Militärparaden, Menschenrechte, Millionenverträge Wenn Kanzler nach China reisen
04.02.2012, 07:14 Uhr
Händeschütteln...
(Foto: REUTERS)
Als "alten Freund Chinas" begrüßt Zhao Ziyang Helmut Kohl in den 1980ern. Als "alte Freundin Chinas" wird Angela Merkel nun in Peking hofiert. Das Zeremoniell wiederholt sich, die meisten Themen auch. Nur das Machtgefüge verschiebt sich immer weiter.
"Die Bundesregierung darf sich nicht darauf verlassen, dass wirtschaftliche Reformen und moderne Technologien automatisch zu einer Verbesserung der Menschenrechtssituation führen." Dieses Schreiben gab Amnesty International dem Kanzlertross um Gerhard Schröder 2002 auf den Weg nach China mit. "Die chinesische Führung wird ein Schweigen zu diesem Thema als Billigung ihres Vorgehens interpretieren." Das gleiche Schreiben hätte die Menschenrechtsorganisation auch Angela Merkel mitgeben können, vielleicht in einigen Details aktualisiert, wie etwa bei den Namen der politisch verfolgten Dissidenten.
Vor exakt 40 Jahren wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen China und Deutschland aufgenommen, fast genau so lange reisen deutsche Regierungschefs in das Reich der Mitte. Militärparaden, Reden, Fototermine, Wirtschaftsverträge und immer an die Menschenrechte denken. Das ist in groben Zügen die Agenda. Kleine Variationen sind natürlich erlaubt. So hatte etwa Altkanzler Schröder besonders die Erschließung des verlockenden Absatzmarktes im Auge. Bei Bundeskanzlerin Merkel ging es beim jüngsten Besuch vor allem um mehr chinesisches Engagement in der Euro-Krise. Da Merkel betont nicht als Bittstellerin auftrat, sondern dank der ausgeglichenen Handelsbilanz das gestiegene Selbstbewusstsein Deutschlands im Gepäck hatte, konnte sie gleich auch ein paar heiße Eisen anpacken. Menschenrechte zum Beispiel.
Auf eine gute Zusammenarbeit
Die chinesische Reaktion darauf bleibt durch die Jahre gleich. "Es gibt weder Konflikte noch Streitereien zwischen unseren beiden Ländern", sagte Deng Xiaoping 1987. Daher sei es möglich, auf einer langfristigen Basis zusammenzuarbeiten. Sätze, die Regierungschef Wen Jiabao sicherlich heute noch genau so unterschreiben würde. Und so bleibt Peking unverbindlich freundlich in Sachen Euro-Hilfe, vermeidet unschöne Begegnungen mit Bürgerrechtlern und zerstreut ansonsten Ängste vor dem steigenden chinesischen Einfluss in Europa: Sein Land habe weder die Absicht noch die Fähigkeit, Europa zu kaufen, sagte Wen.
Auch wenn die gegenseitigen Besuche nach einer festen Choreographie ablaufen, haben sich beide Länder in den vergangenen vier Jahrzehnten unzweifelhaft weiterentwickelt. Das wiedervereinte Deutschland hat nichts mehr gemein mit der Bundesrepublik oder der Deutschen Demokratischen Republik der 70er und 80er Jahre. Ebenso haben schrittweise Reformen und die Marktöffnung Chinas Antlitz massiv verändert. Aber die Uhren der Diplomatie scheinen deutlich langsamer zu ticken.
Einer, der die deutsch-chinesischen Beziehungen von Anbeginn verfolgt und mitgestaltet hat, scheint sich im Stillen über die deutschen Erziehungsbemühungen zu amüsieren. Altkanzler Helmut Schmidt, der seit 1975 China immer wieder offiziell besuchte, weiß nicht, warum Deutschland so auf einen demokratischen Wandel in China setzt. Das gehöre nicht in die kulturelle chinesische Tradition, wiederholt Schmidt immer wieder. "Als ob die Chinesen ehrfurchtsvoll den Blick senken, weil Frau Merkel, Herr Blair oder Herr Chirac gesagt haben, die Chinesen sollten sich besser an unsere Wertvorstellungen halten", sagte Schmidt beispielsweise im Jahr 2006 in einem Interview.
An dem diplomatischen Tänzchen wird dieses Argument nichts ändern, zu gut haben beide Seiten die Schritte einstudiert. Wenn überhaupt wird es für Deutschland eher schwieriger, als einfacher werden, etwa in Sachen Rechtsstaatlichkeit wirklich effektiv zu mahnen. Denn Angela Merkel hat die Euro-Krise im Rücken, während China über die weltgrößten Devisenreserven verfügt. Und so werden die gegenseitigen Beziehungen freundlich bleiben und China vermutlich auch in Zukunft gute alte Freunde zu Besuch haben.
Quelle: ntv.de