Markus Zschaber, V.M.Z. Wachstum und Enttäuschung in Europa
16.11.2009, 10:25 UhrNach den jüngsten vermeldeten Daten für das Bruttoinlandsprodukt der Europäischen Währungsunion kann festgehalten werden, dass die Eurozone im dritten Quartal dieses Jahres aus technischer Sichtweise die schwerste Rezession seit dem zweiten Weltkrieg vorerst überwunden hat. Das Bruttoinlandsprodukt konnte nach den ersten Schätzungen des europäischen Statistikamts um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal zulegen. Nach meinen analytischen Kenntnissen über das angesprochene Zahlenwerk erkenne ich durchaus eine gewisse Expansionsdynamik im verarbeitenden Gewerbe, auch wenn die Lagerinvestitionen nach wie vor kein expansives Bild für Gesamteuropa liefern, was vor allem anhand der Daten für das französische Wirtschaftswachstum zu erkennen ist.
Nicht nur, dass der Wachstumsbeitrag im dritten Quartal mit einem Niveau von 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal eigentlich eher dürftig ausgefallen ist, sondern eben auch, dass die Lagerinvestitionen, welche für eine nachhaltige Expansionsstruktur in einer volkswirtschaftlichen Verfassung, in der sich Frankreich, aber auch nahezu die gesamte Eurozone befindet, sich erneut um 0,1 Prozent reduzierten. Vor allem mit Blick auf die bereits veröffentlichten Daten zur Industrieproduktionen sowie zum verarbeitenden Gewerbe in Frankreich in den letzten Monaten, welche in ihrer Konsistenz sich nicht nur stabilisierten, sondern bereits eine gewisse Dynamik anzeigten, habe ich mir offen gestanden eine höhere Leistungssteigerung des ökonomischen Prozesses versprochen.
Ähnlich beurteile ich die Entwicklung der Anlageinvestitionen, welche aufgrund der nach wie vor negativen Dynamik der Bauinvestitionen im dritten Quartal mit 1,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal sogar stärker sanken als zuvor. Erwartungsgemäß entwickelte sich der private Konsum in Frankreich, welcher aufgrund der Belastungen von beispielsweise ansteigender Arbeitslosigkeit stagnierte, während der Staatskonsum sowie der Außenbeitrag verantwortlich für das positive BIP-Wachstum von 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal waren. Sondereffekte, welche ich in Frankreich erkenne, sind zum einen, dass eventuell im vierten Quartal die Lagerinvestitionen eine eigentlich überfällige positive Dynamisierung erreichen sollten, sowie, dass, nach dem heutigen Stand, die Abwrackprämie auslaufen sollte, was noch zu Vorzieheffekten im Konsum führen sollte. Außerdem sollten sich die Stimmungsindikatoren, welche immer noch ein solides Bild abgeben, weiterhin auf den zwar wackligen, aber dennoch vorhandenen Industrieproduktionszyklus positiv auswirken, so dass ich mit einem BIP-Wachstum in Frankreich im vierten Quartal von 0,6 Prozent ausgehe. Daraus abgeleitet errechne ich einen Rückgang des Wirtschaftswachstums für das Gesamtjahr 2009 in Höhe von minus 2,2 Prozent.
Die Gesamtdaten der Veröffentlichung zu den BIP-Zahlen für das dritte Quartal in diesem Jahr verdeutlichen, dass nur noch Spanien von den größeren europäischen Volkswirtschaften sich weiterhin in einem rezessiven Umfeld befindet, da sowohl Italien, als auch die Niederlande in der jüngsten Datenveröffentlichung ein positives Quartalswachstum vorwiesen, was als Kriterium für das Überwinden einer Rezession angesetzt wird. Frankreich und Deutschland hatten bereits im zweiten Quartal ein positives Quartalswachstum verzeichnet.
Die aktuellen Zahlen belegen, dass die deutsche BIP-Expansion im dritten Quartal um 0,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal zulegte. Mit Blick auf diese Daten, unter Berücksichtigung der schwere und tiefe der Rezession, erwarte ich für das Gesamtjahr 2009 "nur" noch eine Wachstumsrückgang von 4,7 Prozent. Der wichtigste Stabilisierungsbeitrag war meiner Ansicht nach der Lagerzyklus, welcher sich nach wie vor in einem ineffizienten Umfeld in globaler Hinsicht befindet. Nach meinen Analysen steht fest, dass die Lagerniveaus nach wie vor kein expansives Level vorweisen, was auch durch die Kapazitätsauslastung der Unternehmen in den industrialisierten Nationen bestätigt wird. Auf der anderen Seite bestehen Aufträge, welche Investitionsgüter und Vorleistungsgüter primär aus der asiatischen Region verlangen, an denen vor allem die deutsche Exportindustrie derzeit partizipiert.
Sukzessive wurden zwar die Rekordtiefststände in kleinen Schritten verlassen, da die zuvor getätigten Stornierungen bzw. der Auftragseinbruch zwar heftig ausfiel, aber sich partiell doch sehr zeitnahe stabilisierte. Dennoch zeigt das aktuelle Niveau noch keinen neuen Expansionspfad in den meisten Industrienationen. Die realen Auslandsumsätze mit Investitionsgütern konnten zuletzt um 9,4 Prozent sowie die mit Vorleistungsgütern um 4,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal in Deutschland zulegen. Dieser Effekt konnte auch in der deutschen Industrie erkannt werden, wenn auch nur zaghaft, so dass der Exportbeitrag die Stütze des Wachstums war und auch ist. Nach meinen Erkenntnissen gilt die deutsche Bauwirtschaft nach wie vor als eher belastet, so dass für mich fest steht, dass die von den Konjunkturprogrammen erzeugte Stimulation noch nicht gänzlich ausreicht, um die tiefe Rezession im Baugewerbe zu kompensieren. Als interessant empfand ich als Ökonom, dass die Ausrüstungsinvestitionen wieder einen positiven Wachstumsbeitrag lieferten, wobei mit Blick auf die niedrigen Kapazitäten innerhalb der Industrie diese Entwicklung vorerst ein Einmaleffekt sein sollte. Nach meiner Auffassung sollten vor allem die hohen Maßnahmen zur Rationalisierung das entscheidende Credo für diese Entwicklung gewesen sein.
Enttäuschend empfand ich allerdings einmal mehr den privaten Konsum. Das Konsumentenvertrauen weist zwar immer noch aufgrund des noch stabilen Arbeitsmarktes ein solides Niveau auf, dennoch sollten auf gesamtwirtschaftlicher Betrachtung sich die realen Einkommen bereits reduziert haben. Für mich steht fest, dass die deutsche Konjunktur sich in einer zyklisierten Stabilisation befindet und die Struktur als durchaus robust einzustufen ist. Es bestehen immer noch Risse in verschiedenen Industriesektoren, welche noch keinen Aufruf für einen neuen Expansionspfad zulassen. Darüber hinaus müssen mögliche Belastungen durch Zweitrundeneffekte des Wachstumsrückgangs detailgenau beobachtet werden, bevor die Stabilisation auch nachhaltig eine Expansion zu lassen sollte.
Ihr Markus Zschaber
Markus C. Zschaber ist leitender Fondsmanager der V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft (www.zschaber.de) in Köln. Nach seinem BWL-Studium ließ er sich in den USA bei der Chase Manhattan Bank zum Fondsmanager ausbilden und kehrte danach wieder zurück in seine Wahlstadt Köln. Bereits mehrfach ausgezeichnet für sein Portfoliomanagement, zuletzt als "Bester Fondsverwalter 2008"durch den "Handelsblatt-Elite-Report", kennen ihn die n-tv-Zuschauer seit 1997 als Experte unter anderem in der Telebörse, dem Investment-Check, Börse@n-tv oder dem Geldanlagecheck. Zwei seiner Fachbücher konnten Leser bereits in den Bestseller-Listen finden, zuletzt das Buch "Der Börse voraus" als Gemeinschaftsproduktion mit dem Nachrichtensender n-tv.
Quelle: ntv.de