Musiker wird 65 Jahre alt Herbert Grönemeyer bleibt ganz der Alte
12.04.2021, 10:28 Uhr
Herbert Grönemeyer feiert seinen 65. Geburtstag.
(Foto: Oliver Berg/dpa)
Seit gut 40 Jahren steht Herbert Grönemeyer nun schon erfolgreich auf der Bühne. Seine Karriere verlief zu Beginn schleppend, aber heute ist er einer der wichtigsten Künstler Deutschlands. Jetzt feiert der gebürtige Göttinger seinen 65. Geburtstag.
Wer oder was ist Herbert Grönemeyer? Sänger? Schauspieler? Dichter? Er ist alles in einer Person, mehr noch. Sein Erfolg als vielseitiger Künstler ist ungewöhnlich. Heute wird dieses Phänomen, das seit fast 40 Jahren sein deutschsprachiges Publikum so umfassend unterhält, 65 Jahre alt. Das Haar ist lichter geworden, das Gesicht etwas voller und das Doppelkinn ausgeprägter, ansonsten ist er ganz der Alte.
"Ich komm ja aus dem Ruhrgebiet", sagte Grönemeyer einmal in einem Interview mit der "Zeit". Dort habe er seine "maßgeblichen Lebensthemen und Lebenszeilen kennengelernt. Ich würde sicher nicht dorthin zurückziehen, aber mich als Kind des Ruhrgebiets bezeichnen. Bis heute."
In der Tat ist Bochum eine der wichtigsten Lebensstationen des Herbert Arthur Wiglev Clamor Grönemeyer, so sein voller Name. Er wurde zwar in Göttingen geboren, ist aber in Bochum aufgewachsen, wo sein Vater als Bergbauingenieur gearbeitet hat. Hier machte er sein Abitur und studierte an der Bochumer Ruhr-Universität einige Semester Musik- und Rechtswissenschaften (ohne Abschluss).
Sein vierter Vorname Clamor stammt von der lateinischen Vokabel "clamor" ("Ruf", "Schrei") ab. Bei dieser Wahl haben seine Eltern eine gewisse Weitsicht bewiesen. Herbert Grönemeyer wurde Sänger und machte Musik mit Jungs aus dem benachbarten Wattenscheid, später mit der Bo-Band des Bochumer Schauspielhauses.
Erfolg ließ auf sich warten
Der Beginn verlief zäh. Die ersten drei Alben verkauften sich zäh, das vierte, "Gemischte Gefühle", immerhin 250.000 Mal. Zu wenig, befand seine Plattenfirma und feuerte ihn. Dann hatte Herbert Grönemeyer einen Einfall, der sich als Königsidee erweisen sollte. Er wechselte das Label - und besang seine Heimat.
"Die EMI hat mich damals aufgenommen, als Intercord mir gekündigt hatte und meinte, ich sollte das ganz lassen mit dem Singen", sagte er der "Zeit". "Dann kam ich zur EMI ausgerechnet mit 'Bochum', wo die doch denken mussten: O Gott, er hat schon keinen Erfolg, jetzt singt er auch noch über Bochum! Das kauft schon in Wanne-Eickel keiner mehr."
Grönemeyer hatte über Bochum nichts Sensationelles zu besingen, im Gegenteil: "Du bist keine Schönheit, vor Arbeit ganz grau." Doch die Ehrlichkeit des Textes hat Millionen ergriffen, die Verkaufszahlen des Albums "4630 Bochum" gingen durch die Decke (2,9 Mio., Nummer eins in den Charts).
Auch jedes der folgenden zehn Alben (bis 2018) war mehrfacher Spitzenreiter in den deutschen Hitparaden, das Album "Mensch" verkaufte sich mehr als 3,62 Millionen Mal. Insgesamt hat Herbert Grönemeyer mehr als 17 Millionen Tonträger verkauft. Damit ist er der erfolgreichste zeitgenössische Musiker Deutschlands. Hits wie "Männer", "Flugzeuge im Bauch", "Kinder an die Macht", "Was soll das?" und "Mensch" kennt fast jeder, insofern könnte man ihn als Volkssänger im besten Sinne des Wortes bezeichnen.
"Konsonanten in all ihrer verdammt ehrlichen Härte"
Seine kehlige Stimme ist ein Alleinstellungsmerkmal. Das hat die "Süddeutsche Zeitung" so beschrieben: "Herbert Grönemeyers Markenzeichen ist dieses konsonantische Singen: Vokale möglichst kurz hervorstoßen, Konsonanten in all ihrer verdammt ehrlichen Härte ausstellen. So dass ihm die Wörter beim Singen wie kleine Winterkartoffeln aus dem Mund kollern: nahrhaft, hart und erdverbunden. Wobei das bei ihm anders klingen würde, eher so: Hartmwind. Nll Kmprmsse!"
In diesem Sinne besingt er metaphernhaft den "Schffsvrkhr" auf einem Album, das natürlich "Schiffsverkehr" heißt. Da wird der Text "rausgepresst, als würde er die Stimmbänder nachts in einer Roth-Händle-Packung einlegen." Man fragt sich, wie kann ein gelernter Schauspieler so undeutlich singen?
Die Antwort ist: Herbert Grönemeyer hat nie eine Schauspielschule besucht. Mit seinem Schulfreund Claude-Oliver Rudolph ging er nach der Schule ans renommierte Schauspielhaus Bochum. Rudolph wurde Schauspieler, Grönemeyer zunächst Pianist, ab 1976 musikalischer Leiter.
"Das Boot" brachte Schauspiel-Durchbruch
Zur Schauspielerei brachte ihn der Bühnenregisseur Joachim Breen. Das Naturtalent Grönemeyer arbeitete mit Theatergrößen wie Peter Zadek und Claus Peymann, er spielte in TV-Filmen mit und hatte seinen Durchbruch - übrigens mit seinem Kumpel Claude-Oliver Rudolph - in einer Hauptrolle in "Das Boot" von Wolfgang Petersen. Besonders einfühlsam spielte er den Komponisten Robert Schumann in "Frühlingssinfonie".
Er ist in erster Linie Musiker geblieben, hat allerdings auch beide Genres verknüpft und Filmmusiken für internationale Produktionen komponiert wie für die Thriller "The American" mit George Clooney oder "A Most Wanted Man" mit dem 2014 verstorbenen Philip Seymour Hoffman.
Ein Erfolgsgarant für die künstlerische Karriere sind auch die eindringlichen, manchmal sogar poetischen Texte, die von der Kritik bisweilen belächelt werden, für die ihn aber sein Publikum vergöttert. Herbert Grönemeyer hat ein instinktives Gespür für Stimmungen, vor allem wenn er eigene Gefühle beschreibt. "Du bist das Himmelbett für Tauben", dichtet er über Bochum. Und in "Mensch" singt er: "Und der Mensch heißt Mensch, weil er irrt und weil er kämpft. Und weil er hofft und liebt, weil er mitfühlt und vergibt."
Private Schicksalsschläge
Im November 1998 hatte er die schwerste Zeit seines Lebens zu überstehen. Erst starb sein Bruder, der Galerist Wilhelm Grönemeyer, mit 44 an Leukämie. Vier Tage später seine Frau, die Schauspielerin Anna Henkel an den Folgen von Brustkrebs. "Man trauert, und es hört nie auf", sagte er später. "Man kann Trauer nicht verarbeiten und auch nicht wegarbeiten. Die bleibt."
Vier Jahre später hat er den Song "Der Weg" seiner toten Frau gewidmet. "Du hast jeden Raum / Mit Sonne geflutet / Hast jeden Verdruss ins Gegenteil verkehrt / (...) Ich trag' dich bei mir / Bis der Vorhang fällt." Diesen Herbert Grönemeyer hat jeder verstanden - und geliebt.
Quelle: ntv.de, nan/spot