Dossier

Zankapfel Krim Halbinsel wählt prorussisch

Die Zukunft der Krim entscheidet sich bei der Präsidentenwahl in der Ukraine. Viele wollen sich einen Abzug der russischen Flotte, die ein großer Arbeitgeber ist, lieber nicht vorstellen.

Schiffe der Schwarzmeerflotte in Sewastopol auf der ukrainischen Halbinsel Krim.

Schiffe der Schwarzmeerflotte in Sewastopol auf der ukrainischen Halbinsel Krim.

(Foto: picture alliance / dpa)

Im Schwarzmeer-Hafen von Sewastopol auf der ukrainischen Halbinsel Krim flattern russische Flaggen trotzig auf vielen Gebäuden der Stadt. "Es ist wie zu Hause in Russland", meint der Moskauer Student Pawel Gladkow bei einer Schiffstour - vorbei an den grauen Kreuzern der russischen Schwarzmeerflotte. Auf den Kriegsschiffen in den Buchten arbeiten Matrosen in schwarzen Wintermänteln. Ihre Zukunft wie die der gesamten autonomen Krim-Republik entscheidet sich bei der Präsidentenwahl in der Ukraine am 17. Januar.

Viele in der rund 300.000-Einwohner-Stadt wollen sich einen Abzug der russischen Flotte, die ein großer Arbeitgeber ist, lieber nicht vorstellen. Bürgermeister Sergej Kunizyn warnt davor, die Stadt werde ausbluten. Russland will im Zuge seiner Militärreform auch die 1783 gegründete und seit langem marode Schwarzmeerflotte schlanker und schlagkräftiger machen. Dazu ist allein dieses Jahr nach Angaben von Kunizyn ein Abbau von 9000 Stellen bei der Marine geplant.

Moskau bringt finanzielle Unterstützung

An der Lenin-Straße am Hafen stehen das Museum der Flotte und das Haus der Offiziere, gegenüber ein Denkmal der deutschstämmigen Zarin Katharina II. Die vorwiegend russischsprachigen Krim-Bewohner hofften weiter auf finanzielle Unterstützung aus Moskau, sagt die Vorsitzende der Russischen Gemeinde, Raissa Teljatnikowa. Mit neuen Sparmaßnahmen Moskaus aber drohe der russische Einfluss weiter zu schwinden.

Die Menschen in Sewastopol erwarten, dass der nächste ukrainische Präsident dafür sorgen wird, dass der Marinestützpunkt auch nach 2017 erhalten bleibt. Der in die NATO strebende Amtsinhaber Viktor Juschtschenko drängte stets auf den Abzug der Russen. Dabei ist gerade an diesem früheren Stützpunkt der Sowjets an der Südostflanke zur NATO der Widerstand gegen das Militärbündnis besonders groß.

Halbinsel aufzugeben, ist unvorstellbar

Juschtschenko ist für den Abzug der russischen Flotte.

Juschtschenko ist für den Abzug der russischen Flotte.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der prowestliche Juschtschenko warf Russland immer wieder vor, die Lage auf der Krim zu destabilisieren. So steht der große Nachbar im Verdacht, gezielt russische Pässe an die Bevölkerung auszugeben. Für viele Russen ist es weiter unvorstellbar, die zu Sowjetzeiten vom kommunistischen Parteichef Nikita Chruschtschow an die Ukraine verschenkte Halbinsel von der Größe Belgiens ganz aufzugeben.

Spekulationen einiger Kiewer Medien über Pläne Russlands zur möglichen Wiedereroberung der Krim halten die Menschen hier aber für "Unsinn". Vielmehr sehen die Alteingesessenen die Gefahr, dass sich die Reibungen mit den islamischen Krimtataren zunehmend verschärfen. Die einst von Sowjetdiktator Josef Stalin wegen angeblicher Zusammenarbeit mit den Nazis deportierten Tataren sind nach dem Zerfall der UdSSR zu Zehntausenden wieder auf die Krim zurückgekehrt.

Krim-Bwohner wollen Janukowitsch

Politisch ist hier die Hochburg von Präsidentenkandidat Viktor Janukowitsch, der im russischsprachigen Teil der Ukraine im Osten und im Süden besonders populär und auch insgesamt der Favorit bei der Wahl ist. Der 55-Jährige, der noch 2004 als Wahlfälscher galt und im Zuge der prowestlichen Orangenen Revolution verlor, verspricht den Krim-Bewohnern vor allem ein Aufleben des Schiffbaus.

Der prorussische Präsidentschaftskandidat Janukowitsch hat auf der Krim viele Sympathisanten sicher.

Der prorussische Präsidentschaftskandidat Janukowitsch hat auf der Krim viele Sympathisanten sicher.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

"Janukowitsch bringt Stabilität, pünktliche Lohnzahlungen. Und die Wirtschaft wächst wieder", sagt die Lehrerin Olga. Die 53-Jährige steht mit Kolleginnen bei einer Wahlkundgebung auf dem Platz vor dem Parlament in der Krim-Hauptstadt Simferopol, zwei Stunden mit dem Zug von Sewastopol entfernt. Die Frauen klagen, dass sie mit ihren im Schnitt rund 100 Euro Monatsgehalt kaum über die Runden kämen.

Schimpfen auf die "Orangene Führung"

Wie überall auf der Halbinsel schimpfen die Menschen auf die "Orangene Führung" in Kiew - zu der auch Regierungschefin und Präsidentschaftskandidatin Julia Timoschenko gehört. Viele Krim-Bewohner sind vor der Abstimmung so frustriert, dass sie gar nicht wissen, wem unter den 18 Kandidaten sie überhaupt trauen sollen.

Wer mit den Menschen auf der Krim spricht, hört immer die gleichen Sorgen. Sie drehen sich darum, wie sie Mieten, Essen und Heizkosten bezahlen sollen. Patrioten ärgern sich, dass die auch für den Krimsekt genutzten Weinberge vernichtet und Grundstücke verschleudert werden. "Wir brauchen eine Strategie, damit sich die Halbinsel zum ökologisch einwandfreien Kurort entwickelt", meint der Busfahrer Waleri in Jalta. Vom Massentourismus wie zu Sowjetzeiten ist in der Küstenstadt mit Mittelmeer-Klima schon längst nichts mehr zu spüren.

Quelle: ntv.de, Ulf Mauder, dpa

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