Berlin bejubelt Elizabeth II. Die Queen, oberste Diplomatin und Idol
24.06.2015, 17:34 Uhr
Die Berliner sind in royaler Hochstimmung.
(Foto: AP)
Die Queen besucht Berlin und versetzt die Menschen in Erstaunen. Die royale Begeisterung in Deutschland ist so groß wie nie - und das ist ihr Verdienst. Kritiker würden Elizabeth II. gerne in Rente schicken, doch die Briten lieben sie.
Fahnen werden durch die Luft geschwenkt, eine Schulklasse trällert die britische Nationalhymne und begeisterte Royalisten lächeln: Queen Elizabeth II. besucht Berlin. Hunderte Schaulustige wollen einen Blick auf die vermutlich berühmteste Monarchin der Welt werfen und das gelingt wesentlich besser als gedacht. Vor dem Schloss Bellevue haben sich Zuschauer eingefunden, die den Auftritt der Queen sehen wollen. Es geht hier nicht nur darum, zu schauen, was die Königin trägt oder in welchem Auto sie vorfährt - es geht um mehr.
Bei ihrem Deutschlandbesuch ist die 89-Jährige keine einfache Touristin, die sich die Attraktionen der Stadt ansieht und sich bejubeln lässt, nein, sie ist die oberste Repräsentantin ihres Landes, das momentan über einen Austritt aus der Europäischen Union debattiert. Bei ihrer Bootsfahrt mit Bundespräsident Joachim Gauck und ihrem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfte es deshalb sicherlich um mehr als ums Händeschütteln und Plaudern gegangen sein.
"Die Oueen steht über allem", meint Gabrielle, ein royaler Fan, und schwenkt vor dem Schloss Bellevue die britische Flagge. Sie repräsentiere etwas, das man in der heutigen Zeit nicht mehr habe: Glanz, Disziplin und Humor. "Wenn man sich unsere Politiker anschaut, wünsche ich mir manchmal eine Monarchie. Eine Königin oder ein König wäre mir tausendmal lieber als unser Bundespräsident. Herr Gauck würde niemals so die Massen mobilisieren wie die Queen", so die Royalistin.
Konstanz in turbulenten Zeiten
Elizabeth II. verkörpert eine Konstante in der britischen Geschichte. Seit 63 Jahren sitzt sie auf dem englischen Thron und trotzt den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Zwölf Premierminister haben sich ihr vorgestellt. Mit jedem von ihnen hat sie wöchentlich eine Korrespondenz geführt, um sich über die wichtigsten Ereignisse und politischen Entscheidungen in Großbritannien auf dem Laufenden zu halten. Auch heute noch trifft sie sich einmal in der Woche mit David Cameron zu einem Gespräch. Politischen Einfluss soll sie dabei nur in Ausnahmefällen ausgeübt haben.
Sie pflegt einen zurückhaltenden Stil. Genau dafür verehren die Briten ihre Königin, und auch immer mehr Deutsche verfallen der royalen Begeisterung. Während ihrer Bootsfahrt auf der Berliner Spree ist das Ufer gesäumt von Menschen, die verzückt winken, als Elizabeth II., ihr Gemahl Prinz Philip, Bundespräsident Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt im offenen Boot vorbeifahren. Das Polizeiaufgebot ist groß, aber dezent. Man kann die Königin tatsächlich ganz in Ruhe betrachten. Sie winkt freundlich zurück und überstrahlt in ihrem weißen Mantel das graue Wetter in der Hauptstadt.
Queen geht in Familiengeschichte ein
Die royale Euphorie steigert sich bei einigen sogar so weit, dass die Königsfamilie Einzug in ihren Alltag hält. Nadine will mit ihrer Tochter die Queen "unbedingt einmal live sehen". Pippa, so der Name der Vierjährigen, bewundert besonders die herrschaftliche Krone der Königin, die diese jedoch nur einmal jährlich zur Parlamentseröffnung trägt. Die Hochzeit von Kate und Prinz William, dem Enkel von Elizabeth II., hat die Familie nachhaltig beeinflusst, und besonders eine Person ist Nadine zu diesem Anlass so sehr im Gedächtnis geblieben, dass sie sogar ihr Kind nach ihr benannt hat: Philippa "Pippa" Middleton, die Schwester von Herzogin Kate.
Auch bei der Kranzniederlegung an der Neuen Wache dürfen die Berliner die Queen ganz aus der Nähe betrachten. Überhaupt scheinen die Sicherheitsvorkehrungen in der Stadt nicht sehr aufwendig zu sein: Kaum hat der königliche Wagen die Straße verlassen, werden sämtliche Sperrungen sofort aufgehoben. Anders würde es die Queen auch nicht wollen, denn sie mag es nicht, andere warten zu lassen oder dafür verantwortlich zu sein, wenn andere ihretwegen nach getaner Arbeit nicht pünktlich nach Hause kommen.
Doch auch Kritiker finden an diesem Tag Gehör. Vor dem Schloss Bellevue hat sich eine kleine Gruppe an Demonstranten eingefunden, die sich für die Rechte der Aborigines, der australischen Ureinwohner, einsetzt. Friedlich halten sie ihre Banner hoch, als der Bentley der Queen, den sie Tage vor ihrem Berlin-Besuch einfliegen ließ, an ihnen vorbeifährt. Hier und da hört man zwar Kommentare zum "Imperialismus" aus der jubelnden Menge - für die Briten ist ihre Königin allerdings eine unverzichtbare Institution. Formal hat die Queen zwar keine Macht in den sechzehn Staaten des Commonwealth, doch sie ist stets als Diplomatin und Repräsentantin Großbritanniens unterwegs. Sie liebt ihr Volk - und das liebt sie.
Quelle: ntv.de