Zukunft der Insel wird entschieden Helgoland soll größer werden
24.06.2011, 15:47 Uhr
Ungewisse Zukunft: Helgoland ist in der Krise.
(Foto: dpa)
Helgoland kämpft ums wirtschaftliche Überleben: Weil die Touristenzahlen zurückgehen und auch die Einwohner schwinden, soll Deutschlands einzige Hochseeinsel vergrößert werden. Wie sehr, das entscheiden am Sonntag die Bewohner in einem Referendum.
Helgoland hat schon bessere Zeiten gesehen. Seit Jahren verliert Deutschlands einzige Hochseeinsel Einwohner und Touristen, das Eiland in der Nordsee droht allmählich in wirtschaftliche Apathie zu verfallen. Eine Lösung für das Problem: Helgoland soll wachsen. Durch Landgewinnungsmaßnahmen könnte künftig mehr Fläche für neue Hotels und Einwohner entstehen. Aber wie viel? Reichen kleinere "Anbauten" oder soll die Insel einen radikalen Schritt wagen und eine mehrere hundert Meter breite Landverbindung zur einen Kilometer entfernten sogenannten Düne schaffen? Am Sonntag haben die Helgoländer in einem Bürgerentscheid die Wahl.
Bereits ab einer Wahlbeteiligung von 20 Prozent sei der Bürgerentscheid für das Kommunalparlament ein verpflichtender Auftrag, erklärte der Sprecher des Landkreises Pinneberg, Marc Trampe. Dennoch bedeutet der Bürgerentscheid nicht automatisch, dass die Landgewinnung auch realisiert werden kann. Er ist ein Zwischenschritt nach einer jahrelangen Diskussion um die Zukunft der Gemeinde.
Platz für Hotels
Seit Jahren wird auf der schleswig-holsteinischen Nordseeinsel über Wege zur wirtschaftlichen Belebung diskutiert, nun will die Verwaltung von den 1300 Bürgern wissen, in welche Richtung sie die Planungen vorantreiben soll. "Es geht um einen Grundsatzbeschluss", sagt Helgolands parteiloser Bürgermeister Jörg Singer. Ob sich die Idee einer Landbrücke zur vorgelagerten Düne, auf der Platz für Wellnesshotels, Ferienappartements, Wohnungen, Sportboothäfen oder Vergnügungsparks wäre, je verwirklichen ließe, steht auf einem anderen Blatt.
Die Bevölkerung ist gespalten zwischen den ihnen zur Auswahl vorgelegten zwei Szenarien eines Zusammenschlusses von Hauptinsel und Düne und eines sehr viel begrenzteren Flächengewinnungsprogramms entlang der Helgoländer Küste. Niemand könne sagen, wie die Abstimmung ausgehen werde, betont Singer. Während eine von Geschäftsleuten getragene Interessengemeinschaft für eine Maximallösung kämpft, schrecken Skeptiker davor zurück, das Eiland so einschneidend zu verändern. Und sie warnen vor den Kosten. Denn alleine das Aufschütten der 300.000 Quadratmeter großen Landverbindung zur Düne würde Singer zufolge etwa 100 Millionen Euro kosten.
Zu wenige Bewohner
Hintergrund der Diskussionen um das Jahrhundertprojekt ist die Krise, in der sich Helgoland befindet. Jahrzehntelang lebte das Eiland von Ausflüglern, die auf der Insel, die als EU-Ausland gilt, zollfrei einkauften. Doch das Geschäft mit den aus der Mode gekommenen "Butterfahrten" lahmt, die Zahl der Tagesgäste geht zurück. Weil Helgoland keine anderen Einkommensquellen hat, sank über die Jahre auch die Einwohnerzahl. Die aktuell 1300 Bürger reichen nicht aus, um die Gemeinschaft lebendig und Geschäfte oder Arztpraxen rentabel zu halten. Dafür seien mindestens 1500 Einwohner nötig, befand ein Entwicklungskonzept, das die Gemeinde, das Land Schleswig-Holstein und der Kreis Pinneberg, zu dem die Insel gehört, vorlegten. Aus ihm stammen auch die nun zur Wahl stehenden Szenarien.
Helgolands einzige Zukunftschance sei eine neue Art von Fremdenverkehr für "Qualitätstouristen", schrieben die Experten darin. Feriengäste, die länger bleiben, aber Ansprüche stellen. Doch Platz für Hotelanlagen und den Bau von Wohnungen für zusätzliche Hotelbedienstete hat die Insel, auf der die Bebauung aus Denkmalschutzgründen größtenteils nicht verändert werden dürfen, bisher nicht. Deshalb entstand die Neuland-Idee. "Die Insel braucht mehr Insulaner", fasst Bürgermeister Singer die Philosophie dahinter in einem Satz zusammen.
Dass auf Helgoland etwas passieren muss, daran zweifelt auch Uwe Menke nicht. Aber der Gemeinderat des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW), der zu den Kritikern allzu weitreichender Visionen gehört, hofft gerade deshalb, dass die Bürger den Plan für die Landbrücke verwerfen. Falls nicht, würde seiner Meinung nach zunächst vor allem eines geschehen: nichts. Die Investorensuche werde "sehr schwierig", prophezeit er. Und eventuelle Genehmigungsverfahren würden viele Jahre dauern. Er sei deshalb dafür, begrenztere, aber konkrete Maßnahmen zur Erhöhung der Hotelbettenkapazität auf der Insel zu ergreifen. Wenn das klappe, könne die große Neuland-Vision später immer noch in Angriff genommen werden. "Aber das ist dann der letzte Schritt, nicht der erste."
Quelle: ntv.de, AFP/dpa