Stefan Riße Drachme oder Euro?
10.05.2011, 16:36 UhrDer Euro ohne die Griechen. Geht das überhaupt? Die Diskussionen kochen hoch, aber eine einfache Lösung scheint es nicht zu geben. Das sagt Finanzmarktexperte Stefan Riße.
Noch am Freitag nach dem Treffen einiger EU Finanzminister und Europa-Zentralbank-Chef Jean-Claude Trichet in Luxemburg kam das Gerücht auf, Griechenland wolle die Eurozone verlassen und die Drachme wieder einführen. Trotz umgehender Dementis seitens der griechischen Regierung kam es zu einem weiteren Rutsch des Euro bis auf 1,43 Dollar.
Seitdem wird nun diskutiert, ob ein solcher Austritt überhaupt möglich wäre, was es für den Euro heißen, ob es den Griechen denn überhaupt helfen und was es für die griechischen Schulden bedeuten würde. Ganz unterschiedlich und nicht immer logisch sind die Kommentare, so dass ein wenig Klarstellung von Nöten ist.
Ist es überhaupt möglich, dass Griechenland, oder irgendein anderes Land aus der Währungsunion ausscheidet?
De jure nein, de facto ja. Zwar sieht der Maastricht-Vertrag den Austritt eines Landes nicht vor, doch diejenigen, die so argumentieren, vergessen, dass alle Teilnehmerländer souveräne Demokratien sind. Und wenn sich die Regierung eines dieser Länder für den Austritt entscheidet, gibt es am Ende keine militärische Macht, die es davon abhalten könnte.
Da ist der Unterschied zur innerdeutschen Währungsunion der einzelnen Bundesländer. Hätte noch zu D-Mark-Zeiten der Ministerpräsident eines Bundeslandes eine eigene Währung einführen wollen, wäre er durch die Bundesregierung beziehungsweise die Justiz in letzter Konsequenz auch mit Gewalt daran gehindert worden. Doch Brüssel verfügt nicht über derartige Möglichkeiten.
Was würde dies für den Euro bedeuten?
Die Angst geht um, dass das Ausscheiden eines Landes zum Zusammenbruch der gesamten Währungszone führen würde. Für diese Vermutung existiert jedoch gar kein Grund. Es ist am Ende die Entscheidung einer jeden einzelnen Regierung, eine nationale Währung wieder einzuführen, oder nicht. Je besser ein bereits ausgetretenes Land mit dieser Variante fährt, desto größere Anziehungskraft dürfte diese Option haben. Am Ende könnte vielleicht nur ein Kern von Hartwährungsländern übrig bleiben.
Würde es den Griechen helfen?
Vor allem hier meinen viele Volkswirte, dass es die Situation nur verschlimmern würde. Das halte ich für falsch. Mit Ausnahme von Irland ist das Hauptproblem der meisten schwächelnden Euro-Länder nämlich nicht die Verschuldung, sondern die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit.
Durch die Einführung der Gemeinschaftswährung bekamen die Spanier, Portugiesen und Griechen so tiefe Zinsen wie sie sonst nur wir Deutschen wegen der stabilen D-Mark kannten. Dies lud zur Aufnahme größerer Schulden ein, und heizte so die Nachfrage an, zu sehen an den Immobilienpreisen und in der Bauwirtschaft. In Spanien beträgt die Verschuldung der Privathaushalte mitllerweile 170 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Ein Wert, den selbst die Amerikaner bisher nicht erreicht haben.
Dieser jahrelange verschuldungsbedingte Boom sorgte in den genannten Ländern zu Beginn unseres Jahrtausends für Wachstumsraten, von denen wir Deutschen nur träumen konnten. In der Folge stiegen die Inflationsraten deutlich schneller als bei uns. Die Folge ist ein massiver Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Wegen der gemeinsamen Währung kann diese nicht mehr durch eine Abwertung der eigenen Währung wieder hergestellt werden, wie dies in Zeiten des europäischen Währungssystems möglich war.
Würden die Griechen, oder eines der anderen Problemländer die eigene Währung wieder einführen, wäre diese Möglichkeit wieder gegeben. Alles aus Griechenland wäre dann wahrscheinlich auf einen Schlag um mindestens 30 Prozent günstiger, während ausländische Produkte, die nach Griechenland exportiert würden, teurer und weniger wettbewerbsfähig wären.
Einzige Alternative hin zur Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit, wäre eine Umkehr des Prozesses und damit künftig deutlich höhere Inflationsraten in den Hartwährungsländern der Eurozone, als in seiner Peripherie. Deshalb glaube ich, dass Inflation nicht nur eine Folge, sondern eine Notwendigkeit für einen Erhalt der Eurozone in Ihrer heutigen Form ist.
Was würde ein Austritt aus der Eurozone für die griechischen Schulden bedeuten?
Hier gibt es zwei Möglichkeiten. Die Griechen würden einen Schuldenschnitt machen, jedoch nicht indem sie einfach nur einen Teil der Schulden begleichen würden, wie es derzeit immer wieder diskutiert wird. Sie würden einfach statt in Euro in teilweise entwerteter Drachme zurückzahlen, jedoch sicher nicht zur Freude der Gläubiger - und mit der Folge hoher Drachme-Zinsen.
Die zweite Alternative wäre eine Rückzahlung in Euro, was aber sehr schwer sein dürfte, da bei einer Abwertung der Drachme, die Euro-Schulden in Relation zum Bruttoinlandprodukt noch viel höher wären. In diesem Fall hätten die Gläubiger keinen Schaden und die Reputation Griechenlands wäre wieder hergestellt.
Der Austritt eines Landes aus der Währungsunion wäre also nicht das Ende der Welt und auch nicht des Euro, selbst wenn es kurzfristig an den Märkten sicher zu Verunsicherung führen würde. Aktuell steht dies aber sicher nicht auf dem Plan. Die Gerüchte vom Freitag dürften gehaltlos sein. Die derzeitige Regierung in Griechenland hat sich dem Verbleib in der Eurozone und den Sparmaßnahmen verschrieben.
In Zukunft ist ein Austritt aber durchaus möglich, und zwar nicht nur in Griechenland. Die vollen Auswirkungen der Sparpakete, die den Ländern aufgeladen wurden, wird die Bevölkerung erst in den kommenden Monaten zu spüren bekommen. Und sie werden jahrelang spürbar sein. Doch wie erwähnt, sind alle Länder souveräne Demokratien. Und Regierungen, die der Bevölkerung derartige Entbehrungen abverlangen, sind abwählbar.
Ich halte es daher für sehr wahrscheinlich, dass in manchen betroffenen Länder Oppositionsparteien den Wählern einreden werden, die Gemeinschaftswährung sei an allem Schuld und mit dem Slogan "Raus aus dem Euro“, bei kommenden Wahlen die Mehrheit erringen werden. Der tatsächliche Austritt dürfte dann die Konsequenz sein.
Aus Sicht des deutschen Anlegers ergibt sich hieraus jedoch zunächst kein Handlungsbedarf. Ein Ausscheiden schwacher Länder würde den Euro à la long eher stärken. Griechische Anleihen und auch die anderer Peripheriestatten bleiben langfristig weiter gefährdet, kurzfristig rechne ich jedoch nicht mit irgendeinem Zahlungsausfall oder einer Umschuldung. Die Eurozone hat sich erst jetzt wieder klar zur Währungsunion bekannt und eine Umschuldung Griechenlands kategorisch ausgeschlossen. Die Regierungschefs werden daher mutig weiter gegen die Marktkräfte kämpfen und die Stellung noch einige Zeit verteidigen.
Stefan Riße ist Finanzmarktexperte und durch seine langjährige Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender n-tv bekannt.
Quelle: ntv.de