Wirtschaft

Geheimliste für Griechenland Experten fürchten neue Lücken

Erschöpfter Finanzminister: Jannis Stournaras

Erschöpfter Finanzminister: Jannis Stournaras

(Foto: REUTERS)

Eine neue Zahl sorgt in den Hauptstädten Europas für Unruhe: Zur Stabilisierung der Griechenlands müssen die Euro-Retter womöglich sehr viel tiefer in die Tasche greifen als bislang bekannt. Athen benötigt demnach deutlich mehr Unterstützung - und den umstrittenen Aufschub. Die Lage ist verfahren, Euro-Spitzenbeamte erwägen jetzt "radikale Schritte".

Ungebrochener Nationalstolz in Thessaloniki: Vorbereitungen auf den 100. Jahrestag der Befreiung aus der Herrschaft der Ottomanen.

Ungebrochener Nationalstolz in Thessaloniki: Vorbereitungen auf den 100. Jahrestag der Befreiung aus der Herrschaft der Ottomanen.

(Foto: AP)

Der mittelfristige Kapitalbedarf der griechischen Regierung liegt nach bislang unbestätigten Informationen offenbar um bis zu zehn Milliarden über der bisher geschätzten Summe. Griechenland benötige bis 2016 zusätzliche 30 Mrd. Euro von seinen internationalen Gläubigern, um die unerwartet starke Rezession kompensieren zu können, hieß es nach einem Treffen hochrangiger Abgesandter aus den Finanzministerien der 17 Euro-Staaten. Dazu komme ein zur Umsetzung der Sparvorgaben. Gerüchte um angeblich vereinbarte Zugeständnisse wie etwa hatten in den vergangenen Tagen für erheblichen Wirbel gesorgt.

Erst Mitte der Woche hatte der griechische Finanzminister verkündet, dass das Land zwei Jahre mehr Zeit bekommen soll, seine Auflagen zu erfüllen. Stournaras hatte damit unter anderem auch die Bundesregierung überrascht. Berlin, die EZB und der Internationale Währungsfonds (IWF) beharrten umgehend auf dem Bericht der Troika als Grundlage jeder Entscheidung für mehr Geld. Der Bericht wird mittlerweile für November erwartet.

Die Spitzenfinanzbeamten der Eurozone waren am Vorabend zusammengekommen, um für Griechenland Auswege aus der Krise zu suchen und die stockenden Reformen zurück in die Spur bringen. Das Treffen war das erste seiner Art und auf dieser Ebene seit Monaten. Zuvor hatten die Inspektoren der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und IWF bereits wochenlang mit der Regierung in Athen verhandelt.

Die neue Summe der Euro-Beamten zum Kapitalbedarf liegt deutlich über den bisher kursierenden Schätzungen von bis zu 20 Mrd. Euro. Der Kreis an hochrangigen Beamten sollte Details für einen Rahmenplan ausarbeiten, der sicherstellen soll, dass das schuldenbeladene Land in der Eurozone gehalten werden kann.

Zielmarke kaum noch erreichbar

Der Abbau der immensen Schuldenlasten dürfte demnach durch die zusätzlichen Kredite weiter nach hinten verschoben werden: Bis 2020 würde das Verhältnis von Staatsschulden zum Bruttoinlandsprodukt ansonsten nicht unter die Marke von 140 Prozent sinken, bestätigten zwei mit den Verhandlungen vertraute Informanten. Griechenland läge damit allerdings immer noch deutlich über der kritischen Marke von 120 Prozent, die zur Refinanzierung eines Staatshaushalts bislang als gerade noch hinnehmbar galten. Diese Zielmarke hatten die Geldgeber unter anderem bei der Einigung auf das das zweite Hilfspaket vereinbart.

Der Internationale Währungsfonds dringe daher darauf, so hieß es weiter, dass die Regierungen der Eurozone und die Europäische Zentralbank - eine Option, die für die meisten Regierungen bislang als inakzeptabel gilt.

In den kommenden beiden Jahren sollen den Angaben zufolge zunächst 13,5 Mrd. Euro eingespart werden. Dies sei jedoch eigentlich zu wenig, um die Sparziele zu erfüllen. Die harte Haltung in Bezug auf die Sparpolitik stößt allerdings längst an seine Grenzen: Wegen des brechen die Steuereinnahmen weg, was die Lage der Staatsfinanzen weiter verschlechtert.

Rund 15 Vorschläge auf der Liste

Bei dem Spitzentreffen hätten die Teilnehmer eine Liste mit rund 15 Vorschlägen diskutiert, wie dem überschuldeten Sorgenkind der Eurozone entgegengekommen werden könnte. Die Vorschläge umfassen demnach beispielsweise geringere Zinsen für Kredite und Geld vom europäischen Rettungsschirm für die griechischen Banken. Außerdem sei darüber beraten worden, ob die Partnerländer einen Teil ihrer Hilfen abschreiben sollten.

Bisher zeichne sich aber weiterhin keine Einigung ab, wie die Summe von 30 Mrd. Euro zusammenkommen könne. "Es gibt nicht genügend politischen Willen für radikale Schritte", sagte ein Regierungsvertreter, der nicht namentlich genannt werden wollte. Die wenigen Maßnahmen, die durchsetzbar wären, reichen aus seiner Sicht aber nicht aus. Die machbarste Lösung wären niedrigere Zinsen, die Griechenland seinen Gläubigern überweisen muss.

"Etwas Druck" auf die EZB?

Ein anderer Sitzungsteilnehmer zeigte sich hinter vorgehaltener Hand sogar optimistisch, die EZB "mit etwas Druck" zu Zugeständnissen bei den Zinsen bewegen zu können. Die Notenbank lehnt das bisher strikt ab, weil dieser Schritt aus ihrer Sicht eine verbotene Staatsfinanzierung wäre. Die EZB hält rund 50 Mrd. Euro an griechischen Staatspapieren.

Politischer Druck auf die Zentralbank dürfte an den Märkten und unter anderem auch in der deutschen Öffentlichkeit als aufgefasst werden. Bislang zieht die EZB einen großen Teil ihrer international wirkenden Autorität aus ihrer Unabhängigkeit in allen geldpolitischen Fragen.

Beratungsbedarf auf Ministerebene

Das Treffen der Euro-Finanzbeamten zeigt: Die mangelnde Einigkeit unter den Euroländern offenbart, wie vertrackt die Lage mittlerweile ist. Neues Geld nach Athen zu überweisen ist bei den Gläubigern höchst unpopulär und würde den Schuldenberg nur weiter anschwellen lassen. Athen braucht spätestens bis Mitte November die Auszahlung der nächsten Kreditrate aus dem laufenden Rettungsprogramm. Am 16. November muss eine Anleihe zurückgezahlt werden, was die Regierung aus eigener Kraft wohl nicht mehr schaffen kann.

Die Finanzfachleute wollen sich nun zu Beginn kommender Woche erneut zusammensetzen. Zusätzlich sollen sich dann eventuell auch die Finanzminister der Eurozone per Telefonkonferenz in die Verhandlungen einschalten. Eventuell kommen die Budgetchefs auch am 8. November persönlich zusammen, hieß es. Es müsse ein Weg gefunden werden. Der politische Wille sei, Griechenland im Euroraum zu halten.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ

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