Markus Zschaber Zwei Jahre Krise
03.08.2009, 15:16 UhrZum "schwarzen" zweijährigen Jubiläum der Finanzmarktkrise können aus meiner Perspektive zwei Aspekte festgehalten werden: Zum einen, dass ein Wandel in den Finanzmärkten durchaus zu bemerken ist und zum anderen, dass ein Ende dieser Krise wohl noch nicht ausgerufen werden kann.
Die Basiseffekte, die zuletzt für einen positiven Verlauf an den Aktienmärkten sorgten, dürfen nicht überbewertet werden. Nur, weil die ökonomischen Daten nicht mehr die identische Falldynamik wie zu Beginn des Jahres zeigen, deutet dies noch nicht auf einen neuen Aufschwung hin, da die Daten tendenziell immer noch negativ sind. Rückblickend auf die Krise konnte im Jahr 2007, mit der Liquidation eines milliardenschweren Hedgefonds der US - Bank Bear Stearns, eine erste Erkenntnis über die gravierende Fehlkoordination des globalen Finanzsystems gewonnen werden. Zu diesem Zeitpunkt rechneten allerdings die wenigsten Marktteilnehmer mit einer Eskalation an den Finanzmärkten. Erst im Zuge der sich reduzierenden Aktienkurse bzw. Rohstoffpreise wurde sichtbar, welches Vermögen in, durch die Banken vermeintlich als sicher dargestellten Anlageprodukten, wie zum Beispiel in Zertifikaten, angelegt war. Viele Privatanleger bekamen zu spüren, wie ihr Vertrauen ausgenutzt wurde.
Durch den rasanten Verfall der US - Immobilienpreise und dem daraus resultierenden massiven Wertverlust von sogenannten hypothekargesicherten Schuldverschreibungen, mussten außerdem als Geldmarktfonds getarnte Vehikel teilweise massive Verluste von über 40 Prozent hinnehmen. Die zahlreichen Abschreibungen (1.650 Mrd. US-Dollar) durch die weltweiten Banken sorgten nicht nur für eine Vertrauenskrise zwischen dem Privatanleger und seinem Banker, sondern auch zwischen den Bankinstituten untereinander. Keine Bank vertraute einer anderen Bank mehr, so dass der so wichtige Interbankenhandel, welcher den "Blutkreislauf" des ökonomischen Prozesses darstellt, nahezu zum erliegen kam. Die mangelnde Liquidität führte schlussendlich zur Pleite der viertgrößten Investmentbank der USA - Lehman Brothers. Leider wurde durch die US-Notenbank und die US-Regierung nicht einkalkuliert, welche schwerwiegenden Folgen diese Insolvenz mit sich bringen würde. Die Problematik war, dass die Banken noch weniger Vertrauen zu einander hatten, so dass für ein Überleben schnellstmöglich Maßnahmen seitens der Finanzinstitute ergriffen wurden, um eine andere Liquiditätsquelle zu finden. Alles, was sich in liquidierbaren Mitteln und Wertpapieren in ihren Portefeuilles befand, wurde an den Finanzmärkten veräußert. Daraufhin reagierten die Aktienmärkte, die Währungsmärkte, die Rohstoffmärkte, die Metallmärkte, die Anleihenmärkte, die Geldmärkte und die Kreditmärkte mit einem hohen Preisverfall. Dieser beschleunigte sich nochmals, als auch Hedgefonds und Private Equity - Firmen versuchten, schnellstmöglich ihre Assets zu liquidieren.
Die Finanzmarktkrise spitzte sich rasant zu und wie in so vielen Krisen zuvor wurde Gold als das Kriseninvestment schlechthin ausgerufen. Deutsche Goldhändler konnten sogar zeitweise weder Goldbarren noch Goldmünzen liefern. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte sich auch wirklich niemand vorstellen, dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nur durch eine Staatsgarantie auf die Ersparnisse der Bevölkerung eine "Plünderung" des deutschen Bankenapparates verhindern konnte. Paradoxerweise konnte anschließend, im Oktober 2008, ein regelrechter Run auf die Tagesgeldkonten der Banken festgestellt werden. Die Devise der Anlegerschaft war zu diesem Zeitpunkt ganz simpel - sicher und liquide - musste die Anlage sein. Durch die massiven Problematiken des Finanzmarktes wurde auch die Falldynamik des ökonomischen Leistungsprozesses markant intensiviert. Die industrialisierten Volkswirtschaften glitten im vierten Quartal 2008 und im ersten Quartal 2009 in eine schwere Rezession ab. Die Weltwirtschaftskrise war entstanden. Nur der Einsatz der führenden Regierungen in aller Welt sowie die Liquiditätsschwemme der größten Notenbanken sorgten für eine gewisse Stabilisierung der Finanzmärkte und der ökonomischen Prozesse. Weltweit wurden seitens der Regierungen 4.350 Milliarden US-Dollar an Investitionspaketen geschnürt, um der globalen Rezession entgegenzutreten.
Grundsätzlich bewerte ich in meinen globalen ökonomischen Strukturanalysen das Marktverhalten als sehr differenziert, da auf der einen Seite Frühindikatoren bereits eine Stabilisation der weltweiten Wirtschaftsleistungen erkennen lassen, auf der anderen Seite immer noch eine Vielzahl an sogenannten "harten" Belastungsfaktoren existieren, die einen zeitnahen, nachhaltigen und dynamischen Aufschwung einschränken sollten.
Die besagten Frühindikatoren wie z.B. die ZEW-Konjunkturerwartungen oder er Ifo-Geschäftsklimaindex signalisieren eine gewisse positive Charakteristik zukünftiger Wachstumsimpulse, was jüngst durch verschiedene Daten in Bezug auf das Auftragsvolumen auch entsprechend bestätigt wurde. Zudem kann gemessen werden, dass sich der sogenannte "Stress" an den Finanzmärkten, welcher zum Zeitpunkt der Lehman - Pleite im Herbst des vergangenen Jahres ungefähr das fünffache Niveau, im Vergleich zum Durchschnitt der letzten 20 Jahre, zeigte, wieder in Richtung eines normalisierten Niveaus entwickelt. Allerdings erkennen wir, anhand der Struktur des Marktes und dessen Preisverhalten, eine hohe lineare Abhängigkeit zu den besagten Frühindikatoren, so dass bei einer gewissen Enttäuschung dieser Daten mit hohen Schwankungen gerechnet werden kann.
Außerdem zeigen die Refinanzierungskanäle in den realwirtschaftlichen Prozessen, dass die Banken derzeit eine sehr zurückhaltende Position auf den Kreditmärkten einnehmen. Genau dieser Prozess wird in der Volkswirtschaftslehre als Transmissionsmechanismus bezeichnet. Bei diesem wird eine Krise, welche auf den Finanzmärkten beginnt, zunehmend auch in der Realwirtschaft widergespiegelt.
Es beginnt in der Regel mit dem negativen Verlauf der Aktien- und Rohstoffmärkte sowie einer Reduktion der Nachfrage- und Investitionsdynamik. Diese Entwicklung führt dazu, dass sich die Bilanzen von Unternehmen sowie die der Banken in einem sukzessive verschlechternden Bild präsentieren, was zum einen zu einem Anstieg der Finanzierungskosten, zum anderen zu einer höheren Falldynamik der Investitionen führt. Aus der Sichtweise des Konsumenten ergeben sich zum einen rückläufige Vermögenseffekte, zum anderen negative Liquiditäts- und Vertrauenseffekte, die wiederum einen Rückgang der Konsumaktivität bedeuteten und schlussendlich, in Kombination mit den negativen Unternehmenseffekten, Belastungen für die Weltwirtschaft entstehen lassen.
In der Quintessenz kann somit nach meinen ökonomischen Erkenntnissen zusammengefasst werden, dass der Faktor Liquidität die Märkte zwischen März und Juli dieses Jahres antrieb. Vorraussetzung diesbezüglich war, dass die Anlegerschaft deutlich risikofreudiger wurde, was dazu führte, dass die besagte Liquidität teilweise zurück an die Aktienmärkte strömte. Diese Liquiditätsströme sind ein Spiegelbild der aktuellen irrationalen Phase des Marktes und ich bin der Überzeugung, dass sich ein Großteil des Marktgeschehens in einem ineffizienten Zyklus befand und immer noch befindet.
Ihr Markus Zschaber
Markus C. Zschaber ist leitender Fondsmanager der V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft (www.zschaber.de) in Köln. Nach seinem BWL-Studium ließ er sich in den USA bei der Chase Manhattan Bank zum Fondsmanager ausbilden und kehrte danach wieder zurück in seine Wahlstadt Köln. Bereits mehrfach ausgezeichnet für sein Portfoliomanagement, zuletzt als "Bester Fondsverwalter 2008"durch den "Handelsblatt-Elite-Report", kennen ihn die n-tv-Zuschauer seit 1997 als Experte unter anderem in der Telebörse, dem Investment-Check, Börse@n-tv oder dem Geldanlagecheck. Zwei seiner Fachbücher konnten Leser bereits in den Bestseller-Listen finden, zuletzt das Buch "Der Börse voraus" als Gemeinschaftsproduktion mit dem Nachrichtensender n-tv.
Quelle: ntv.de