Härteste Einschnitte seit 1975 Spanien spart drastisch
30.03.2012, 16:26 Uhr
Soraya Saenz de Santamaría und Finanzminister Cristobal Montoro erläutern das Sparpaket.
(Foto: dpa)
Spaniens Regierung zieht ihre rigide Haushaltspolitik durch. Das konservative Kabinett von Ministerpräsident Rajoy will allein in diesem Jahr mehr als 27 Milliarden Euro einsparen. Das Defizit soll bis Jahresende auf 5,3 Prozent gesenkt werden. Zudem wird der Arbeitsmarkt refomiert. Unter anderem kommt es zu einer Lockerung des Kündigungsschutzes.
Ein Tag nach dem Generalstreik in Spanien hat die konservative Regierung in Madrid massive Einschnitte bei der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik verabschiedet. Wie die stellvertretende Regierungschefin Soraya Saenz de Santamaría nach der Kabinettssitzung mitteilte, sieht der Haushalt 2012 Einsparungen in Höhe von mehr als 27 Milliarden Euro vor. Bei den Etats der Ministerien gibt es demnach Kürzungen von durchschnittlich knapp 17 Prozent. Saenz de Santamaría sprach von einer "Grenzsituation", in der sich die Regierung befinde. Erste Pflicht für sie sei es, die Staatsfinanzen zu sanieren.
Der Vertrag von Maastricht erlaubt Eurostaaten maximal eine Gesamtverschuldung von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung sowie eine Neuverschuldung von höchstens 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Spanien erfüllte die Stabilitätskriterien Europas seit Einführung des Euro 2001 bis 2007 mustergültig, sowohl bei der Neuverschuldung als auch dem gesamtenStaatsdefizit. 2008 lag das Haushaltsdefizit erstmals über der erlaubten Grenze, die Gesamtverschuldung kletterte 2010 erstmals über die kritische Schwelle.
Italien hingegen hielt sich bei der Gesamtverschuldung nicht in einem einzigen Jahr an die erlaubte Grenze. Die Neuverschuldung lag in lediglich drei Jahren unterhalb der zulässigen Schwelle.
Das Kabinett von Ministerpräsident Mariano Rajoy will das derzeitige Defizit von 8,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis zum Jahresende auf 5,3 Prozent senken. Bei den jetzt verabschiedeten Maßnahmen handelt es sich um die härtesten Einschnitte seit Ende der Franco-Herrschaft 1975. Vorgesehen sind unter anderem die Lockerung des Kündigungsschutzes, geringere Abfindungen bei Kündigungen und eine Verkürzung der Dauer von Unterstützungszahlungen für Erwerbslose. Auch Mitbestimmungsrechte und Tarifsystem werden angetastet.
Gegen die Maßnahmen gingen am Donnerstag zusätzlich zum Generalstreik nach Schätzungen der Gewerkschaften mehr als 800.000 Menschen auf die Straße. Die Regierung versichert, die Arbeitsmarktreform werde die Einstellung von Beschäftigten erleichtern. Dagegen befürchten die Gewerkschaften, die Maßnahmen könnten die Lage noch verschlimmern. Die amtliche Arbeitslosenrate in Spanien liegt bei der Rekordmarke von 22,8 Prozent, bei Jugendlichen beträgt sie sogar 50 Prozent.
Sollte Spanien scheitern, droht der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone das gleiche Schicksal wie dem von der Pleite bedrohten , das bereits unter den Euro-Rettungsschirm flüchten musste. Spaniens Wirtschaft ist allerdings mehr als doppelt so groß wie die Irlands, Griechenlands und Portugals zusammengenommen. Die Risikoaufschläge für zehnjährige Anleihen Spaniens hatten sich am Tag des Generalstreiks bereits ihrem Jahreshöchststand genähert, gaben danach jedoch wieder nach.
Wieder in der Rezession
Ursprünglich sollte dieses Jahr höchstens ein Fehlbetrag von 4,4 Prozent nach Brüssel gemeldet werden. Doch auch die angestrebten 5,3 Prozent könnten sich als zu hohe Hürde erweisen: "Ein schwieriges, wenn nicht gar unmögliches Unterfangen", meint die Investment-Bank Morgan Stanley. Und 2013 muss Rajoy das Haushaltsloch sogar auf die im europäischen Stabilitätspakt festgelegte Obergrenze von 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts drücken.
Erschwert wird die Sanierungsaufgabe durch die tiefe Wirtschaftsmisere. Nach Schätzungen der Regierung ist Spanien im ersten Quartal wieder in die Rezession abgerutscht. Experten befürchten, dass Rajoy letztlich auch "heilige Kühe" schlachten muss und tiefe Einschnitte im Bildungs- und Gesundheitshaushalt folgen werden.
Dabei lauert nach Einschätzung mancher Experten die Gefahr, dass Spanien sich kaputtspart. "Ein derart harter Sparkurs wird in eine tiefe Rezession führen, die die Sanierung zusätzlich erschwert. Man muss sich nur Griechenland und Portugal anschauen", meint Angel Laborda vom Institut Funcas in Madrid.
Quelle: ntv.de, AFP/rts