FDP sieht keine Handhabe Koranverteilung kaum zu stoppen
12.04.2012, 09:54 Uhr
(Foto: dpa)
Über die Parteigrenzen hinweg wollen Politiker verhindern, dass der Salafisten-Prediger Nagie auf der Straße und im Netz massenweise Gratis-Exemplare des Koran verteilen lässt. Ob die Aktion zu stoppen ist, ist jedoch fraglich. Die FDP kann keine rechtliche Grundlage dafür erkennen. Die Druckerei der Schrift setzt die Lieferung zunächst einmal aus.

Mit der Aktion "Lies!" will Ibrahim Ab Nagie die Deutschen vom Islam überzeugen.
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Die geplante Verteilung von tausenden Exemplaren des Korans durch radikalislamische Salafisten in deutschen Innenstädten hat eine Diskussion über den Umgang mit dieser Aktion ausgelöst. Eine Gruppe um den Kölner Geschäftsmann und Prediger Ibrahim Ab Nagie hatte erklärt, in Fußgängerzonen von Großstädten und im Internet 25 Millionen Koran-Exemplare an Nichtmuslime abgeben zu wollen.
Die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz sieht kaum Chancen für ein Verbot der Verteilung. Dafür gebe es keine gesetzliche Grundlage, sagte die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Solange bei der konkreten Verteilung in Fußgängerzonen oder anderswo keine Gesetze verletzt werden, ist ein Verbot nicht mit dem Rechtsstaat vereinbar", ergänzte Piltz. Die Verfassung schütze das Werben für den eigenen Glauben, solange dieser nicht die Verfassung ablehne.
Piltz forderte mehr Aufklärung, welche Botschaft friedlicher Glaubensausübung der Koran für die weit überwiegende Mehrheit der Muslime enthalte. "Die schwarzen Schafe des radikalen Salafismus dürfen nicht mit dem Islam verwechselt werden", sagte sie.
Auch SPD und Grünen ist mulmig zumute
Unions-Fraktionsvize Günter Krings (CDU) hatte gefordert: "Wo immer dies möglich ist, muss diese aggressive Aktion gestoppt werden." Krings räumte ein: "Zwar ist gegen das Verbreiten religiöser Schriften prinzipiell wenig einzuwenden." Es komme aber auf den Absender an. "Die radikale Gruppe der Salafisten stört mit ihrem aggressiven Vorgehen den religiösen Frieden in unserem Land", sagte er. Insbesondere vor Schulen sei das Verteilen des Korans nicht hinnehmbar. Wo es nicht zu verhindern sei, müsse es von den Behörden überwacht werden, damit Straf- und Ordnungsrecht eingehalten würden.
Auch Politiker von Grünen und SPD wandten sich gegen die Aktion. "Die breit angelegte Verteilaktion von Gratisexemplaren des Korans durch Salafisten betrachte ich mit großer Sorge", sagte die kirchenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kerstin Griese, der Zeitung "Die Welt".
Grünen-Parteichef Cem Özdemir sagte der Zeitung: "Ich habe mit allen religiösen Gruppen ein Problem, die ihr Weltbild über das Grundgesetz und die Menschenrechte stellen. Das gilt auch für jene Salafisten, die zur Gewalt aufrufen und mit ihrer Ideologie als Stichwortgeber für den islamistischen Terrorismus agieren."
Verfassungsschutz warnt vor Salafisten
Zunächst hieß es in der "Welt", die Ulmer Druckerei Ebner & Spiegel stoppt die Lieferung der Gratis-Korane. Seit Oktober 2011 hat die Druckerei im Auftrag einer Organisation namens "Die wahre Religion" mehr als 300.000 Korane ausgeliefert. Das Mutterunternehmen habe erst aus den Medien von der Aktion "Lies!" erfahren, sagte der Sprecher. "Wir drucken nichts, was extrem im Sinne von islamistisch ist", sagte der Sprecher der Druckerei der Tageszeitung. Nun korrigierte die Druckerei aber ihre Aussage - wohl aus juristischen Gründen: "Wir prüfen momentan rechtliche Auswirkungen, wenn wir nicht produzieren oder aber wenn der Auftraggeber den Auftrag abzieht", sagte der Sprecher.
Der NRW-Verfassungsschutz beobachtet die Vorgänge. Die Salafisten-Aktion sei aktueller Ausdruck der offensiven Missionierungsarbeit dieser islamistischen Strömung, erklärte das NRW-Innenministerium am Mittwoch. "Was sich als reine Koran-Verteilaktion präsentiert, ist in Wahrheit die subtile Verbreitung der salafistischen Ideologie", sagte ein Sprecher.
Für den Religionssoziologen Rauf Ceylan ist die Koran-Verteilung in erster Linie eine große PR-Kampagne der Salafisten. "Fundamentalistische Gruppen wollen vor allem eins: Aufmerksamkeit", sagte der Osnabrücker Islamwissenschaftler der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm hatte im Sommer gewarnt: "Nicht jeder Salafist ist ein Terrorist. Aber fast alle Terroristen, die wir kennen, hatten Kontakt zu Salafisten oder sind Salafisten." Auch der Frankfurter Attentäter vom März 2011 hatte im Internet Kontakte zu Salafisten. Der Mann schoss auf US-Soldaten und verletzte zwei davon tödlich. Salafisten vertreten einen rückwärtsgewandten Ur-Islam und lehnen jede theologische Modernisierung ab. Als Rechtsordnung hat für sie nur die Scharia Gültigkeit.
Quelle: ntv.de, dpa