lanka steht inzwischen ein Zen-Tempel - der Zen-Buddhismus entstand im Rahmen des Mahayana und kommt heute vor allem aus Japan. Buddhisten im Westen haben den großen Vorteil, dass wir uns die Traditionen aussuchen können, die jeweils am besten zu uns passen.
Sie selbst gehören zum Theravada?
Nein, zu zwei Gruppen, Theravada und Zen. Diese beiden Richtungen des Buddhismus kann man sehr gut miteinander kombinieren.
Wie sind Sie zum Buddhismus gekommen?
Das ist schon 27 Jahre her. Ich gehöre noch zu der Generation, die erst fünf Jahre lang Bücher gelesen hat und dann in die Gruppen gegangen ist. Das ist heute anders. Heute gehen die Leute gleich in die Gruppen und suchen sich aus, was für sie das Richtige ist.
Lassen Sie mich raten: Sie haben mit "Siddhartha" angefangen.
Ganz genau (lacht). "Siddhartha" war damals bei vielen der Anfangspunkt.
Wie gefällt Ihnen das Buch heute?
Das hat Hermann Hesse nicht schlecht gemacht, er stellt die beiden verschiedenen Arten von Leben des Siddhartha gut dar: Das eine ist eigentlich ein Mahayana-Leben, das andere ein Theravada-Leben.
Was ist denn der Unterschied zwischen Theravada und Mahayana?
Der ursprüngliche Buddhismus ist sehr viel realistischer, der geht allein vom Geist aus und von der Frage, wie man den Geist entwickeln kann. Daneben gab es immer den Volksbuddhismus, in dem der Mahayana seine Wurzeln hat. Daher kommen auch die metaphysischen Elemente, die es im Theravada so nicht gibt.
Und Zen?
Zen war innerhalb des Mahayana eine Bewegung, die zurück zum ursprünglichen Buddhismus wollte, zurück zum Einfachen und Realistischen.
Also näher zurück zu Buddha?
Ja, wobei Buddha gar nichts gegen diesen Volksbuddhismus hatte. In den überlieferten Lehrreden Buddhas gibt es eine Stelle, in der jemand ihm vorhält, er habe einem Bauern gerade erzählt, wenn der sich ethisch einwandfrei verhalte, dann werde er in einem schönen Reich wiedergeboren. Buddha entgegnet: Lass ihn doch daran glauben. Er verhält sich dadurch in diesem Leben gut, und wenn er dann stirbt, ist es sowieso egal (lacht). Buddha sagt, dass es nur darum geht, die eigene Erfahrung zu machen. Er selbst hat jedoch wahrscheinlich nicht an Wiedergeburt geglaubt.
Buddha hat nicht an Wiedergeburt geglaubt? Ist das Konsens im Theravada?

Buddha-Statue in Buddhamonthon, Thailand. Der Termin des Vesak-Festes liegt auf dem Vollmond im Monat Vaisakha des buddhistischen Kalenders.
(Foto: picture alliance / dpa)
Es ist eigentlich der Kern im Theravada und auch im Zen - keine unrealistischen Vorstellungen, sondern ein einwandfreies Leben im Hier und Jetzt. Im Zen gibt es dazu folgende Geschichte: Ein Schüler fragt einen Zen-Meister, was nach dem Tod kommt. Der Zen-Meister antwortet trocken: War ich vielleicht schon mal tot? Diese Haltung macht Zen und Theravada zu sehr realistischen Lehren.
Weil sie nicht auf das Leben nach dem Tod ausgerichtet sind?
Die letzten Worte Buddhas waren dem Vernehmen nach, genau weiß man es ja nicht: Alles, was bedingt entsteht, muss vergehen. Strebet also ohne Unterlass. Und streben, das kann man nur im Leben.
Es geht nicht um ein Leben nach dem Tod?
Nein. Im Westen denkt man immer, das Karma hänge mit der Wiedergeburt zusammen - gute Karma-Punkte, schöne Wiedergeburt. Das ist Quatsch. Beim Karma geht es um die Auswirkungen in diesem Leben. Was ich tue, schafft in mir gewisse Gewohnheiten, die entweder in eine heilsame Richtung gehen oder in eine, die mich zum Leiden führt. Die Vorstellung, dass sich das Karma auf das "nächste Leben" auswirkt, kam erst nach Buddha auf.
Mit anderen Worten: Wenn Schluss ist, ist Schluss.
Es gibt weder Schluss noch Anfang, es gibt nur Bedingungen, die zusammenkommen, und Bedingungen, die sich verändern. Es gibt nicht ein festes Ich.
Was ist mit dem Nirwana?
Nirwana ist kein transzendentes Reich, sondern das Erlöschen von Gier, Hass und Verblendung und damit von allem Leiden. Es gibt ein Nirwana zu Lebzeiten.
Im Mahayana gibt es den Glauben an die Wiedergeburt aber?
Ja. Der tibetische Buddhismus legt sehr viel Gewicht auf das Konzept der Wiedergeburt - aber selbst der Dalai Lama sagt, wenn der Westen nicht an die Wiedergeburt glauben will, ist das nicht schlimm, Hauptsache, man verhält sich ethisch korrekt.
In Asien werden zum Vesak-Fest Vögel und andere Tiere freigelassen. Das machen Sie nicht?
(Lacht) Nein, das ist ein asiatischer Brauch, aber auch nur in Theravada-Ländern, in Thailand und Sri Lanka. Da geht es darum, den Tieren zu helfen, weil der Mensch ja nicht über die Tiere gestellt ist.
Aber die Tiere werden vorher gefangen?
Es ist sogar noch schlimmer, viele Tiere werden nur für dieses Fest gefangen! Das ist ein Volksbrauch, da darf man nicht so genau dahinter schauen.
Was ist bei all den Unterschieden, die Sie beschrieben haben, eigentlich das Gemeinsame der buddhistischen Richtungen?
Gemeinsam ist allen Richtungen die Entwicklung von Weisheit und Mitgefühl, die Erkenntnis, dass es nichts Ewiges, Unabänderliches und Substanzhaftes gibt, nur dynamische Zusammenhänge, und die Erkenntnis, dass das Leiden dadurch entsteht, dass man Dinge will, die man nicht bekommen oder nicht behalten kann, und andere nicht will, die man aber bekommt, ohne es verhindern zu können. Wenn man lernt, alles fließen zu lassen, ohne zu ergreifen, dann kann man das Leiden überwinden - und das ist das Nirvana!
Mit Marianne Wachs sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de