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Klimakonferenz in Dubai Was soll der ganze Klima-Zirkus eigentlich?

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Das ausgetrocknete Bett des Titicaca-Sees zwischen Peru und Bolivien. Darüber sind die "Climate Stripes" zu sehen, die die globale Erwärmung visualisieren.

Das ausgetrocknete Bett des Titicaca-Sees zwischen Peru und Bolivien. Darüber sind die "Climate Stripes" zu sehen, die die globale Erwärmung visualisieren.

(Foto: Reuters/Claudia Morales, ntv.de)

Alle Jahre wieder macht der Klima-Wanderzirkus an einem anderen Ort Halt. In diesem Jahr treffen sich 70.000 Delegierte, Journalisten, Aktivisten und Lobbyisten in Dubai, um über eine Reduzierung der CO2-Emissionen zu sprechen. Ist das sinnvoll? Eine Übersicht.

Ist sicher, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht wurde?

Leider gibt es keinen ernst zu nehmenden Zweifel daran, dass der Klimawandel, den wir gerade erleben, menschengemacht ist. Natürlich hat das Klima sich schon immer verändert, auch seit der Zeit der Entstehung des Menschen. Die "kleine Eiszeit" des 17. Jahrhunderts etwa gilt wegen der von ihr ausgelösten Hungersnöte als eine der Ursachen für den Dreißigjährigen Krieg zwischen 1618 und 1648.

Der Verlauf der globalen Oberflächentemperatur zeigt allerdings, dass sich die Erde in den vergangenen 2000 Jahren nie so stark erwärmt hat wie seit Beginn der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert. Die Ursache dafür liegt auf der Hand: Ohne die Verbrennung von zunächst Kohle, später auch Gas und Öl in großem Stil wäre die Industrialisierung nicht denkbar gewesen.

Dieser Zusammenhang ist nicht nur historisch, sondern auch physikalisch nachgewiesen. Durch das Verbrennen fossiler Energieträger gelangt zusätzliches CO2 in die Atmosphäre. Das verstärkt den eigentlich segensreichen Treibhauseffekt: Die Atmosphäre der Erde lässt das einfallende Sonnenlicht hinein und sorgt gleichzeitig dafür, dass ein Großteil der vom Erdboden abgestrahlten Wärme innerhalb der Atmosphäre verbleibt. Dank dieses Treibhauseffekts ist es auf der Erde zumindest im Durchschnitt nicht zu kalt und nicht zu warm - im Mittel etwa 15 Grad Celsius.

Denn die Atmosphäre funktioniert nach außen wie ein Sieb, nach innen wie ein Schirm: Für die kurzwelligen Sonnenstrahlen ist die Atmosphäre durchlässig, die von der Erde reflektierte langwellige Wärmestrahlung hingegen wird in der Atmosphäre vom Wasserdampf und den Treibhausgasen - Methan (CH4), Distickstoffoxid bzw. Lachgas (N2O) und Kohlendioxid (CO2) - geschluckt und zum Teil zurückgeworfen.

Das zusätzliche CO2 verstärkt den natürlichen, "atmosphärischen" Treibhauseffekt. Diese Verstärkung ist der "anthropogene", der vom Menschen gemachte Treibhauseffekt. Dass dies so ist, steht außer Frage. Mehr als 99 Prozent der wissenschaftlichen Studien zum Klimawandel haben daran keinen Zweifel.

Sind Folgen des Klimawandels schon spürbar?

Eindeutig ja. Sogenannte Extremwetterereignisse haben deutlich zugenommen. Studien zeigen, dass Hitzeextreme aufgrund des menschengemachten Klimawandels weltweit an Wahrscheinlichkeit und Intensität zugenommen haben. Gleiches gilt für Niederschläge und das Ausmaß von Sturmfluten.

Das heißt nicht, dass jeder Starkregen und jede Hitzewelle eine direkte Folge der Erderwärmung sind. Inwiefern ein konkretes Wetterereignis mit dem Klimawandel zusammenhängt, ist im Einzelfall kaum zu ermitteln. Die deutliche Erwärmung der Ozeane sorgt zwar für mehr und schwerere Stürme. Aber hätte es ohne den Klimawandel einen konkreten Sturm nicht gegeben? Diese Frage ist nicht zu beantworten.

KlimawandelMeeresoberflächentemperatur

Man kann sich dem Thema aber statistisch nähern - das macht die sogenannte Attributionsforschung, die den Zusammenhang von Wetterphänomenen und Klimawandel untersucht. Eine Hitzewelle, die im Klima vor Beginn der Industrialisierung einmal alle zehn Jahre aufgetreten wäre, tritt im heutigen Klima rund 2,8-mal in zehn Jahren auf und ist 1,2 Grad heißer als früher. Bei einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 2 Grad im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung würde eine solche Hitzewelle etwa 5,6-mal stattfinden und 2,6 Grad heißer sein, wie Ben Clarke von der Universität Oxford und Friederike Otto vom Imperial College London schreiben. Eine Hitzewelle, die im vorindustriellen Klima einmal alle 50 Jahre aufgetreten wäre, tritt demnach inzwischen etwa 4,8-mal in 50 Jahren auf und ist 1,2 Grad heißer. Steigt das Klima um 2 Grad, dann wären Hitzewellen sogar in jedem vierten Jahr zu erwarten, und sie wären 2,7 Grad heißer.

Sollte sich die Welt sogar um 3 Grad erwärmen, wäre das "ein absoluter Gamechanger", sagte Otto dem "Tagesspiegel". "Wir würden unsere Sommer in Europa überhaupt nicht wiedererkennen und in vielen anderen Teilen der Welt auch nicht. Das hätte dramatische Konsequenzen für unsere Art zu leben."

Was bedeutet der Klimawandel für Deutschland?

Auch in Deutschland wird es wärmer, sogar stärker als global. Besonders groß fiel die Temperaturanomalie im vergangenen Jahr aus. Laut den amtlichen Daten des Deutschen Wetterdienstes lag das Temperaturmittel 2022 rund 2,3 Grad über dem langjährigen Referenzwert von 1961 bis 1990 - ein Rekordwert. Die fünf wärmsten Jahre seit 1881 ereigneten sich alle innerhalb der letzten Dekade.

Die Klimaforschung rechnet jedoch in größeren Zeiträumen und Trends. Denkt man sich eine gerade Linie durch die Zeitreihe der Temperaturanomalien vom Jahr 1881 bis 2002, ergibt sich daraus für Deutschland eine Erwärmung von 1,7 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter. Vor vier Jahren betrug dieser Wert noch 1,5 Grad, wie der aktuelle Monitoringbericht des Umweltbundesamtes zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel hervorhebt. Auch im weltweiten Vergleich liegt Deutschland über dem Mittel: Die globale Erwärmung liegt laut dem Copernicus Trend Monitor aktuell bei 1,25 Grad.

Sogar ohne weitere Erderwärmung müssen West- und Mitteleuropa infolge des Klimawandels alle zwanzig Jahre mit extremen Dürren rechnen. "40 Grad in Deutschland werden zur Regel", sagt Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. "Heutige Extremjahre mit 20 Hitzetagen werden Durchschnittssommer zum Ende des Jahrhunderts, wenn wir in den kommenden Jahren nicht massiv gegensteuern."

Auch andere Wetterextreme nehmen in Deutschland zu. Die Wahrscheinlichkeit von extremen Regenfällen, die im Ahrtal vor zwei Jahren die verheerende Flutkatastrophe ausgelöst haben, hat infolge des Klimawandels um den Faktor 1,2 bis 9 zugenommen.

Der Journalist Toralf Staud hat ein Buch darüber geschrieben, wie Deutschland 2050 aussehen wird. Er sagt, wir würden uns viel zu wenig auf die Klimakrise vorbereiten. Das fängt mit der Architektur an: "Wenn man in Berlin Neubauten sieht, die immer noch große Fensterflächen haben, dann kann man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Die werden sich in den Sommern der Zukunft extrem aufheizen." Stauds Fazit: "Man muss anders bauen, Verkehrswege anders anlegen, das Gesundheitssystem auf neue Krankheiten vorbereiten, die Wasserversorgung mancherorts umstellen müssen. Und in einigen Gegenden - wo im Inland Sturzfluten oder an den Küsten die steigenden Meeresspiegel drohen - wird man gar nicht mehr bauen können."

Da die Lebensbedingungen an anderen Orten der Welt noch viel schlechter sein werden als in Europa, dürfte eine weitere Folge des Klimawandels eine erhöhte Migration in Länder wie Deutschland sein. Allerdings bleiben die meisten Menschen, die im Zusammenhang mit Klimaveränderungen und Naturkatastrophen zur Flucht gezwungen werden, in ihren eigenen Ländern. Zudem sind Prognosen über künftige Klimaflüchtlinge schwierig, wie der Sachverständigenrat für Migration und Integration in seinem aktuellen Jahresgutachten schreibt. Schätzungen reichen von mehr als 44 Millionen Menschen bis 2050 bis zu 216 Millionen Menschen, die innerhalb ihrer jeweiligen Länder auf der Flucht sein könnten. Sicher ist nur: Klimawandelbedingte Migration nimmt zu und sie wird auch Deutschland betreffen.

Ist es noch zu schaffen, den Klimawandel auf ein erträgliches Maß zu begrenzen?

Noch vor zwei Jahrzehnten galt: Wenn wir bald anfangen, wird es einfacher und billiger, den CO2-Ausstoß zu begrenzen. Es wäre ein langsamer Ausstieg gewesen. Das ist vorbei. Wenn wir die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad begrenzen wollen, muss es schnell gehen.

Dass die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad begrenzt werden soll, hatten die Staaten auf der Pariser Klimakonferenz von 2015 beschlossen. Damals wurde vereinbart, sogar zu versuchen, 1,5 Grad einzuhalten. Die 1,5 Grad könnten wir schon bald erreicht haben: Eine Studie kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass die 1,5-Grad-Schwelle zwischen 2033 und 2035 geknackt wird.

Das 2-Grad-Ziel gilt weiterhin als erreichbar, und ohnehin lohne es sich, "für jedes Zehntelgrad zu kämpfen", wie die Attributionsforscherin Friederike Otto sagt.

Aber was bringen diese jährlichen Klimakonferenzen?

Schon seit Jahren werden die Klimakonferenzen als Wanderzirkus bezeichnet, dessen Ergebnisse mehr als dürftig sind. Zur diesjährigen COP werden rund 70.000 Teilnehmer erwartet - ein Rekord. Darunter sind nicht nur die Delegationen aus den einzelnen Staaten, sondern auch Journalisten, Aktivisten - und Lobbyisten.

Denn auch die kommen zu den Klimakonferenzen. In Scharm-el-Scheich 2022 nahmen mehr als 600 Lobbyisten der Öl- und Gasindustrie teil, im Vergleich zum Jahr zuvor ein Anstieg um mehr als 25 Prozent. Dass es noch schlimmer geht, zeigt der diesjährige Klimagipfel in Dubai: Der Konferenzleiter versuchte schon vor dem Start, Vorbereitungstreffen dazu zu nutzen, Deals für den staatlichen Ölkonzern der Vereinigten Arabischen Emirate abzuschließen.

Dennoch sind die Klimakonferenzen alles andere als sinnlos. Der Wanderzirkus bietet zahlreiche Foren, um ins Gespräch zu kommen: Vom Thementag "Gesundheit und Frieden" über den Thementag "Energie/Industrie/Transformation" bis zu "Ernährung, Landwirtschaft und Wasser" ist alles dabei. Und auch wenn Durchbrüche wie 1997 in Kyoto oder 2015 in Paris keine unmittelbare Senkung des CO2-Ausstoßes gebracht haben, so zeigen sie doch, dass Einigungen möglich sind.

Zudem liegen die Erfolge von Klimakonferenzen häufig eher im Detail und sind nur Fachleuten bekannt. Selbst der als ziemlicher Reinfall geltende Gipfel in Scharm-el-Scheich vor einem Jahr hat etwas gebracht: Nach jahrelangen Diskussionen gaben die reichen Staaten ihren Widerstand auf und stimmten einem gemeinsamen Geldtopf zu, aus dem Klimaschäden in ärmeren Ländern bezahlt werden sollen, dem sogenannten Loss-and-Damage-Fonds.

"Bei aller Frustration: Diese Klimakonferenzen sind enorm sinnvoll", sagte Frauke Röser, Expertin für Klimapolitik vom New Climate Institute, vor einem Jahr im Interview mit ntv.de. "Ohne die Klimadiplomatie, ohne die Klimakonferenzen gäbe es gar keinen Fortschritt."

Quelle: ntv.de

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