Streit über Burka-Verbot "Haben Sie eine verschleierte Frau gefragt?"
12.08.2016, 20:43 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Unionsminister wollen die Burka verbieten, Innenminister de Maizière jedoch stellt sich dagegen. Die Burka polarisiert - auch die Presse. Tolerante Stimmen merken an, dass Verbote niemanden weiter bringen und prangern gleichzeitig die Ausschlachtung des aufgeladenen Themas für den Wahlkampf an. Schärfere Töne kommen von den Kommentatoren aus Bayern, die durchaus ein Burka-Verbot befürworten.
Die "Neue Osnabrücker Zeitung" schreibt, entscheidend seien die Signale, die Burka-Trägerinnen, gewollt oder ungewollt, aussenden. Die da wären "Abschottung und Unterwerfung." Dies wirke integrationsfeindlich und kollidiere mit der Aufgeklärtheit unserer Gesellschaft, zu deren höchsten Werten ganz gewiss die Toleranz gehöre. Doch die Zeitung weist auch auf die politische Relevanz des Kleidungsstückes hin: "Diese aber sollte ein Ende haben, wenn Intoleranz sichtbar wird, zum Beispiel in Form der Burka. Insofern gehört die sachliche Diskussion über ein Verbot unbedingt auf die politische Agenda. Falsch, ja verwerflich ist es dagegen, das Thema für den Stimmenfang auszuschlachten, wie es die CDU-Wahlkämpfer in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern versuchen. Mit Forderungen nach einem Burka-Verbot wollen sie den Rechtspopulisten von der AfD das Wasser abgraben. Dabei hat sich Symbolpolitik noch nie ausgezahlt."
Es reiche sich von der Burka zu distanzieren statt sie zu verbieten, meint die "Saarbrücker Zeitung" und beruft sich auf gemäßigten Pragmatismus. "Im Streit um ein Burka-Verbot hat Thomas de Maizière eine sehr pragmatische Haltung. Man könne nicht alles verbieten, was man ablehne, sagt er an die Adresse seiner Unionskollegen, die sich für eine Ächtung der Ganzkörperverschleierung stark machen. Es ist ein weiser Satz, denn wäre es anders, bestünde Deutschland konsequent zu Ende gedacht wohl nur noch aus Verboten." Im konkreten Fall laufe die Union obendrein Gefahr, sich eine Abfuhr beim Bundesverfassungsgericht wegen eines möglichen Verstoßes gegen die Religionsfreiheit einzuhandeln. "Dabei hat de Maizière bereits angedeutet, welche politischen Mittel es gibt, um sich von der Burka zu distanzieren, ohne sie komplett zu verbieten: Wer sich bei Behörden melden muss oder auf dem Standesamt erscheint, der sollte Gesicht zeigen."
Die "Sächsische Zeitung" in Dresden rät zur Neugier und Kommunikation, statt anderen Werte aufzwingen zu wollen: "Die Diskussion um ein Burka-Verbot ist vorgeschobene Symbolik. Dahinter steckt der Wunsch, dass Migranten sich anpassen und unsere Werte übernehmen mögen. Außerdem rufen vollverschleierte Frauen Ängste hervor: Ist das nicht ein Zeichen für radikalisierten Islam? Kann sein. Kann aber auch nicht. Genauso wie es möglich ist, dass die Frau gezwungen wurde, könnte es ihr eigener Wille sein. Wer sind wir, dass wir bestimmen, wer unterdrückt ist und wer nicht? Eine liberale Gesellschaft muss auch die Freiheit der anderen respektieren. Wir sollten uns auf die Lösung der Probleme konzentrieren, anstatt an Symbolen herumzudoktern. Unsere Angst in Neugier umwandeln. Haben Sie schon mal eine verschleierte Frau gefragt, warum sie sich verhüllt?"
Der "Münchner Merkur" vertritt dagegen eine offensive Position: "Der CDU-Bundesinnenminister irrt: Nicht ein Burka-Verbot trägt "Unfrieden in unser Land". Es ist die Burka selbst, die die Menschen auseinandertreibt." In unserem Kulturkreis zeige man sein Gesicht. Wer sich verstecke, mache anderen Menschen Angst. Das Blatt aus Bayern beruft sich dabei auf deutsche Gesetze: "Und wer, wie die Integrationsbeauftragte von der SPD, ein Burka-Verbot als "reine Symboldebatte" ablehnt, dem sei gesagt: Ja, die Burka ist ein Symbol, sie sollte es zumindest sein - für unser Beharren auf Integration, und zwar umfassend. Wer zu uns kommt, muss wissen, dass Mädchen in den Schwimmunterricht gehen und hier das Grundgesetz gilt. Am fundamentalsten aber zeigt sich die Bereitschaft zur Integration - oder ihre Verweigerung - in der täglichen Begegnung in Angesicht zu Angesicht."
Die "Süddeutsche Zeitung" stellt eine Reihe von Fragen: "Zunächst einmal: Ist der Vollschleier überhaupt ein religiöses Symbol? Nein. Wer das glaubt, geht den Islamisten auf den Leim." Politik und Religion sollte man trennen, denn: "Das klassische Kopftuch mag ein Kernstück des muslimischen Glaubens sein. Der Vollschleier aber ist ein politisches Statement. Er ist die Negation eines zeitgemäßen Islam und des deutschen Gesellschaftsmodells durch ein und dasselbe Stück Stoff." Anders als das Kopftuch reduziere er die Frau auf Auge, Gebärmutter, Unterordnung. Eine Frau im Niqab sei gegenüber einem Mann nie gleichwertig, selbst wenn sie sich den Schleier freiwillig überwerfe. Das Blatt deutet auf einen Widerspruch hin: "Ist die Frau dem Mann gleichwertig und ebenbürtig? Ja, das ist sie. Also "Nein" zu Burka oder Niqab. Die passen - bestenfalls - zum Taliban-Afghanistan. Und das Bundesverfassungsgericht wird sich wohl nicht an den Maßstäben der Dorfältesten von Kandahar orientieren?"
Zusammengestellt von Stefanie Rosenthal
Quelle: ntv.de