Kühner Schwung aus Korea Hyundai Ioniq 6 - schnittige Ablösung
30.06.2022, 17:45 Uhr
Wer sich den Hyundai Ioniq 6 genau ansieht, wird nicht umhinkommen, eine große Ähnlichkeit zu dem von 2011 bis 2018 gebauten Mercedes CLS zu erkennen.
(Foto: Hyundai)
Die Mitglieder einer Autofamilie zeichnen sich auch nach einem Modellwechsel in der Regel durch eine große Ähnlichkeit aus. Hyundai hat diese Faustregel jetzt durchbrochen und bürstet den Nachfolger des Ioniq richtig gegen den Strich. Statt Ecken und Kanten gibt es jetzt dynamische Rundungen.
Der Ioniq hat ausgedient. Hyundais im Jahr 2016 eingeführte Baureihe wird im Sommer dieses Jahres verschwinden. Nicht aber, ohne dass ein neues Fahrzeug unter gleichem Namen und mit dem Zusatz 6 auf den Markt rollt. Bereits jetzt haben die Koreaner Einblicke in Design und Innenraum des künftigen 800-Volt-Stromers bei einem dem Serienstand sehr nahen Prototypen gestattet. Wie schon den 2021 eingeführten 5 prägt auch das neue Ioniq-Modell ein Design, das Stile vergangener Epochen mit wie es die Designer nennen "retro-futuristischen Elementen" verbindet. Dabei schlägt der 6 optisch allerdings keine klar sichtbare Brücke zum Schwestermodell, sondern eine deutlich andere Richtung ein. Auch wenn die Technik gleich sein wird, handelt es sich bei Ioniq 5 und 6 um sehr unterschiedliche Typen.
Dass der 6 anders als der Ioniq wird, hat Hyundai bereits 2020 mit der Studie Prophecy vorweggenommen, für die seinerzeit noch Designchef Peter Schreyer verantwortlich zeichnete. Das betont aerodynamisch geformte Limousinen-Konzept findet sich auch im Serienmodell wieder, allerdings in vielen Punkten etwas pragmatischer interpretiert. Dass das Seriendesign etwas nüchterner ausfällt, überrascht nicht. Doch der konsequente Verzicht auf Referenzen zum Ioniq verblüfft dann doch. Der 6 ist eindeutig keine Limousinen-Version des Steilheck-5, sondern ein eigenständiges Statement. Hyundais Global-Designchef Sangyup Lee spricht dennoch von einer Ioniq-Familie, deren Mitglieder allerdings ähnlich wie die Figuren eines Schachspiels sehr unterschiedlich aussehen können. Auch wenn sich König, Dame, Springer oder Läufer deutlich voneinander unterscheiden - so die Analogie zum Schachspiel - bilden sie ein dennoch starkes Team.
Betont dynamisch
Insofern gibt es natürlich Gemeinsamkeiten, durch die sich alle künftigen Mitglieder der Ioniq-Familie auszeichnen sollen. Dazu gehören ein großer Radstand, bedingt durch die E-GM-Plattform mit entsprechend viel Platz für Passagiere, ein Interieur mit nachhaltigen Materialien und Cocoon-Effekt sowie parametrische Pixel im Front- und Heckbereich.

Mit den vielen Lichtpunkten in den Frontscheinwerfern des Hyundai Ioniq 6 gibt es verschiedene Möglichkeiten für animierte Lichtsequenzen.
(Foto: Hyundai)
Wie schon beim Ioniq 5 sorgen die kleinen rechteckigen Leuchtelemente auch beim 6 für einen Wow-Effekt. Das Stummelheck prägt ein durchgehendes Leuchtenband, das sich aus zwei langen Reihen vieler kleiner Rechtecke zusammensetzt. Ein zusätzlicher Leuchtstreifen ziert die Abrisskante des Heckspoilers, während in der diffusorartigen Heckschürze noch senkrecht angeordnet Rück- und Nebelleuchten integriert sind. Das Thema kleiner leuchtender Rechtecke findet sich auch in den Frontscheinwerfern in Form einer Tagfahrlicht-Signatur wieder. Das Lichtdesign des Ioniq 6 ist nicht nur prägnant, mithilfe der vielen kleinen Lichtpunkte ergeben sich zusätzlich verschiedene Möglichkeiten animierter Lichtsequenzen.
Die Außenhaut ist betont aerodynamisch, mit einer sich im großen Bogen spannenden Dachlinie, die bis weit in den kurzen Heckbürzel reicht. Hinzu kommen die mit der Blechhaut bündigen Türgriffe sowie die kleinen Kamerahalter in den Vordertüren, die als windschnittiger Ersatz für die Außenspiegel dienen. Lohn der Mühen ist ein cW-Wert von niedrigen 0,21. Im Vergleich zum kantigen 5 mit 0,29 ist der 6 also deutlich im Vorteil. Nebenbei fällt auf, dass der 6 mit 1,50 Meter weniger flach als der Prophecy ist und außerdem die Türfenster nicht rahmenlos sind. Das sind typische Konzessionen an das Rotstift-Regime in der Großserienproduktion. Der Höhenzuwachs im Vergleich zum Prophecy ist der bei allen Ioniqs gleichen Batteriekonstruktion im Fahrzeugboden geschuldet. Sollen rahmenlose Türen auch auf der Autobahn wenig Windgeräusche machen, wird das laut Hyundai-Designer Simon Loasby für ein Volumenmodell wie dem Ioniq 6 unverhältnismäßig teuer.
Wohnlich-warme Atmosphäre im Innenraum
Mit 4,86 Meter ist der 6 über 20 Zentimeter länger als der 5, sein Radstand fällt mit 2,95 Meter hingegen 5 Zentimeter kürzer aus. Dennoch bleibt der Entfaltungsspielraum im Ioniq 6 vorne und hinten großzügig. Trotz des zum Heck hin abfallenden Dachs bietet der Fond neben viel Bein- auch eine gute Kopffreiheit. Obendrein zeichnen den 6 ein durchgehend flacher Boden sowie in der optionalen Viersitzer-Version eine durchgehende Mittelkonsole aus. Das Interieur gefällt unter anderem mit teilweise aus recyceltem Kunststoff gefertigten Oberflächen, mit einem aufgeräumten Cockpit und einer durch Ambientelicht wohnlich-warmen Atmosphäre.
Und dann finden sich noch ein paar schicke Details wie durchscheinende Paneele, die an die erste Generation des iMac erinnern. Eine andere Besonderheit sind vier Leuchtelemente zentral im Lenkrad. Sie geben ein visuelles Feedback der Spracherkennung und informieren zudem über den Ladezustand. Dank einer Anzeige aus 6 Pixeln in der Fahrzeugfront können den Fortschritt beim Laden auch Außenstehende verfolgen.

Die kompakten Ausleger für die digitalen Außenspiegel sollen den Ioniq 6 windschlüpfiger machen.
(Foto: Hyundai)
Und wie es sich für ein modernes E-Auto gehört, bietet das Cockpit neben den beiden optionalen Monitoren der kamerabasierten Außenspiegel noch zwei 12-Zoll-Displays auf dem Armaturenbrett. Der linke hinterm Lenkrad zeigt vornehmlich fahrrelevante Informationen, der rechts davon befindliche Touchscreen ist für so ziemlich alles andere verantwortlich.
Zur Technik des voraussichtlich zum Jahreswechsel startenden Ioniq 6 sagt Hyundai vorläufig wenig. Doch die E-GMP-Architektur mit 800-Volt-Technik setzt hier enge Grenzen bei Antrieb, Leistung und Batterie. In diesem Punkt wird der 6 dem Ioniq 5 dann doch stark ähneln. Gleiches dürfte auf den Preis gelten, der allerdings sogar etwas niedriger als bei einem vergleichbar motorisierten Ioniq 5 ausfallen könnte.
Quelle: ntv.de, Mario Hommen, sp-x