"Ein Album, nicht mein Tagebuch" Ganz viel von und über Anna Loos
09.09.2023, 19:54 Uhr Artikel anhören
Das Leben ist schön!! Und wenn nicht, dann macht Anna Loos es sich ein bisschen schöner.
(Foto: Olaf Heine)
Ich treffe Anna Loos in einem Studio, kurz zuvor war sie als Gast beim Podcast von Barbara Schöneberger. Überall stehen frisch gebackene Waffeln herum, klar, bei "Mit den Waffeln einer Frau" geht's ans Eingemachte. Anna und ich mampfen also genüsslich Waffeln bis mir einfällt, dass ich ja noch immer intervallfaste. "Wie lange willst du das noch durchziehen?" fragt Anna mich, ich antworte mit vollem Mund: "Noch schwei Wochen." Von durchziehen kann ja nun keine Rede mehr sein, ich habe es schlicht vergessen. Egal. "Ach, dieses Intervallfasten, das kann man doch immer so zwischendurch machen", sagt Anna. "Ja", versuche ich mich zu rechtfertigen, "aber jetzt hatte ich es mir eben ganz besonders vorgenommen. So ein Mist." Wir lachen. Und essen weiter.
Man kann Situationen einfach nicht mit Wegrennen oder Vermeiden lösen, man kann sich ihnen eigentlich nur stellen. Und dann muss man sich da durchwursteln und dann wird es auch gut. Warum Anna Loos ihren Alltag liebt, ihr Leben, Musik und Essen, aber auch die Schauspielerei, und was das alles mit Brackwasser und Prinzessinnen zu tun hat, das erzählt sie ntv.de.
ntv.de: Eigentlich wollen wir gar nicht übers Essen reden ...
Anna: Ja, aber Sonnenblumenkerne sind cool für zwischendurch, und Kürbiskerne. Wenn man was knabbern will. Und nimmst du Hafer- oder Kuhmilch? Oder Erbse?
Hafer, nur im Kaffee Kuh. Wie sehr achtest du denn auf deine Ernährung? Wenn du auf Tour gehst zum Beispiel, so was ist ja anstrengend.
Also, für's Fitsein mache ich Sport, das brauche ich einfach. Aber bei mir kann es auch passieren, dass ich mal drei Kilo drüber bin, weil ich einfach zu viel mit Freunden oder meinem Mann essen war. Dann kommt ein schöner Wein dazu ... Das geht bei mir nicht mehr so spurlos vorüber (lacht). Dann sage ich mir, okay, ich mach jetzt 5:2 - also ich trink an fünf Tagen nicht und an zwei Tagen trinke ich einen Wein oder auch mal ein Glas Champagner oder so, aber ich trinke einfach nicht jeden Tag Alkohol. Das hilft bei mir schon total. Und vielleicht lass' ich mein Frühstück auch mal lieber weg.
Kein Alkohol ist natürlich immer gut, finde ich manchmal gar nicht so einfach.
Das finde ich irgendwie nicht so schlimm. Bei mir geht es mehr ums Essen, ich esse einfach gerne, vor allem Süßes.
Lässt du das vor allem dann sein, wenn ein Ereignis ansteht, wie der Deutsche Filmpreis zum Beispiel? Da hattest du ein sehr schönes Kleid an, sehr figurbetont.
Kann ich gar nicht so konkret beantworten. Also an dem Abend, das war wirklich ein sehr schönes Kleid. Und weil ich denke, an so einem Abend ist insgesamt alles so schön, sollte man da auch ein tolles kleid anziehen! Tatsächlich waren an diesem Abend viele echt festlich angezogen. Superschön.
Wann ist das Leben schön für dich?
Das Leben ist immer schön! Das ist sozusagen die große Überschrift für mich. Also, zu leben ist schön. Da zu sein ist schön. Dieses Leben zu haben ist schön, und zwar mit allem, was dazugehört. Also nicht nur, wenn alles läuft, wenn keiner Widerworte gibt, wenn alles genauso ist, wie man sich das vorstellt. Das sind ja eher so die Zeiten, die ein bisschen wie Brackwasser sind.
Brackwasser?
(lacht) Ja, da ist nicht so viel Bewegung drin, ein bisschen süß, ein bisschen salzig. Meinetwegen auch wie rosarote Zuckerwatte, ein Lächeln im Gesicht. Für mich ist das Leben tatsächlich schön. Das ist aber eine Erkenntnis, die ich erst gewonnen habe, als ich ein bisschen älter wurde. Wenn viele Steine vor mir liegen, also Probleme oder wie auch immer man das nennen will, dann weiß ich, dass ich lebe. Ich brauch' diese (zögert, lacht), sorry, diese Kackhaufen vor mir geradezu. Und ich begrüße sie mittlerweile auch, weil das für mich bisher immer Momente waren, wo ich mich als Mensch weiterentwickeln konnte. Das kann man in der rosaroten Zuckerwatte-Wolke ja nicht. Und deshalb habe ich diese Kackhaufen-Momente zu Freunden gemacht. Und ich habe auch gelernt, meine Schwächen so wertzuschätzen, dass ich am Ende das Gefühl habe: Vielleicht sind das gar nicht so große Schwächen, vielleicht gehören die manchmal sogar zu meinen Stärken.
Was wäre denn so eine Schwäche von dir?
Andere sehen das ja meist besser (lacht). Aber Ungeduld ist zum Beispiel eine Schwäche von mir. Die ist wirklich schlimm. Ich bin unglaublich ungeduldig. Aber irgendwann zwischendurch nehm' ich mir dann wieder Zeit. Mal wieder nur für mich. Das habe ich mit 20 in meinen Sturm- und Drangzeiten nicht geschafft. Erst später konnte ich hin und wieder mal so ein bisschen auf mich selbst gucken. Und dann habe ich gemerkt okay, diese Ungeduld, die ist auch was Gutes. Ein kleiner Quälgeist zwar, der mich aber in Bewegung hält und der mich neugierig macht und mir ganz viel Energie zur Verfügung stellt. Und deshalb liebe ich diese Ungeduld auch. Früher habe ich die immer gehasst, das war wie ein Bremsklotz für mich. Heute sage ich zu mir: "Ja, guck mal, da ist sie wieder, deine Ungeduld. Aber kannst du die nicht irgendwie in was Positives umwandeln?" (lacht)
Kommst du deinem jüngeren Ich dann wieder näher?
In gewisser Weise glaube ich jetzt, wo meine Kinder so langsam erwachsen werden, schon. Also ich merke, dass ich immer noch der Jeans- und Turnschuh- und T-Shirt-Typ bin, aber ich merke eben auch, dass ich wieder Lust habe, mehr Frau zu sein. Und dass dieses Muttersein sich so ein bisschen aus der Mitte meines Lebens rausschiebt. Ganz langsam.
Die Pubertiere werden groß, ...
... ja, und endlich kommen die eigenen weiblichen Attribute wieder zum Vorschein, ich hab' auch wieder mehr Lust drauf. Auch mehr Zeit, mehr Raum. Man muss nicht mehr so praktisch sein (lacht). Diese Zeit, wenn man als Frau Kinder kriegt und die großzieht, die ist schon echt intensiv und beschäftigt einen. Das ganze Gehirn ist einfach besetzt davon. Ich war gefühlt in so einem Dauerzustand, und jetzt merke ich "hey, ich habe nur noch ein Kind zu Hause". Die schlimmste Phase der Pubertät ist auch schon durch und irgendwie wird alles cool.
Wir könnten jetzt ewig über Kinder sprechen, über Schule, sinnvolle Auslandsaufenthalte, was das mit uns macht, mit den Kids, aber wir kommen - wegen Zeitdrucks - mal lieber zu deinem Album. Ich habe ein paar Lieblingslieder.
Welche denn?
"Regenwahrscheinlichkeit", "Für immer", "Steine auf meinem Glück" und natürlich "Das Leben ist schön".
Ja, also ist das Leben nicht schön?
Meist schon, wenn man Glück hat. Wie gehst du ran an diese Texte?
So, dass möglichst viel von mir drin streckt. Für dieses Album habe ich mir gedacht, ich gucke mich mal so ein bisschen um, was ich interessant finde. Und einer der interessantesten Punkte für mich ist es, im Leben angekommen zu sein, als Frau. Glaube ich. Also, weil dieses Modell Muttersein wie gesagt so langsam ausläuft und sich mir die Frage so ein bisschen aufdrängt: Was kommt danach? Theoretisch bin ich, glaube ich, in so einem Alter, wo man auch alles komplett neu anfangen kann. Es würde sich ja noch lohnen.
Na logo!
Ja, aber ich merke auch, dass ich mich in eine beoachtende Position begegen habe. Ich schaue zum Beispiel Jan Josefs Tochter, die etwas älter ist als unsere gemeinsamen Kinder, dabei zu, wie sie jetzt erwachsen wird, ihre ersten eigenen Steps macht und auch Erfolge einfährt. Aber auch Misserfolge. Ich bin immer eine Anlaufstelle, die Kids können immer zu mir kommen, das wissen die. Deshalb sind sie auch, glaube ich, mutig im Rausschwimmen. Ich habe für das Album halt gesagt: "Okay - mich interessieren eigentlich vor allem meine Gefühlslagen, die von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt vorhanden sind. Und mich interessieren die Geschichten, die mich dahin gebracht haben, wo ich jetzt bin, und die will ich so ein bisschen beleuchten. Ich mache das ja immer so beim Songschreiben, dass ich meine Geschichten nehme und die komprimiere, bis sie in Songs passen. Und dann können die Leute ihre eigenen Geschichten da rein projizieren. Weil das das ist, was mich an der Musik so fasziniert: Dass ich einen Song höre, und dass ich etwas finde, was da angetriggert wird. Und dann wird das zu etwas Persönlichem: Mit dem Gefühl des größten Glücks, aber auch mit dem Gefühl des größten Schmerzes. Und das, was ich da reingepackt hab', und dem, was andere für sich da rausziehen können, wenn sie möchten, wird es dann am Ende sehr persönlich. Weil es mein Leben ist.
Merkt man. Als Musiker kann man ja alles gut über Texte rauslassen, sich befreien ...
Ja, aber wir dürfen nicht vergessen: Es ist ein Album. Nicht mein Tagebuch (lacht). Ich habe zwar so eine Kladde, da schreibe ich vieles auf. Und als ich überlegt habe, wie gehe ich dieses Album an, habe ich gedacht okay, ich brauch' die Geschichten, die bei mir möglichst starke Gefühle ausgelöst haben. Und die hab' ich dann angefangen aufzuschreiben. Ein paar haben sich herauskristallisiert, die mich wirklich interessieren. Die habe ich wie eine Kurzgeschichte aufgeschrieben, aber in Gedichtform. Und dann habe ich mir überlegt, dass ich einen Perspektivwechsel vornehme. Wenn ich fertig war mit so einem Text, habe ich gespürt, dass ich mich leichter gefühlt habe. Also ja, es ist ein bisschen wie Selbsttherapie (lacht). Es relativiert die Sachen nicht, aber es hat mir total geholfen, die Dinge von der Seite der anderen zu betrachten, und das war cool. Als ich das realisiert hatte, hatte ich "Das Leben ist schön" auch schon geschrieben.
Du bist der Typ Mensch mit dem stets halbvollen und nicht mit dem halbleeren Glas, oder?
Ich würde sagen, ich bin so ein Typ, der immer mit viel Zuversicht in Sachen geht. Also mir ist vollkommen egal, wie dunkel es jetzt gerade ist - ich sehe immer ein kleines Licht von Zuversicht.
Bist du ein Alltagsfreund?
Ich liebe es, wenn mein Alltag schön ist, wenn der normale Tag schön ist und ich einfach denke, ich gehe jetzt nach Hause und halte es da sehr gut aus. Ich glaube, den Alltag muss man sich so gestalten, dass man keinen Urlaub braucht, um daraus zu fliehen. Der Urlaub ist für mich eher für Entdeckungen da, Sachen und Momente, die mich inspirieren. Ich brauch' das, dass ich mich in meinem Alltag wohlfühle. Wenn ich Stress habe, dann werde ich den ja nicht los, bloß weil ich gerade in Spanien hocke. Man kann Situationen nicht mit Wegrennen lösen, man kann sich ihnen eigentlich nur stellen. Und dann muss man sich da durchwursteln und dann wird es auch gut. Wenn man immer wegrennt, dann wird es nicht gut.
Wenn man Urlaub als Wegrennen benutzt, dann wird man nichts los, stimmt.
Ich glaube, dass man sich dann gar nicht erholen kann, weil das Unterbewusstsein es ja eh weiß.
Wie gehst du mit blöden Paparazzi-Geschichten um?
Gar nicht (lacht). Man kann mich durchaus dabei fotografieren, dass ich mit meinem Mann vor der Tür stehe und "streite".
Das könnte jedem anderen auch passieren ...
... genau, und wenn da einer schreibt, hui, die streiten sich, dann kann ich nichts machen, auch wenn es noch so belanglos war. Und ja, schwierig wird es, wenn man so einen Rechtfertigungsdruck verspürt. Aber wir sagen uns , dass es völlig egal ist. Was die Leute über mich schreiben, berührt mich nicht. Ich glaube, das muss man als Mensch, wenn man mit der Öffentlichkeit zu tun hat, entscheiden: Verstellt man sich in der Öffentlichkeit, wenn man zum Beispiel eine Meinungsverschiedenheit hat, oder macht man es einfach wie alle anderen und streitet sich dann auch mal? Also ich finde nicht, dass ich mich verstellen muss in der Öffentlichkeit. Ich möchte das nicht. Und natürlich gibt es Situationen, wo wir diskutieren und natürlich sind wir uns nicht immer einig. Aber ich weiß ja, dass ich eine tolle Partnerschaft habe.
Klatsch und Tratsch geht also an dir vorbei?
Interessiert mich Null. Aber es gab mal einen Moment, da bin ich mit meinen Kindern in den Urlaub geflogen, sie waren noch ganz klein, und da stand in irgendeiner Zeitung, dass wir uns mal wieder scheiden lassen oder weiß der Geier was. Die Kinder waren total unglücklich, weil sie das am Flughafen gesehen haben, dort, wo wir uns nur ein Wasser kaufen wollten. Da war der halbe Urlaub gelaufen. Weil wir den Kindern erklären mussten, dass das ja alles nicht stimmt, was in der Zeitung steht. Seitdem haben wir versucht, sie besonders darin zu bestärken, nicht so viel auf das Äußere zu geben, sondern auf die Basis zu vertrauen und an das zu glauben, was sie haben und können. Vor allem, falls sie Künstler werden wollen (lacht).
Ich persönlich finde es wahnsinnig beruhigend zu wissen, dass Anna Loos und Jan Josef Liefers ein normales Paar sind und nicht den ganzen Tag nur das "Schatzi, Hasi, Mausi"-Programm läuft. Das würde mich nervös machen.
Verstehe, was du meinst. Man hat trotzdem auch ein Recht auf Privatsphäre, finde ich. Ich muss nicht jede Zeitung immer auf dem neuesten Stand halten, wie mein Privatleben aussieht.
Natürlich. Ich zumindest möchte - auch - Bücher lesen, Filme sehen und Musik hören über meine Generation, über Frauen in meinem Alter. Ich möchte wissen, wie die anderen klar kommen.
Seh' ich genauso. Es gibt gerade zwei Sachen, die mich umtreiben, erstens: Dinge, die ich an meinem Alter festmachen kann, also: Wie geben wir Frauen, die älter werden, mehr Stimme und Gewicht, denn sie sind immer noch sehr klug und sexy und auch kaufkräftig und produktiv und so irre bei sich. Und wie schaffen wir es, dass diese Frauen nicht unsichtbar werden?
Zum Beispiel in Film und Fernsehen?
Ja, aber auch überall, in der Kultur, in der Industrie ... Es gibt nur wenige gute Rollen.
Helen Dorn zum Beispiel.
(lacht) Ja, meine coole Kommissarin, die habe ich selbst mitenwickelt. Junge Frauen sollen sehen, dass da noch mehr ist als kochen und Kinder und einkaufen. Und jetzt entwickeln Jan Josef und ich gerade einen Stoff. Wir gehen am Ende des Jahres übrigens auf Lesereise, weil wir auch gesagt haben, wir wollen die Leute spüren. Wir lesen aus Nick Hornby.
Und haben endlich Zeit zusammen ....
Wir führen ja eine Langzeitbeziehung. Eine Langzeitbeziehung ist eine richtig krasse Reise. Mit Kindern, mit allem, was dazugehört. Wenn man Lust hat auf diese Reise und Lust hat, sich als Mensch weiterzuentwickeln, dann muss man auch Lust haben, sich mit anderen Themen zu beschäftigen. In Büchern geht das, da gibt es ganz viele tolle Welten - und das zu lesen, da habe ich großen Spaß dran.
Warum gibt es solche Stoffe nicht häufiger im Theater? Im Film?
Wie gesagt, wir entwickeln gerade so eine Serie, weil wir gesagt haben, es interessiert uns, das zu spielen, was uns entspricht. Also ein Paar mit den Problemen, die ein Alltag mit sich bringt, Patchworkfamilie, das ganze Programm.
Klingt gut.
Was ich mich vor allem aber frage: Wie kann es sein, dass man Kindern keine größere Lobby gibt? Ich find's wirklich krass, dass Kinder in unserem Land gar keine Stimme haben und frage mich, wie man es schaffen könnte, eine Lobby aufzubauen. Eine, die sich nur um die Rechte von Kindern kümmert.
Also #MeToo für Kinder, gute Idee. Ich kenne Leute, die steigen aus dem Fahrstuhl aus, wenn eine Frau einsteigt, oder ein Kind. Um dort dann nicht allein mit dieser Person zu sein.
Also, ich bin eine total emanzipierte Frau, aber ich liebe es, wenn mein Mann mir die Tür aufhält oder mir einen schweren Koffer abnimmt. Und ich möchte das auch. Ich will Prinzessin sein (lacht). Ich finde es genauso wichtig, wie emanzipiert zu sein.
Und das Alter? Macht das was mit dir?
Ich hab' vor kurzem irgendwo ein cooles Foto von Isabel Huppert gesehen, wie sie in Cannes über den roten Teppich läuft und jemandem zuzwinkert: Darunter steht "Sexy mit 70" oder so. Yes! Genau so!! Frauen wie sie oder auch Iris Berben zum Beispiel, die sind einfach cool, schön und schlau. Aber bis das alle bemerkt haben, haben wir noch eine Menge zu tun.
Am 15. September startet Annas Tour, Karten gibt's hier.
Mit Anna Loos sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de