Unterhaltung

Berliner Diversitäts-"Tatort" Auch Clanchefs können schwul sein

Sprengt seine eigenen Klischees: Karow (Mark Waschke).

Sprengt seine eigenen Klischees: Karow (Mark Waschke).

(Foto: rbb/Stefan Erhard)

Eine Partnerin hat Kommissar Karow seit dem Serien-Tod von Kollegin Rubin nicht mehr, dafür seit Neuestem eine Vergangenheit: "Das Opfer" erzählt gleich drei schwule Liebesgeschichten.

Ein arg geschundener Kommissar Karow (Mark Waschke) auf Rachefeldzug, ein brutaler Clanchef mit schmutzigen Geheimnissen und ein heruntergekommenes Lagerhaus in Berlin-Lichtenberg: Die Zutaten für einen krachenden Showdown liegen im neuen Berliner "Tatort" auf dem Silbertablett bereit. Karow ist der Spur von Mesut Günes (Sahin Eryilmaz), dem mutmaßlichen Mörder seines Jugendfreundes Maik Balthasar (Andreas Pietschmann), bis hierher gefolgt. Drogenlabor, Folterkeller, hinter der Stahltür könnte sich alles befinden. Stattdessen: Ein Liebesnest, liebevoll eingerichtet vom Chef des Günes-Clans, auf dem Nachttisch Polaroid-Selfies mit ihm und seinem Liebhaber (Luka Dimic).

Im Vergleich schwach erzählt: Die Rückblenden in Karows Vergangenheit.

Im Vergleich schwach erzählt: Die Rückblenden in Karows Vergangenheit.

(Foto: rbb/Stefan Erhard)

Erst Karows Verzweiflung über den Tod von Partnerin Rubin, dann der mutmaßliche Mord an Kumpel Maik, der als verdeckter Ermittler gegen Günes ermittelte und mit Kugel im Kopf und eingeschnittenen Mundwinkeln als "Verräter" gebrandmarkt im Wald gefunden wird. Schließlich ein Alleingang Marke Himmelfahrtskommando, weil die Chefin (Jasmin Tabatabai) nicht an Karows Version der Geschichte glauben will. In der ersten Hälfte des Films häuft "Das Opfer" jede Menge Krimi- und Thriller-Klischees zusammen. Und räumt dann in der Lagerhaus-Szene mit allen auf einmal auf.

Wildgewordener Cop auf der Suche nach Ärger

Es ist dieser Moment, in dem es Drehbuchautor Erol Yesilkaya schafft zu zeigen, wie tief die jahrelang einstudierten Erwartungshaltungen der Zuschauer im allgemeinen Krimi-Verständnis verankert sind. Das sitzt, genau wie die im Anschluss konsequent erzählten drei schwulen Liebesgeschichten, die am Ende alle miteinander verknüpft sind. Die Direktheit, mit der Regisseur Stefan Schaller all die Knutschereien zwischen Clanchef und Callboy, Callboy und verdecktem Ermittler sowie verdecktem Ermittler und Karow zeigt, wird nicht allen Zuschauern gefallen - umso schöner, dass sich die ARD traut, am Sonntagabend nach dem WM-Finale damit anzuecken.

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Dass es auch nach der Lagerhaus-Szene etwas länger dauert, um die eingefahrenen Muster aufzulösen, zeigt sich etwas später: Karow rempelt sich sturzbetrunken und wütend durch das nächtliche Berlin, ein wildgewordener Cop auf der Suche nach Ärger. Man ahnt, was folgt: "Pass doch auf, wo du hintrittst", wird er schließlich von einem deutlich größeren Mann zur Rede gestellt. "Und was, wenn nicht?", knurrt Karow. Der andere beugt sich herunter, sieht die Verzweiflung in den Augen des Polizisten - und küsst ihn.

Genau diese überraschenden Auflösungen sind es, die "Das Opfer" am Ende zu einem wirklich sehenswerten Film machen - solange man bereit ist, über die schwachen Rückblenden in Karows Jugend gnädig hinwegzusehen.

Quelle: ntv.de

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