Israeli von Merkel "enttäuscht" Netanjahu trifft in Berlin ein
05.12.2012, 20:15 Uhr
Benjamin Netanjahu und Angela Merkel haben allerhand zu besprechen.
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Die Enthaltung Deutschlands bei der Uno-Entscheidung über des Status Palästinas wiegt schwer auf dem Verhältnis zwischen Kanzlerin Merkel und Ministerpräsident Netanjahu. Am Abend trifft er in Berlin ein. Vorab macht er seinem Ärger Luft.
Von kritischen Anmerkungen Benjamin Netanjahus begleitet, haben sich Israels Ministerpräsident und Kanzlerin Angela Merkel am Abend im Kanzleramt getroffen. Das Treffen war Auftakt der alljährlichen deutsch-israelischen Regierungsgespräche. Begleitet wird Netanjahu von sechs israelischen Ministern. Außenminister Avigdor Lieberman sagte seine Teilnahme jedoch kurzfristig ab. Begründet wurde dies mit Gesundheitsproblemen. Die SPD nannte dies ein "schlechtes Omen". Grüne und Linkspartei forderten Merkel auf, gegenüber Netanjahu Klartext zu reden.
Netanjahu: Deutsches Votum "hat den Frieden zurückgeworfen"
Netanjahu hatte unmittelbar vor seiner Anreise seiner Enttäuschung über Bundeskanzlerin Angela Merkel Ausdruck verliehen. Deutschlands Enthaltung bei Palästinas Aufwertung zum UN-Beobachterstaat habe den Friedensprozess im Nahen Osten "zurückgeworfen", kritisierte Netanjahu in der "Welt". Über die Kanzlerin sei er "enttäuscht".
Israel selbst steht wegen neuer Siedlungspläne massiv in der Kritik. Die EU bestellte aus diesem Grund den israelischen Botschafter ein. Eine Sprecherin sagte, bei dem Gespräch solle dem Botschafter "das Ausmaß unserer Besorgnis" über die israelischen Baupläne verdeutlicht werden. Israel hatte Ende vergangener Woche in Reaktion auf eine zuvor erfolgte Aufwertung des Palästinserstatus bei den Vereinten Nationen den Bau tausender neuer Wohnungen im Westjordanland angekündigt und damit internationalen Protest ausgelöst.
Wörtlich bedankte sich Netanjahu für die deutsche Unterstützung während des jüngsten Konflikts mit militanten Palästinensern aus dem Gazastreifen. "Gleichzeitig wäre es unaufrichtig, wenn ich verhehlen würde, dass ich enttäuscht war über das deutsche Stimmverhalten bei den Vereinten Nationen - so wie viele in Israel." Die Aufwertung habe die Position der Palästinenser verhärtet. Die deutsche Enthaltung habe also trotz guter Absichten das Gegenteil bewirkt. "Sie hat den Frieden zurückgeworfen."
Netanjahu besucht zum Dank Prag
Der deutsche Vize-Regierungssprecher Georg Streiter wollte auf Netanjahus offene Kritik an der Kanzlerin nicht näher eingehen. Es sei bekannt, dass Merkel eine andere Auffassung vertrete als die israelische Regierung. Zwischen beiden Ländern gebe es aber eine "unzerbrechliche Freundschaft". Er fügte hinzu: "Je tiefer die Freundschaft, desto freier kann man über unterschiedliche Auffassungen sprechen. Israel weiß genau, dass es sich immer auf Deutschland verlassen kann."
Vor dem Hotel, in demNetanjahu übernachten soll, hat die Polizei die Gullydeckel versiegelt.
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Mit ihrer Enthaltung in New York war die Bundesregierung innerhalb der Europäischen Union in der Minderheit. 14 EU-Partner befürworteten die Aufwertung der Palästinenser auf dem Weg zu einem eigenen Staat. Aus Europa stimmte nur Tschechien ebenso wie Israel mit Nein.
Als Dank stattet Netanjahu vor seinem Aufenthalt in Berlin noch Prag einen Kurzbesuch ab. Dabei sagte Netanjahu an den tschechischen Amtskollegen Petr Necas gerichtet: "Danke, dass Sie für Frieden eingetreten sind." Er ergänzte: "Die UN-Resolution hat Israels Sicherheitsbedürfnis völlig ignoriert. Für alle verantwortungsvollen Staaten der internationalen Gemeinschaft hätte sie inakzeptabel sein müssen."
Höchste Sicherheitsstufe in Berlin
Von deutscher Seite wurde die jetzt anstehende Begegnung als "offenes Gespräch unter Freunden" charakterisiert. Merkel wollte dabei auch die israelischen Pläne zum Bau von mehr als 3000 weiteren Wohneinheiten in den Palästinensergebieten ansprechen. Ebenso wie zahlreiche andere Staaten versucht Deutschland, Netanjahu davon abzubringen. Befürchtet wird, dass der Nahost-Friedensprozess ansonsten keine Chance hat. Zugleich betont Merkel aber immer wieder die besondere deutsche Verantwortung für Israel als Folge des Holocaust.
Offiziell soll es bei den inzwischen vierten Regierungsgesprächen um die Themen Innovation, Nachhaltigkeit und Bildung gehen. Aus Jerusalem sind unter anderem die Minister für Finanzen, Verteidigung und Landwirtschaft dabei. Während des Netanjahu-Besuchs sind in Berlin bis zu 2400 Polizisten zusätzlich im Einsatz, darunter Scharfschützen und Bombenexperten. Es gilt die höchste Sicherheitsstufe.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP