Zum 31. Mal Wärme & FreundschaftEinmal Gans mit Zander, bitte
Von Sabine Oelmann, Hotel Estrel
Er ist der Weihnachtsengel mit den blaugetönten Brillengläsern, er umarmt, tröstet, baut auf: Wenn Frank Zander Bedürftige zum Weihnachtsessen ins Berliner Hotel Estrel einlädt, dann kommen alle. Bedient werden die Gäste, wie immer, von Prominenten bis zum Bürgermeister.
Sänger Frank Zander hat heute wieder - zum 31. Mal - sein traditionelles Weihnachtsessen für obdachlose und bedürftige Menschen veranstaltet. Rund 2000 Gäste waren im Estrel-Hotel in Neukölln, wie der 83-Jährige und Sohn Marcus mitteilten. Neben dem festlichen Gänseessen und Geschenken sorgte ein Bühnenprogramm für Unterhaltung, das diejenigen, die sonst nicht viel zu feiern haben, teilweise zum Tanzen aus ihren Stühlen riss. Mit dabei: die Band Atemlos, Annemarie Eilfeld, Mitch Keller, Nino de Angelo und Nicole. Weihnachtslieder, die Hits von Queen und Modern Talking schallten durch den riesigen Saal.
Zander, um dessen Gesundheitszustand man sich in den letzten Jahren immer mal wieder Sorgen machen musste, wirkt fit und vital, sprach mit allen und jedem und jeder, mischte sich unter seine Gäste, die wissen, was sie an ihm haben. Und zwar einen, der im wahrsten Sinne des Wortes zu ihnen hält: Er umarmt, hat keine Berührungsängste, alle wollen ein Foto mit ihm, er lächelt geduldig und ist der coolste Profi mit dem größten Herzen unter der Sonne.
Family-Affair
Seit langem ist es nicht nur Frank Zander, der am Eingang steht und die Leute begrüßt und drückt, nicht selten mit Tränen in den Augen auf beiden Seiten: Die meisten sagen "Danke", manche schüchtern und verschämt, manche klopfen ihm auf die Schuler, manche trauen sich nicht, einige können nicht. Diejenigen, die volle Teller raustragen und die (meist) leeren wieder abräumen, spüren und hören aber, dass da ein ganzer Saal für einen Moment ein kleines bisschen glücklicher ist. Frank Zander ist der Mann, der sie seit 1995 nicht vergisst. Nicht über sie hinwegsieht. Sie nicht ignoriert.
Diese sehr besondere Gänsesause ist mittlerweile eine Familienangelegenheit: Sohn Markus und Enkel Elias sind dabei, und die ganze Wahlverwandtschaft eben auch.
Darf's ein bisschen mehr sein?
Zahlreiche prominente Kellner banden sich wieder die Schürzen um, und von Schauspielern, über Sängerinnen und andere Berliner Prominenz vergessen sogar die anwesenden Politiker ihre parteipolitischen Konflikte für einen Nachmittag: Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner, Ex-Bürgermeisterin Franziska Giffey, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke, Linken-Urgestein Gregor Gysi, Hertha-Präsident Fabian Drescher, Entertainer Wolfgang Lippert, Boxweltmeister Artur Abraham, der noch etwas schüchterne SPD-Spitzenkandidat Steffen Krach, Dieter Hallervorden, Thomas Heinze, Florian Langenscheidt und unzählige weitere Helfer servieren Gänse, Klöße, Rot- und Grünkohl, bis auch die Letzten wirklich satt sind.
Wem das alles zu viel ist, der bringt seine Tupperdose mit, um die Reste mitzunehmen für den nächsten Tag, oder andere, die auch nicht viel haben oder nicht kommen konnten. Oder für die Haustiere, denen es auch richtig gut gehen soll. Ganz oben auf der Agenda steht natürlich immer wieder die Frage, wie wir es schaffen können, dass es gar nicht erst so viele Obdachlose und Bedürftige in der Stadt gibt. Aber das wäre ein anderer Text.
Kostenlose Haarschnitte und Futter für Tiere
Für die Gäste gibt es außerdem Geschenke, unter anderem Schlafsäcke, Hygiene-Artikel, Spielzeug für die Kinder, Kleidung und bei Bedarf Tiernahrung. Friseurin Petra Biernoth und weitere 20 Kollegen haben den Gästen kostenlos die Haare geschnitten und vielen somit auch ein Stück Würde zurückgeschenkt.
Die Emotionen liegen in diesen Stunden immer wieder blank. Frank Zander, von vielen seiner Gäste, die nicht zu ersten Mal da sind, "Franky" genannt, wird als Freund betrachtet. Hier und da fließen auch mal Tränen - und das nicht nur, weil im Ballsaal des Hotels geraucht werden darf. Die Menschen sind an diesem Nachmittag glücklicher als sonst: Die, die etwas bekommen, und die, die etwas geben können und sich bewusst machen, dass Nächstenliebe eigentlich etwas ganz einfaches ist. Vor allem zu Weihnachten.
Alle wollen helfen
Die Einladung zum Fest erfolgt über rund 80 Berliner Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe. Unterstützt wird die Aktion von zahlreichen freiwilligen Spendern und Helfern, die dieses Jahr wieder ausgelost werden mussten, so groß ist der Andrang: Es gab rund 750 Anmeldungen. Zwei Tage vor Heiligabend nicht nur an den eigenen Kreis zu denken, sondern im wahrsten Sinne des Wortes über den eigenen Tellerrand zu blicken - das ist unbezahlbar.
Bitte spenden Sie
Frank Zander und seine Familie haben eine Stiftung gegründet, sie rufen weiterhin zu Spenden auf. Das heißt, wer helfen will, kann das auch außerhalb dieser Veranstaltung tun, denn helfende Hände werden überall und jederzeit, auch abseits von Weihnachten - gebraucht. Deutschlandweit finden, dank Zanders unglaublich beherztem Vorbild, inzwischen auch viele andere Weihnachtsfeiern für Obdachlose statt.