Preisgekrönt und hochgelobt Der Mann, der Prinz Harrys Memoiren schrieb


Harrys Buch bestimmt seit Tagen die Schlagzeilen, sein Ghostwriter hält sich im Hintergrund.
(Foto: REUTERS)
Über den Inhalt von Prinz Harrys Enthüllungsbuch "Spare" ist inzwischen einiges bekannt. Die Entstehung des Werkes liegt hingegen noch etwas im Dunkeln. Fest steht jedoch, dass Harry Hilfe beim Schreiben hatte. Und das von einer literarischen Größe.
Auf dem Cover von "Spare" prangt groß Prinz Harry, geschrieben hat das skandalträchtige Enthüllungsbuch des Herzogs von Sussex aber ein anderer. Denn natürlich setzte der Windsor-Spross, wie in diesen Fällen üblich und wie zuvor auch schon andere Prominente, auf einen Ghostwriter. Und dessen Name steht nicht auf dem Cover, obwohl es sich um einen durchaus renommierten Autor handelt.
Prinz Harrys Memoiren schrieb niemand anders nieder als JR Moehringer. Der US-Amerikaner ist auch für deutsche Leserinnen und Leser kein Unbekannter. Mit seinem 2005 erschienenen Roman "Tender Bar" hat er auch in Deutschland für beachtliche Verkaufszahlen gesorgt.
Dem Journalisten Moehringer gelang mit dem Roman der Wandel zum literarischen Autor. Vor "Tender Bar" hatte er nach einem Yale-Abschluss zunächst als Reporter für verschiedene Zeitungen gearbeitet. Schon Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre bewies er, dass er eine gute Geschichte nicht nur erkennt, sondern auch aufschreiben kann. Seinen Durchbruch hatte er 1997 mit einem Artikel für die "Times" über den Boxer Bob "Bombardier" Satterfield, der in den 1950er Jahren eine Legende und in den 1990er Jahren obdachlos ist. Im Jahr 2000 gewann er den Pulitzer-Preis für seinen Artikel "Crossing Over" über die wachsenden Spannungen in einer kleinen, von Rassentrennung geprägten Gemeinde in Alabama, nachdem dort eine Fähre eröffnet wurde.
Gespräche wie eine Psychotherapie
Seitdem widmet er sich immer wieder seinen eigenen Stoffen, ist aber auch Ghostwriter. Dass er auch dann, wenn er für eine andere Person schreibt, mit vollem Einsatz dabei ist, bewies er 2009. Damals arbeitete Moehringer mit Andre Agassi für dessen Memoiren "Open" zusammen. Der Autor zog nach Las Vegas und sprach insgesamt etwa 250 Stunden mit Agassi. Um die selbstzerstörerischen Anteile in der Persönlichkeit der Tennislegende zu verstehen, las Moehringer Sigmund Freud und Carl Gustav Jung. Am Ende sollen sich Agassi und der Autor in Settings unterhalten haben, die eher an Psychotherapie als an Recherche erinnern.
Das Ergebnis dieser intensiven Zusammenarbeit begeisterte Kritiker und Publikum gleichermaßen. Moehringer betonte danach immer wieder, dass "Open" Agassis Memoiren sind und nicht seine oder ihre gemeinsamen. Einige der besten Passagen des Buches stammten demnach fast Zeile für Zeile aus Transkripten. Er und Agassi seien den endgültigen Text immer wieder durchgegangen, "manchmal Wort für Wort".
RTL und ntv haben sich die Senderechte am 72-minütigen Interview mit Prinz Harry vom britischen Sender ITV gesichert. Das Gespräch wird heute noch einmal in voller Länge bei ntv in einem "News Spezial: Harry - Das Interview" um 23.30 Uhr zu sehen sein.
2016 schrieb Moehringer dann für den Nike-Gründer Phil Knight "Shoe Dog". In den Memoiren nimmt die Nike-Gründungsgeschichte ebenso viel Raum ein, wie die mutigen Erinnerungen von Knight an seine eher schwächeren Momente als Manager. Moehringer wurde die Magie zugeschrieben, den bis dahin äußerst zurückhaltenden Knight für die Welt spannend und sichtbar gemacht zu haben.
Intensive Arbeit am Text
Es ist sicher nicht allzu sehr spekuliert, anzunehmen, dass sich der Autor für die Memoiren des Herzogs von Sussex ähnlich viel Mühe gemacht haben wird. Immerhin trat Prinz Harry mit dem erklärten Ziel an, endlich seine Sicht der Dinge zu erzählen. Dafür dürfte er in dem Autor, dessen Erstling seine autobiografische Geschichte des Kindes einer alleinerziehenden Mutter und eines abwesenden Vaters ist, ein spannendes Gegenüber gefunden haben. Medienberichten zufolge soll Moehringer für seine Ghostwriter-Arbeit eine Million US-Dollar erhalten haben.
Es wird vermutet, dass Schauspieler George Clooney den Prinzen und den Autor miteinander bekannt gemacht hat. Clooney hatte bei der "Tender Bar"-Verfilmung 2021 Regie geführt. Er und seine Frau Amal galten zumindest eine Zeit lang als befreundet mit Harry und dessen Frau Meghan, nachdem sie 2018 an der Hochzeit des Paares in Großbritannien teilgenommen hatten. Moehringer hat sich zu seiner Autorenschaft an "Spare" bisher nicht geäußert. Im Zusammenhang mit den Agassi-Memoiren sagte er der "New York Times": "Die Hebamme geht nicht mit dem Baby nach Hause."
Henry Charles Albert David, Duke of Sussex, genannt Harry, hat mit Moehringer jedenfalls einen Ghostwriter gefunden, der sich bestens mit zerrütteten Familienverhältnissen auskennt, wie die FAZ schrieb. Der britische "Telegraph" vermutete sogar, dass die Kombination aus Harry und Moehringer am Ende dafür sorgt, dass "dieses Buch tatsächlich etwas zu sagen hat". US-Medien gehen davon aus, dass der gesamte Text zwischen dem Autor und seinem Ghostwriter mehrmals hin und her ging, nicht zuletzt, um nach dem Tod der königlichen Großmutter Elizabeth Aussagen zu präzisieren.
Es braucht keine tiefenpsychologische Analyse, um sich vorzustellen, wie Harry und Moehringer über ihre engen Beziehungen zu ihren Müttern miteinander ins Gespräch kamen. Moehringer hatte seiner alleinerziehenden Mutter in "Tender Bar" ein Denkmal gesetzt, Harry verlor seine Mutter Diana als Zwölfjähriger bei einem Autounfall und ist seitdem durch den Verlust gezeichnet. In den Danksagungen bezeichnet Prinz Harry den Bestsellerautor als "meinen Mitarbeiter, Freund, Beichtvater und manchmal Sparringspartner". Der "Spectator" glaubt, Moehringers Einfluss ist gar nicht groß genug einzuschätzen, nicht nur in der amerikanischen Schreibart der 232 Kapitel, sondern vor allem im Erzählbogen der Harry-Memoiren.
Dem berührendem Prolog über den kindlichen Harry, der vom Tod der Mutter erfährt, folgen Coming-of-Age-Jahre mit Schul- und Armeezeit bis hin zur großen Liebesgeschichte mit seiner jetzigen Frau Meghan. Wie diese Sätze aufs Papier gekommen sind, wird man vermutlich nicht erfahren. 2012 sagte Moehringer NPR über den speziellen Prozess, einer Person als Ghostwriter zu dienen: "Man versucht, in ihre Haut zu schlüpfen, und obwohl man in der dritten Person denkt, schreibt man in der ersten Person, sodass die Prozesse spiegelbildlich zueinander sind, aber sie scheinen sehr ähnlich zu sein." Es wäre spannend zu lesen, wie es sich anfühlt, Prinz Harry zu sein, vielleicht in einem Roman.
Quelle: ntv.de