Wirtschaft

Eklat nach Brandmauer-Beschluss Juncker sagt Pressekonferenz ab

Maria Fekter (M:) hat nicht nach dem Geschmack von Jean-Claude Juncker (l.) agiert.

Maria Fekter (M:) hat nicht nach dem Geschmack von Jean-Claude Juncker (l.) agiert.

(Foto: REUTERS)

Die Euroländer rechnen die Schutzmechanismen für finanzschwache Mitglieder der Währungsunion auf über 800 Mrd. Euro hoch. Das teilt die österreichische Finanzchefin Maria Fekter mit - und löst damit offenbar einen Eklat aus. Eurogruppen-Chef Juncker sagt die geplante Pressekonferenz spontan ab.

Die Euro-Zone hat den Rettungsschirm zur Abwehr der Schuldenkrise noch weiter aufgespannt. Die Finanzminister der Eurogruppe verständigten sich bei ihrem Treffen in Kopenhagen darauf, 800 Milliarden Euro einschließlich aller bereits vergebenen Hilfskredite aufzubringen. Frankreich und Italien hatten ebenso wie die EU-Kommission für ein noch höheres Volumen geworben. Doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hielt die Erhöhung der Kreditmittel, gegen die sich Deutschland lange gewehrt hatte, in Grenzen. Nach der Einigung zeigten sich alle zufrieden. EU-Währungskommissar Olli Rehn lobte die "beachtliche Verstärkung" der Brandmauer zum Schutz der Währungsunion.

Die Einigung wurde allerdings von einem Eklat überschattet. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker brach die Sitzung der Minister ab und kippte die Pressekonferenz. Er hatte sich darüber geärgert, dass die österreichische Finanzministerin Maria Fekter den Beschluss eigenmächtig vorab bekannt gegeben hatte. Fekter entschuldigte sich nach dem Vorfall, wie ihr Sprecher erklärte. Wegen des Eklats entschieden die Minister erneut nicht über den frei werdenden Posten im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Personalie sollte in Kopenhagen erledigt werden, um die Fristen für die Ernennungsprozedur bis Ende Mai einhalten zu können. In Kreisen der Euro-Zone hieß es, Frankreich habe darauf bestanden, über die Position nur im Gesamtpaket mit den drei anderen zur Neubesetzung anstehenden Spitzenposten zu entscheiden. Das Personalpaket schließt den künftigen Vorsitz der Eurogruppe ein, den Juncker seit 2005 inne hat. Der Luxemburger hatte früher seinen Rückzug angekündigt. Nun ist Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble der Favorit.

Euro-Länder zeigen Rechenkunststücke

Ein Flächenbrand wäre jetzt das Letzte für die Euro-Finanzchefs.

Ein Flächenbrand wäre jetzt das Letzte für die Euro-Finanzchefs.

(Foto: REUTERS)

Mit der Aufstockung der Brandmauer zum Schutz strauchelnder Mitgliedstaaten vollführen die Euro-Länder ein Rechenkunststück: Der ab Mitte 2012 startende Rettungsfonds ESM wird sein volles Kreditvolumen von 500 Milliarden Euro bekommen. Die rund 200 Milliarden Euro an Griechenland, Portugal und Irland vergebenen Kredite aus dem Vorgängerfonds EFSF werden anders als zunächst geplant nicht abgezogen. Nach einem Vorstoß Deutschlands werden nun auch noch die rund 100 Milliarden Euro Kredite der EU und für das erste, vor Gründung des EFSF aufgelegten Griechenland-Pakets hinzugerechnet. Damit käme man zumindest in Dollar umgerechnet auf die beeindruckende Zahl von einer Billion: "Insgesamt mobilisiert die Euro-Zone eine Brandmauer von fast 800 Milliarden Euro, mehr als eine Billion Dollar", heißt es in der Erklärung der Eurogruppe.

Was sind EFSF und ESM?

Der vorläufige Euro-Rettungsschirm EFSF und der dauerhafte Rettungsschirm ESM stellen pleitebedrohten Euro-Staaten Notkredite zur Verfügung, wenn sich die Staaten am Kapitalmarkt kein Geld mehr zu tragfähigen Zinsen leihen können.

Ursprünglich sollte der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) die Europäische Finanz-Stabilitätsfazilität (EFSF) ablösen. Weil für die Krise eines großen Euro-Landes die Mittel des ESM alleine jedoch nicht ausreichen würden, sollen beide Instrumente zunächst bis Mitte 2013 parallel laufen.

Der ESM kann Kredite von insgesamt 500 Mrd. Euro vergeben. Die EFSF kann Kredite von insgesamt 440 Mrd. Euro stemmen, mehr als die Hälfte davon ist jedoch bereits vergeben.

Beide Rettungsschirme finanzieren Kredite nicht unmittelbar aus eigenen Finanztöpfen, sondern leihen sich das Geld am Finanzmarkt. Um dabei möglichst geringe Zinsen zu zahlen, leisten die Euro-Staaten höhere Garantien als an Krediten ausgereicht werden kann. Der ESM verfügt zudem über einen eigenen Kapitalstock von 80 Mrd. Euro.

Die Brandmauer soll möglichst hoch sein, um spekulative Anleger vor Markt-Attacken gegen größere Euro-Schuldenstaaten wie Italien und Spanien abzuschrecken. Schäuble teilt diese Logik nicht. Die Debatte über immer mehr Mittel zur Krisenabwehr sei irreführend, sagte er. "Die Finanzmärkte wollen wissen, ob Europa in der Lage ist, Strukturen zu schaffen, die dauerhaft die Stabilität dieser Währung und Investitionen in diesem Raum sicherstellen." Auch sein früherer Staatssekretär, EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen, mahnte: "Die Brandmauer ersetzt keine Wirtschaftsreformen." An den Aktienmärkten sorgte die Einigung für Erleichterung, obwohl die Zahlenspiele auch Verwirrung verursachten. "Das hilft, ist jetzt aber auch keine Überraschung mehr", sagte ein Börsianer.

Gut gerüstet für die Gespräche mit dem IWF

Die Euro-Zone hofft, mit der Einigung die internationalen Partner zu überzeugen und die erhoffte Mittelaufstockung des Internationalen Währungsfonds (IWF) bei dessen Frühjahrstreffen im April zu erreichen. "Nach der Abmachung zur Brandmauer sind wir für die Gespräche über die IWF-Beteiligung im April gerüstet", sagte Frankreichs Finanzminister Francois Baroin. Die IWF-Partner hatten größere Anstrengungen der Euro-Zone gefordert, ehe sie zu mehr Rückhalt des Fonds bereit wären. IWF-Chefin Christine Lagarde begrüßte den Beschluss der Eurogruppe. Dieser werde die Anstrengungen des IWF befördern, sagte sie.

Ursprünglich sollte auf das Drängen Deutschlands hin der befristete Rettungsfonds EFSF mit seinen 440 Milliarden Euro vollständig im Nachfolgerfonds ESM mit seinen 500 Milliarden Euro Kreditvolumen aufgehen. Nach dem Beschluss der Eurogruppe werden beide Fonds für ein Jahr parallel bestehen. Die schon vergebenen rund 200 Milliarden Euro des EFSF für Griechenland, Portugal und Irland werden nicht abgezogen. Die mit Bürgschaften abgesicherten übrigen 240 Milliarden Euro werden für den Notfall bis Mitte 2013 beibehalten. Falls neue Kreditprogramme gebraucht werden, soll aber vorrangig der ESM genutzt werden.

Die Euro-Länder hatten monatelang über die Ausweitung des Rettungsfonds gestritten. Deutschland und einige kleine Euro-Staaten hatten sich strikt geweigert, gaben dem internationalen Druck aber schließlich nach.

Quelle: ntv.de, dpa

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