Unterhaltung

Sie steht selbst in der Kritik Claudia Roth will Berlinale-Zoff "aufarbeiten"

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Will nun im Nachhinein aufklären: Claudia Roth.

Will nun im Nachhinein aufklären: Claudia Roth.

(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)

Eines steht jetzt schon fest: Die "antisemitischen und israelfeindlichen Äußerungen" bei der Berlinale, von denen etwa Israels Botschafter in Deutschland spricht, werden ein Nachspiel haben. Es werde eine Untersuchung geben, verspricht Kulturstaatsministerin Claudia Roth - und steht derweil selbst am Pranger.

Nach den Reaktionen auf israelkritische Äußerungen während der Abschlussgala der Berlinale hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth eine Untersuchung der Vorfälle angekündigt. "Gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, und dem Berliner Senat, die mit uns die Verantwortung für die Berlinale tragen, werden wir nun die Vorkommnisse bei der Bärenverleihung aufarbeiten", erklärte die Grünen-Politikerin. Unterdessen geraten sie und Wegner selbst wegen ihres Verhaltens während der Filmfestspiele in die Kritik.

So dokumentierte "Tagesspiegel"-Reporter Julius Betschka auf X einen Redeausschnitt des Israelis Yuval Abraham und des Palästinensers Basel Adra, nachdem diese für ihren Dokumentarfilm "No Other Land" bei der Berlinale geehrt worden waren. Die Filmemacher riefen in ihrer Danksagung unter anderem dazu auf, Israel keine Waffen mehr zu liefern und sprachen von einer israelischen Politik der "Apartheid". Abraham forderte zudem ein "Ende der Besatzung" Israels. Die Gräueltaten der islamistischen Hamas am 7. Oktober und die israelischen Geiseln, die sich seither nach wie vor in der Gewalt der Terrorgruppe befinden, thematisierten die beiden hingegen nicht.

Als die Kamera ins Publikum schwenkt, sind auch Wegner und Roth zu erkennen, wie sie dem Gesagten Applaus spenden. Wegner spreche "kaum Englisch", relativiert Betschka in seinem Post. Gleichwohl wolle er auf das "Auseinanderklaffen von öffentlicher Debatte und Reaktion im Saal" hinweisen. Der Applaus passe nicht mit "Handeln und Statements im Nachhinein" zusammen.

Wegner: "Untragbare Relativierung"

Während anderer Reden, die sich kritisch bis feindselig mit Israel auseinandersetzten, sollen die Politiker zwar nicht geklatscht haben. Beobachter und Beobachterinnen werfen ihnen dennoch vor, die Geschehnisse untätig verfolgt, nicht den Platz verlassen oder gar eingegriffen zu haben.

Wegner äußerte sich stattdessen später auf X: "Das, was gestern auf der Berlinale vorgefallen ist, war eine untragbare Relativierung." Und weiter: "In Berlin hat Antisemitismus keinen Platz, und das gilt auch für die Kunstszene." Die neue Berlinale-Leitung müsse sicherstellen, "dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen".

Roth kündigte nun an, es solle untersucht werden, wie die Berlinale ihrem Anspruch, ein Ort für Vielfalt, unterschiedliche Perspektiven und Dialog zu sein, gerecht geworden sei oder nicht. Dabei wolle sie auch klären, "wie zukünftig sichergestellt werden kann, dass die Berlinale ein Ort ist, der frei ist von Hass, Hetze, Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jeder Form von Menschenfeindlichkeit".

Roth will "nötige Schlüsse ziehen"

Die Grünen-Politikerin wurde noch deutlicher: "Die Statements bei der Bärenverleihung der Berlinale am Samstagabend waren erschreckend einseitig und von einem tiefgehenden Israel-Hass geprägt." Es sei "nicht akzeptabel, wenn an einem solchen Abend von den internationalen Filmschaffenden nicht der bestialische Terrorangriff der Hamas auf über tausend friedlich lebende und auch bei einem Festival feiernde Menschen und deren grausame Ermordung angesprochen wird. Und auch kein Wort zu den noch mehr als 130 Geiseln verloren wird, die immer noch in der Gewalt der Hamas sind".

Auch die menschenverachtende Strategie der Hamas, die für das Leid der Zivilbevölkerung im Gaza mitverantwortlich ist, sei nicht benannt worden. "So bei einem internationalen Filmfestival aufzutreten, hilft niemandem, ganz bestimmt auch nicht der Zivilbevölkerung im Gaza", sagte Roth. Die Terrorattacke der Hamas und das Leid der Geiseln sei nur von Festivalchefin Mariette Rissenbeek klar und deutlich angesprochen worden. "Das reicht aber nicht", so Roth. Sie sei bereits mit der künftigen Intendantin Tricia Tuttle, die im April ins Amt kommt, im Gespräch. "Wir werden gemeinsam mit ihr die nötigen Schlüsse aus der Aufarbeitung dieser Berlinale ziehen", sagte Roth. Zugleich dürfe jedoch an der künstlerischen Freiheit und Unabhängigkeit des Festivals nicht gerüttelt werden. "Allerdings geht diese kuratorische Freiheit auch mit einer großen Verantwortung einher."

Prosor: "Handeln Sie jetzt"

Während der Berlinale-Gala am Samstagabend war der Nahost-Konflikt mehrfach thematisiert worden. Zahlreiche Mitglieder aus Jurys sowie Preisträgerinnen und Preisträger forderten verbal oder mit Ansteckern einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg. Der US-amerikanische Regisseur Ben Russell sprach am Ende seiner Dankesrede für eine Auszeichnung von einem Genozid, einem Völkermord.

Diese Äußerungen stießen anschließend auf Kritik und Empörung. Unter anderem kritisierte der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, "antisemitische und israelfeindliche Äußerungen" seien mit tosendem Applaus bedacht worden. "Unter dem Deckmantel der Rede- und Kunstfreiheit wird antisemitische und antiisraelische Rhetorik zelebriert", so Prosor auf X.

Die deutsche Kulturszene rolle den roten Teppich "ausschließlich für Künstler" aus, die sich für "Israels Delegitimierung" einsetzten. Prosor ergänzte: "Ihr Schweigen, sogenannte 'Kultur-Elite', ist ohrenbetäubend! Es ist an der Zeit, Ihre Stimme zu erheben und dieser grotesken Scharade eine Absage zu erteilen. Handeln Sie jetzt, oder seien Sie für immer Teil dieses beschämenden Erbes."

Quelle: ntv.de, vpr/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen