Hickhack um Volksaktie Bahn ohne Ende
24.09.2007, 09:28 UhrVon Nona Schulte-Römer
Um den Börsengang der Bahn ist ein Dauerstreit entbrannt. Die Verabschiedung des Gesetzes zur Teilprivatisierung der Bahn könnte zwar im November erfolgen. Doch noch sind viele Punkte strittig und zahlreiche Details müssen nachgebessert werden. Größter Stolperstein auf dem Weg in die Marktwirtschaft erweist sich die gesetzliche Vorgabe, dass der Bund sein verfassungsrechtlich gesichertes Eigentum, das Schienen- und Stromnetz, Bahnhöfe und weitere Infrastruktur der Bahn, nicht verlieren darf.
Der dem Bundestag vorgelegte Gesetzentwurf sieht deshalb schon einmal vor, dass private Aktionäre maximal 49,9 Prozent der Anteile am Bahn-Transportunternehmen erwerben können. Der Bund bleibt mit 50,1 Prozent damit größter Anteilseigner am Transportbetrieb und der alleiniger Eigentümer von Infrastruktur- und Netzbetrieben.
Bef ürchtungen und eine mögliche Lösung
Die SPD befürchtet dennoch, dass Großaktionäre den Bund um seinen Einfluss und das Volk um seinen Gemeingut bringen könnten und schlägt darum ein Volksaktien-Modell vor. Die von der Parteilinken angeregte Lösung würde den Bund außerdem aus einer politisch schwierigen Lage befreien: Aus der Position des Hauptanteilseigners lässt sich eine gemeinwohlorientierte Verkehrspolitik nur schlecht verwirklichen.
Die Volksaktie sollte in Form einer Vorzugsaktie an Kleinanleger ausgegeben werden, so dass diese zwar eine sichere Rendite, jedoch kein Mitspracherecht als Aktionäre hätten. Der Bund könnte in Absprache mit der Bahn über sein Bahneigentum verfügen. Solange er den Aktienbesitzern ihre vereinbarte Dividende garantiert, könnte er ungehindert von Aktionärsversammlungen seine verkehrspolitischen Ziele verfolgen.
Die CDU zeigt sich in Sachen Volksaktie kompromissbereit, solange das Modell die Zustimmung der SPD zum Bahngesetz sichert und genug Geld in die Kassen des Bundes bringt, so Hans-Peter Friedrich (CSU), der Bahn-Experte der Unionsfraktion. Gegenüber n-tv.de gab Friedrich jedoch zu bedenken, dass durch die Vergabe von stimmrechtlosen Volksaktien ein wichtiger Vorteil der Bahn-Privatisierung wegfallen würde, nämlich die Kontrolle des Konzerns durch seine Anleger und den Kapitalmarkt. Eine Vorzugsaktie ist "unter Beschaffungsgesichtspunkten schön, aber nicht unter Kontrollgesichtspunkten", so Friedrich.
Bahn will Druck ablassen
Die Befürworter des Konzepts in der SPD rechnen sich aus, dass auch die Bahn mit einer Volksaktie günstiger fahren würde. Die Bahn-Führung ist gegenteiliger Meinung und warnt vor einem erhöhten Renditedruck für den Konzern, falls die Pläne realisiert würden. Für die Volksaktie ist nämlich eine garantierte Dividende von fünf Prozent im Gespräch, während ein "normaler Investor" nur eine Dividende von drei bis vier Prozent erwarte, so der Bahn-Finanzvorstand Diethelm Sack. Darüber hinaus müsste die Bahn eine Kapitalrücklage in achtfacher Höhe bilden. Dies bedeute, dass für die Volksaktie insgesamt eine Rendite von zehn Prozent erwirtschaftet werden müsse. "Das erhöht den Renditedruck", so der Finanzvorstand.
Nach Sacks Angaben besitzen derzeit zwischen 1,9 und 2,5 Millionen Kleinanleger in Deutschland Aktien. Bei diesem Stand müsste nach dem derzeitigen Volksaktienmodell jeder dieser Kleinanleger 200 Bahnaktien zeichnen, erklärte der Finanzvorstand. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis und schließt einen Börsengangs des Milliardenkonzerns ohne die Beteiligung von Großanlegern aus.
Volksaktie unattraktiv
"Das ist ein völlig illusorisches Vorhaben", findet Reinhild Keitel vom Vorstand der SdK im Gespräch mit n-tv.de. "Ernstzunehmende Aktien sollten ein Stimmrecht gewährleisten", so Keitel. Die Diskussion sei schief, letztendlich sei "jede Aktie eine Volksaktie", das geplante Modell mache die Bahnaktien weder besonders sicher noch renditeträchtig. Im Übrigen hält Keitel die Angst des Bundes vor Großaktionären für "völlig überflüssig", da der Staat ja ohnehin per Gesetz zum Mehrheitsaktionär und Eigentümer des Netzes erklärt werden soll. Und nicht zuletzt, so merkt Keitel an, ist es zweifelhaft, ob die deutschen Anleger die Enttäuschungen der Telekomaktie schon verwunden haben und an der Vorzugsaktie überhaupt interessiert wären. "Kleinanleger in Deutschland haben sehr schlechte Erfahrungen mit Volksaktien gemacht und das auch sicher nicht vergessen".
Letztendlich bleibt für den Börsengang der Bahn insbesondere die Frage nach der Trennung von Infrastruktur und Logistik, von Netz- und Transportbetrieben entscheidend. "Wenn da keine saubere Lösung gefunden wird", erklärt Keitel, "wird es schwierig." Sie könne sich das Konstrukt noch nicht vorstellen.
Das Gesetz zur Neuordnung der Bahn wird jetzt im Bundestag diskutiert. Frühestens 2008/2009, wenn alle Rechte und Pflichten von Bund und Bahn vertraglich ausgehandelt und ausgearbeitet sind, ist mit dem Börsengang der DB AG zu rechnen. Der Bundestag wird sich alle Zeit nehmen, die er dazu braucht, erklärt der Unions-Vizefraktionschef Hans-Peter Friedrich.
Quelle: ntv.de