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Sommerhitze in Washington Fed steuert ins Ungewisse

Es ist Sommer in Washington. 27 Grad Celsius - 80,6 Grad Fahrenheit. Nach zwei Jahren Finanzkrise leeren sich zu dieser Jahreszeit endlich auch einmal wieder die Büros im Eccles Buildings, dem Hauptquartier der US-Notenbank, wenige Gehminuten von Weißem Haus und Lincoln Denkmal am Fluss Potomac gelegen. Bevor die Notenbanker aber nach dem Kraftakt der Rettung des Finanzsystems Pause machen dürfen, steht noch die Sommersitzung des FOMC auf dem Programm.

Nach Einschätzung von Beobachtern besteht für die Notenbanker am Mittwoch kein Änderungsbedarf in ihrer geldpolitischen Ausrichtung. Angesichts der wachsenden Anzeichen für eine moderate - aber keineswegs dynamische - Konjunkturaufhellung und mäßiger Inflationsrisiken wird die Federal Reserve ihren Leitzins im Korridor zwischen 0,00 und 0,25 Prozent belassen, heißt es einhellig am Markt. Auch eine weitere Aufstockung der Wertpapierkäufe wird nicht erwartet. Gleichzeitig wird die Fed allenfalls zurückhaltend auf die im kommenden Jahr notwendige "Exit-Strategie" verweisen.

"Insgesamt dürfte die Fed so lange an der Seitenlinie bleiben, bis abzusehen ist, ob auf eine konjunkturelle Belebung im nächsten Jahr ein erneuter Wachstumseinbruch oder ein fortgesetzter Aufschwung folgt", sagt Bernd Weidensteiner, der die Geldpolitik der Fed für die Commerzbank unter die Lupe nimmt.

Ohne Zweifel mehren sich die Anzeichen für eine echte Erholung - gut zwei Jahre nach Beginn der Turbulenzen, die sich von einem noch relativ überschaubaren Beben am Hypothekenmarkt zur größten Weltrezession seit 80 Jahren ausweiteten. Bereits im zweiten Halbjahr könnte die Wirtschaft der USA wieder wachsen und die globalen Finanzmärkte sind in einem erkennbar besseren Zustand als noch vor kurzem. Notenbank-Chef Ben Bernanke und seine Crew haben also keinen Grund, noch einmal nachzulegen. Abwarten und Tee trinken - nach zwei Jahren im Krisenmodus kehrt langsam wieder so etwas wie Alltag ein.

Freundliche Konjunktursignale

Die jüngsten Konjunkturindikatoren haben bestätigt, dass sich die Rezession in den USA dem Ende zuneigt. Das US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im zweiten Quartal nur noch um 0,25 Prozent gegenüber dem Vorzeitraum geschrumpft (annualisiert: 1,00 Prozent). Indikatoren wie der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe notieren nahe der Expansionsschwelle und der seit Monaten währende Beschäftigungsrückgang hat sich im Juli kräftig abgeflacht. Besonders erfreulich waren zuletzt auch die Daten vom US-Häusermarkt, wo sich eine echte Wende abzeichnet.

Die gute Entwicklung - gepaart mit dem Abklingen der Finanzkrise - hat sich deutlich im US-Aktienmarkt widergespiegelt: Der Dow-Jones-Index notierte in den ersten Augustwochen auf dem höchsten Stand seit November 2008. Die expansive Geld- und Fiskalpolitik zeigen damit ihre Wirkung, ebenso dürfte die US-Wirtschaft in jüngster Zeit vom beginnenden Aufschwung der Weltwirtschaft profitiert haben.

Allerdings sind die meisten Ökonomen noch weit davon entfernt, in Konjunktureuphorie zu verfallen: Zwar erwarten Banken wie Goldman Sachs für das zweite Halbjahr BIP-Wachstumsraten von annualisiert 3,0 Prozent, aber schon 2010 wird sich die wirtschaftliche Dynamik demnach wieder in Richtung 1,5 bis 2,0 Prozent Wachstum abschwächen.

Krisenknick oder "Double Dip"

Noch dominiert die Einschätzung, dass die weitere Konjunkturentwicklung nicht "V"-förmig verlaufen wird, sondern eher einem langgezogen "U" oder vielleicht sogar einem "L" entsprechen wird. Allerdings erwarten nur große Pessimisten, dass es zu einer "Double Dip"-Rezession kommt.

Für die Fed sollte die jüngste Entwicklung bei ihrer Sitzung am 12. August immerhin ausreichen, um in ihrem Statement eine konjunkturelle Aufwärtsbewegung oder zumindest das Ende des Abschwungs zu konstatieren. Zugleich dürfte die Fed weiterhin an der Einschätzung festhalten, dass die Inflationsrisiken in den USA gegenwärtig recht gering sind.

Vor diesem Hintergrund sollte sie wie in den vergangenen Erklärungen an dem Passus festhalten, dass die Fed Funds Rate noch für einen längeren Zeitraum auf dem derzeit außergewöhnlich niedrigen Niveau beibehalten werden könne.

Dollar-Kur zum Entgiften

Mit Blick auf die diversen Programme des "Credit Easing", darunter die Fed-Käufe von US-Treasuries und die Käufe von hypothekenbesicherten Anleihen, sind wie beim Leitzins keine Änderungen zu erwarten. So dürfte die US-Notenbank noch bis September US-Staatsanleihen kaufen; dann sollte das vorgesehene Volumen von 300 Mrd. Dollar aufgebraucht sein. Der Kauf von hypothekenbesicherten Papieren über insgesamt 1,425 Billionen Dollar dürfte noch bis Jahresende fortgesetzt werden.

Angesichts der Tatsache, dass wohl keine Ausweitung der "CE"-Programme mehr erforderlich ist, rückt mehr und mehr die Frage ins Zentrum, wann die Fed die massiv geschaffene Krisenliquidität wieder absorbieren will, um möglichen Inflationsgefahren und Finanzmarktblasen vorzubeugen. Zwar hat Fed-Chef Ben Bernanke die Gestaltung einer geldpolitischen "Exit-Strategie" bereits recht deutlich skizziert, über den Zeitpunkt für den Ausstieg hat er aber noch keine Worte verloren - verständlich, angesichts der bestehenden Konjunkturunsicherheiten.

Dennoch gehen Fed-Beobachter wie etwa UBS davon aus, dass die US-Notenbank ab der ersten Jahreshälfte 2010 damit beginnen wird, die monetäre Basis langsam wieder zurückzuführen. Eine zinspolitische Wende wird allerdings nicht vor der zweiten Hälfte des kommenden Jahres erwartet. UBS rechnet dabei bis Ende 2010 mit einer moderaten Anhebung des Fed-Leitzinses auf 1,0 Prozent. Etwas über das Ziel hinaus schießen hingegen die Akteure an den Terminmärkten, die dann - beispielsweise gemessen am CME Euro/Dollar-Future - ein doppelt so hohes Zinsniveau sehen.

Die Fed geht früher in die Kurve

Notenbanker wären nicht Notenbanker, wenn sie nicht mahnend den Finger heben würden. Schließlich sind es vor allem die Konjunkturspritzen der Regierung, die den USA einen ruhigen Sommer bescheren könnten. "Noch ist nicht abzusehen, ob die Wirtschaft nicht nur vorübergehend von diesen Effekten profitiert und Anfang des nächsten Jahres einen neuerlichen Schwächeanfall erleidet", fasst Experte Weidensteiner zusammen.

"Was das Bankensystem betrifft, warnt die Fed seit einiger Zeit vor Risiken der steigenden Zahlungsausfälle beim Gewerbeimmobilienmarkt."
Bleibt nach wie vor die Frage offen, wie und vor allem wann die Notenbanker auf die Bremse treten. Wie und wann wollen sie das viele Geld, das sie als Gegengift gegen Finanzkrise und Rezession verabreicht haben, wieder absaugen, damit kein Inflationsschub auf mittlere Sicht droht. Mit Zinserhöhungen, so die allgemeine Meinung der Auguren, ist vorerst sowohl in den USA, als auch in Europa, nicht zu rechnen. Die EZB wartet ab und beobachtet, ob die von ihr gegen die Krise ergriffenen Maßnahmen ausreichend wirken.

"Die US-Notenbank, die seit der Lehman-Pleite sehr viel mehr Liquidität in den Markt gepumpt hat als die EZB, dürfte dagegen früher unter Druck geraten, das Ruder herumzuwerfen, sofern sich die Konjunktur tatsächlich erholen sollte", sagt Heinrich Bayer von der Postbank. Er kann sich ab dem Frühjahr 2010 eine "erste vorsichtige Zinserhöhung" vorstellen.

Quelle: ntv.de, mmo/dj/rts

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