Politik

Schwimmkräne und Campusküken Wenn der Staat auf dicke Hose macht

Die Bundeswehr hat viele Wünsche, genauso wie die Rüstungsindustrie: Verteidigungsministerin von der Leyen versucht gerade, ein angemessenes Beschaffungs-Management zu etablieren.

Die Bundeswehr hat viele Wünsche, genauso wie die Rüstungsindustrie: Verteidigungsministerin von der Leyen versucht gerade, ein angemessenes Beschaffungs-Management zu etablieren.

(Foto: REUTERS)

Der Bund der Steuerzahler legt sein neuestes Schwarzbuch vor. Besonders spektakuläre Fälle der Geldverschwendung stammen ausgerechnet aus der Bundeswehr. Als hätte Verteidigungsministerin von der Leyen zurzeit nicht schon genug Probleme.

Der "Hiev"-Schwimmkran ist ein imposantes Gebilde. Der sogenannte Doppellenker-Wippausleger ragt mehr als 30 Meter in die Höhe. Und so hoch kann er auch Lasten heben, selbst wenn sie 100 Tonnen wiegen. Der "Hiev" hat schon verschollene Weltkriegs-U-Boote aus den Tiefen der Ostsee geborgen und war bei der Reparatur des Nordostsee-Kanals von großer Hilfe. Ein einzigartiges Gerät.

Kein Wunder also, dass die Bundeswehr 2009 alles daran setzte, ihren "Hiev" zu modernisieren. Das gute Stück, Baujahr 1962, zeigte erste Auflösungserscheinungen. Antrieb, Leitungssysteme und Kommandobrücke wollte die Truppe wieder auf dem neuesten Stand sehen.

Die Modernisierung des "Hiev" entwickelte sich allerdings nicht zu einem Prestigeprojekt, sondern zu einem peinlichen Beispiel dafür, wie der Staat Steuergeld verprasst. Der Bund der Steuerzahler dokumentiert das Projekt zusammen mit etlichen anderen in seinem alljährlich erscheinenden Schwarzbuch. Besonders heftig trifft es darin die Bundeswehr. Ausgerechnet jetzt, da Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ohnehin wegen gefloppter Rüstungsgroßprojekte und anderer Pannen in der Kritik steht.

Saniertes Gerät "beschränkt einsatzbereit"

Beim "Hiev" lagen die Kosten am Ende mehr als doppelt so hoch wie veranschlagt: 13 statt 6 Millionen Euro zahlte die Bundeswehr für die Instandsetzung. Der Steuerzahlerbund stellt eine Verbindung mit der Sanierung des Segelschulschiffs Gorch Fock her: Diese kostete vor wenigen Jahren 10 statt der zuvor angenommenen 1 Million Euro. Das Geld ging an die selbe Werft, die nun auch den "Hiev" bearbeitete.

Die große Stunde des "Hiev": 2001 hob der Schwimmkran mehrere Weltkriegs-U-Boote aus den Tiefen der Ostsee.

Die große Stunde des "Hiev": 2001 hob der Schwimmkran mehrere Weltkriegs-U-Boote aus den Tiefen der Ostsee.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Die Bundeswehr wurde dieses Mal aber nicht nur von einer Kostensteigerung überrascht. Kaum war der modernisierte Kran zurück an seinem Einsatzort in Kiel, stellte die Marine fest: Sie hat überhaupt nicht mehr genug ausgebildetes Personal. Das Verteidigungsministerium hatte es im Zuge der Bundeswehrreform wegrationalisiert. Das teure Gerät galt seither nur noch als "beschränkt einsatzbereit". Wurde es unbedingt gebraucht, mussten die Kieler Personal aus Wilhelmshaven anfordern, wo mit dem "Griep" ein vergleichbares Modell im Einsatz war. 2013 stellte die Truppe dann aber ohnehin fest, dass sie die Leistungen des "Hiev" in der Ostsee eigentlich nicht mehr braucht. Ende Dezember legte sie den Kran still, wohlwissend, dass es eine Reihe sehr imposanter und leistungsstarker Schwimmkräne in privater Hand gibt, die die Bundeswehr mieten kann.

Richtig unbequem für Ministerin von der Leyen dürfte noch ein zweiter Fall sein. Die CDU-Politikerin hat sich für ihre Amtszeit das Ziel gesetzt, die Bundeswehr in einen der attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands zu verwandeln. Noch weit vor W-Lan auf der Stube und besseren Ausbildern steht dabei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ganz oben auf ihrer Liste. Ausgerechnet die erste bundeswehreigene Kindertagesstätte entwickelt sich nach Angaben des Steuerzahlerbundes aber zu einem gewaltigen Euro-Schlucker.

Doraden aus Völklingen

Einen Kitaplatz in der Einrichtung "Campusküken" zu schaffen, die im April in Neubiberg bei München eröffnet hat, lässt sich das Verteidigungsministerium 68.000 Euro kosten. Plant das Familienministerium eine neue Tagesstätte, geht es von 36.000 Euro pro Platz aus. Obendrein dürften die Betriebskosten 30 Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegen.

Die Geschichte des "Hiev" und der "Campusküken" zählen angesichts der heftigen Debatte über die Rüstungspolitik des Verteidigungsministeriums derzeit zu den spektakulärsten Fällen im Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes. Allerdings hat die Bundeswehr kein Verschwendungsmonopol.

So will zum Beispiel die Stadt Düsseldorf eine weitere Brücke über den Kittelbach bauen, die siebte auf einem Kilometer. Kosten: mehr als 300.000 Euro. Köln lässt für mehr als 200.000 Euro eine Aussichtsplattform errichten, um Besuchern der Felder am Rande der Stadt einen besseren Blick auf den Dom zu ermöglichen. Dabei gab es auch vorher nichts, was den Blick versperrt hätte. Und die 40.000-Einwohner-Stadt Völklingen gönnt sich über ihre Stadtwerke seit 2008 eine Meeresfischzuchtanlage. Die erste ihrer Art weltweit. Denn da Völklingen im Saarland liegt, 600 Kilometer von der Nordsee entfernt, muss die Fischzucht gezwungenermaßen ohne Salzwasserzufuhr aus dem Meer auskommen. Investitionskosten laut dem Bund der Steuerzahler: 15 bis 20 Millionen Euro. In den Supermärkten kommen die Doraden aus Völklingen bisher trotzdem nicht so gut an wie ihre Artgenossen aus dem Mittelmeer.

Quelle: ntv.de

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