"Züge psychologischer Auflösung" Monti warnt vor Ende Europas
05.08.2012, 12:18 UhrDass die Eurokrise das Projekt Europa zerstören könnte, fürchtet Italiens Premier Monti. In den derzeitigen Spannungen beobachtet er bereits "Züge einer psychologischen Auflösung". Ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone hält er aber noch für vermeidbar. Unionsfraktionschef Kauder warnt derweil vor einer Schwächung parlamentarischer Kontrolle.
Italiens Ministerpräsident Mario Monti hat vor einem Auseinanderbrechen Europas wegen der Eurokrise gewarnt. "Die Spannungen, die in den letzten Jahren die Eurozone begleiten, tragen bereits die Züge einer psychologischen Auflösung Europas", sagte Monti dem "Spiegel". Wenn der Euro zu einem Faktor des europäischen Auseinanderdriftens werde, dann seien auch "die Grundlagen des Projekts Europa zerstört".
Monti empfahl den Regierungschefs, sich ihre Handlungsfreiheit gegenüber den eigenen Parlamenten in der Krise zu bewahren: "Wenn sich Regierungen vollständig durch die Entscheidungen ihrer Parlamente binden ließen, ohne einen eigenen Verhandlungsspielraum zu bewahren, wäre das Auseinanderbrechen Europas wahrscheinlicher als eine engere Integration", sagte er. Zwar müssten sich die Regierungen nach den Entscheidungen des Parlaments richten, aber sie hätten auch die Pflicht, das Parlament zu erziehen.
"Nicht ständig neues Geld hinterherwerfen"
Auf die Frage, ob ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone nach seiner Einschätzung sicher noch aufhaltbar sei, sagte Monti: "Ja, das ist noch möglich, aber es fällt nicht vom Himmel." Es dürfe aber nicht ständig neues Geld hinterhergeworfen werden. Es könne bereits hilfreich sein, wenn die Kommunikation nach den Entscheidungen der Euro-Zone verbessert würde. Diese "Pannen nicht völlig deckungsgleicher Informationen" führten zu neuer Unruhe an den Märkten, sagte Monti.
Monti begrüßte zudem den Kurs des Chefs der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, in der Eurokrise und die von ihm angedeuteten neuen Aufkäufe von Staatsanleihen kriselnder Euroländer. Wie Draghi spreche er schon lange davon, dass der Markt für Staatsanleihen in der Eurozone "schwer gestört" sei, sagte Monti. Er forderte die Euroländer daher zum Handeln auf: "Diese Probleme müssen jetzt schnell gelöst werden. Draghi hatte am Donnerstag gesagt, die Zentralbank werde "in den nächsten Wochen" die Bedingungen von Maßnahmen wie den erneuten Aufkauf staatlicher Schuldscheine diskutieren. Er machte jedoch .
Rechte der Parlamente nicht aushebeln
Unionsfraktionschef Volker Kauder warnte derweil vor einer Stärkung der europäischen Institutionen auf Kosten der parlamentarischen Kontrolle. "Wenn ich so manche Entwicklung in Europa sehe, bin ich noch nicht davon überzeugt, dass die Übertragung von weiteren Kompetenzen auf europäische Institutionen ohne gleichzeitige parlamentarische Kontrolle überhaupt sinnvoll ist", sagte Kauder im Deutschlandfunk.
Die Kernfrage sei, ob es auf Dauer funktionieren könne, wenn Europa immer mehr Macht erhalte, die Kontrolle aber durch die nationalen Parlamente stattfinde, so Kauder. Die Rechte der Parlamente dürften nicht durch eine Stärkung der europäischen Exekutive ausgehebelt werden, betonte Kauder. Die Diskussion über eine Änderung des Grundgesetzes in diesem Zusammenhang halte er derzeit für sinnlos, und dies sei auch die Position der Unionsfraktion im Bundestag.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte in der Vergangenheit mehrfach für eine Stärkung der europäischen Institutionen geworben. Er plädierte unter anderem für die Gründung eines europäischen Finanzministeriums und für die Direktwahl des Präsidenten der EU-Kommission. Um den Komplettumbau der EU-Institutionen zu legitimieren, brachte er eine Volksabstimmung über eine Grundgesetzänderung ins Gespräch.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts