Unterhaltung

Münchner Porno-"Tatort" Das arme Planschbecken

Leitmayr (Udo Wachtveitl) versteht die Pornowelt nicht mehr.

Leitmayr (Udo Wachtveitl) versteht die Pornowelt nicht mehr.

(Foto: BR/ Hagen Keller)

Der Bayerische Rundfunk hat mal wieder Lust auf einen Quotenrekord und dreht einen "Tatort" im Pornomilieu. Der ist nicht nur informativer als die meisten Aufklärungsfilmchen, sondern auch unterhaltsamer.

Sex sells. Und zwar in keinem anderen Land so gut wie in Deutschland: 12,4 Prozent des globalen Pornokonsums findet in der Bundesrepublik statt, statistisch gesehen steuert jeder Deutsche drei Mal pro Monat eine der drei größten Pornowebseiten an. Trotzdem soll es da draußen ja tatsächlich noch Menschen geben, die bei ATM an Geldautomaten denken. Nach dem Genuss von "Hardcore" werden es deutlich weniger sein, garantiert.

Hat bald Sperma von zwei Dutzend Männern im Magen: Luna Pink (Helen Barke)

Hat bald Sperma von zwei Dutzend Männern im Magen: Luna Pink (Helen Barke)

(Foto: BR/ Hagen Keller)

Ganz ohne Mord kommt auch ein Porno-"Tatort" nicht aus, versteht sich von selbst. Deshalb muss die junge Darstellerin Marie aka Luna Pink (Helen Barke) in einem großzügig geschnittenen und ziemlich sterilen Münchner Loft ihr Leben aushauchen. Mit ihr im Raum: ein kleines rotes Planschbecken und das Sperma von 25 Männern. Die Kommissare Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) sind verwirrt: Wie sind die junge Frau und die halbe Samenbank dorthin gekommen? Eine Party, vermutet der junge Kollege. "Unter einer Party verstehe ich Champagner und unbedarftes Tanzvergnügen", antwortet Batic konsterniert. Und als Zuschauer weiß man spätestens jetzt: Vorwissen braucht es für diesen "Tatort" keines.

Der "King of Cumshot" ist ein armseliges Würstchen

Tatsächlich funktioniert die 90-minütige Täterjagd wie eine Schnelleinführung in die stumpfe Welt der Pornografie. Die Kommissare lernen nicht nur die immer abseitiger werdenden Spielarten der modernen Pornoindustrie kennen, sondern auch, dass sich die Branche in einer Abwärtsspirale befindet: Internet killed the pornstar, nur mit immer extremeren Praktiken können sich die traditionellen Produzenten über Wasser halten.

Da gibt es den "King of Cumshot" Sam Jordan (Markus Hering), der sich für einen Bukkake-Künstler hält, eigentlich aber nur ein ziemlich armseliges Würstchen ist. Oder seinen großen Konkurrenten Olli (Frederic Linkemann), der fest daran glaubt, mit seiner Firma "FickFlix" zur Pornoversion von Netflix avancieren zu können, selbst aber nur sehr kleine Brötchen backt. Dass es Regisseur Philip Koch gelingt zu zeigen, dass die schöne bunte Pornowelt so nur in den Vorstellungen heißlaufender Teenagerhirne existiert, ist die große Stärke von "Hardcore". Oder, um es mit Leitmayr zu sagen: "Das ist keine Sternchenwelt. Ein kleiner, spießbürgerlicher Sumpf ist das."

Ein bisschen zu kurz kommt bei diesem Pornotutorial der eigentliche Krimi, richtig spannend ist die Jagd auf Maries Mörder nie so richtig. Dass man auch als Zuschauer erst sehr spät auf den Täter kommt, liegt vor allem an seinem an den Haaren herbeigezogenen Motiv. Die etwas lieblos erzählte Hatz führt schlussendlich auch zu etwas merkwürdigen emotionalen Bindungen: Am meisten Mitleid erzeugt das arme rote Planschbecken, das ganz am Ende noch einmal auftaucht - mitten auf einer Massenorgie, vollgewichst bis obenhin und mangels Luft in sich zusammenfallend, musikalisch begleitet von ohrenzersägendem Industrial Hardcore.

Quelle: ntv.de

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